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The Beatles: Frischer Klang aus der Abbey Road

(c) EMI
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Nach 22 Jahren neu digitalisiert: Der Beatles-Katalog ist nun erstmals in überzeugender Qualität auf CD erhältlich. Das Quietschen von Ringos Sitz durfte bleiben.

Während sich manche schon in eine Zukunft träumen, in der das Internet eine riesige virtuelle Jukebox ist, in der nach Herzenslust „gestreamt“ wird, hat die Musikindustrie zum vielleicht letzten Mal zu einem Megaprojekt ausgeholt: In vierjähriger Sisyphusarbeit wurde zum ersten Mal seit 22 Jahren der gesamte Katalog der Beatles behutsam remastered, also neu digitalisiert. Die 13 regulären Beatles-Alben und eine „Past Masters“ betitelte Kompilation wurden nun weltweit in Form von Digi-Pack-CDs in einer Stereo- und einer Monofassung veröffentlicht.

Pikanterweise verzichten EMI und Apple darauf, die tontechnisch signifikant verbesserten Versionen als Downloads anzubieten. Das zuletzt von allen Seiten (auch von Künstlern wie Robbie Williams) attackierte Majorlabel EMI zeigt sich wehrhaft, will seinen musikalischen Content nicht im – praktisch copyrightfreien – virtuellen Raum versenken.

Mischpult aus dem Jahr 1970

Nachdem die EMI ihren Teil des Backkatalogs der Rolling Stones an Universal verloren hat, will sie so einmal mehr mit den Beatles abcashen. Dafür bietet sie auch etwas. 14 klanglich veredelte CDs, schöne Booklets und kleine Dokumentationsfilmchen zur Entstehung jedes Meisterwerks. Federführend bei der Verbesserung der Sounds war ein sechsköpfiges Ingenieursteam unter der Leitung von Allan Rouse und Steve Rooke, zwei Veteranen der Abbey-Road-Studios, in der die Beatles all ihre so bestrickend zeitlosen Meisterwerke aufgenommen haben.

Seit 1971 werkt Rouse in den ehrwürdigen Studios, die ständig von Touristen belagert sind, die einander am berühmten Zebrastreifen davor fotografieren. Rouse arbeitete u.a. mit Beatles-Tontechniker Norman Smith und war maßgeblich an Beatles-TV-Projekten und der Neuabmischung von George-Harrison- und John-Lennon-Alben beteiligt. Am Ende der Pressevorführung resümierte er ein wenig bitter das schwindende Sozialprestige von Klangtüftlern wie ihm: „Die Leute produzieren heute eher am Laptop im Schlafzimmer. Wir Toningenieure sind eine aussterbende Spezies.“

Aber eine arbeitsame. Zunächst mussten die alten Tonbänder überprüft werden. Die waren in überraschend guter Verfassung, mussten gar nicht viel entrauscht werden. Die Auswahl der richtigen Geräte war dagegen schwieriger. „Mit einem Vintage-Mischpult Baujahr 1970 fanden wir das ideale Gerät, um die Musik von den Originalbändern in den Computer zu überspielen“, erklärt Steve Rooke. Wobei nach jedem eingespielten Song der Tonkopf des Abspielgeräts gesäubert wurde.

Danach war die Devise: „Knackser und Mikrofon-Plopps sind zu entfernen, ohne den Charakter der Musik anzutasten. Das Quietschen von Ringo Starrs Schlagzeugersitz am Ende von ,A Day in the Life‘ musste natürlich drinbleiben.“ Ziel war ein möglichst warmer, analoger Klang. Der Unterschied zu den bisherigen CD-Versionen ist wirklich frappant: Nie zuvor hat man die Gitarren von Lennon und Harrison so deutlich voneinander abgehoben gehört. Transparenz und Klangtiefe sind überragend. Ein kleines Wunder geschah auch mit den ersten vier Alben, die ursprünglich nur mit zwei Spuren aufgenommen worden waren. Unter Aufbietung simpler, aber effektiver Ideen gelang es den Tontechnikern, daraus geschmeidige Stereoalben zu zaubern. George Martin, Produzent der Originalalben, mittlerweile 83, gefällt das dennoch nicht: Er betont, dass die frühen Alben als Monoaufnahmen konzipiert waren. Er selbst nahm nicht an der Neuedition teil: Sein Gehör ist schon so schlecht, dass er die Subtilitäten leider nicht mehr erfassen kann. Doch für Martin und andere harte Verfechter des Originalklangs gibt es die frühen Alben auch in Mono.

Gab es besonders schwierige Stücke? Laut Rooke fanden sich auf jedem Album ein paar harte Brocken. „Das Lied, das sich vielleicht am meisten gewehrt hat, war ,I Am the Walrus‘.“ Den größten Genuss zogen die Ingenieure aus der klanglichen Auffrischung des „Revolver“-Albums. Wie von einem Grauschleier befreit wirken auch die Stereoversionen von „St. Pepper's Lonely Hearts Club Band“ und vom famosen „White Album“. Allen Rouse zu jetzt schon einsetzenden Spekulationen über neue Vinyleditionen: „Die Nachfrage ist hoch. Ich zweifle keine Minute, dass die EMI sie bald in Auftrag geben wird.“

BEATLES-ALBEN

Please Please Me (1963)
With The Beatles (1963)
A Hard Day's Night (1964)
Beatles For Sale (1964)
Help! (1965)
Rubber Soul (1965)
Revolver (1966)
Sgt.Pepper's... (1967)
Magical Mystery Tour (ursprünglich nur als EP, 1967)
The Beatles (bekannt als „White Album“, 1968)
Yellow Submarine (Film-Soundtrack, 1968)
Abbey Road (1969)
Let It Be (1970)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2009)

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