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Guns N' Roses: Verbrauchte Illusionen

Guns Roses Verbrauchte Illusionen
Guns Roses Verbrauchte Illusionen(c) APA/HERBERT P. OCZERET (HERBERT P. OCZERET)
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Laut, lärmend und nicht wirklich fesselnd: Guns N' Roses wüteten Samstag in der ausverkauften Wiener Stadthalle. Eine kuriose One-Man-Show zwischen Selbstkarikatur und öffentlicher Demontage.

Die um 1980 Geborenen werden sich erinnern können: Als „Welcome To The Jungle“ erstmals aus Kassettenrekordern schmetterte, begannen die Augen der Teddybären im Kinderzimmer in einem diabolischen Rot zu leuchten. Die Welt war wild geworden. Axl Rose, Izzy Stradlin, Duff McKagan, Slash und Steven Adler lieferten ab 1986 abgründige Porträts des US-Großstadtalbtraums, „Appetite For Destruction“ eben. Ihre Musik: ein Destillat aus machistisch unterfütterten Rockismen, der Punk-Attitüde der Sex Pistols und dem erdigen, rifflastigen Rock von Aerosmith und AC/DC. Und dann waren da natürlich die überbordenden, größenwahnsinnigen Balladen, Videos wie surreale Popmusicals.

Über all das konnte man in Ruhe sinnieren, während man am Samstag in der ausverkauften Stadthalle auf den Beginn des Konzertes von Axl Rose und seinem aktuellen Guns-N'-Roses-Simulakrum wartete. Der gesichtsfaltenlose Endvierziger hat nach Nervenzusammenbrüchen, Streitigkeiten und Gerichtsterminen seine Bandkollegen (bis auf Keyboarder Dizzy Reed) aus der Band geekelt.

Was der Sänger dann vor 12.000 Menschen abzog, war eine kuriose One-Man-Show zwischen Selbstkarikatur und öffentlicher Demontage. Überkandidelt und manieriert ist das aktuelle Album „Chinese Democracy“ (2008 nach 15-jähriger Wartezeit erschienen), auch live versuchte der mit Gewichtsproblemen kämpfende Rotschopf Qualität durch Quantität zu ersetzen. Mehr Gitarren, mehr Synthesizer, mehr Loops, mehr Samples – bis hin zur Martin-Luther-King-Rede im pathosschwangeren „Madagascar“. Die Soloeinlagen der drei (!) Gitarristen dienten wohl als Verschnaufpause für Rose, der sich immer wieder ins Sauerstoffzelt oder in den Umkleideraum flüchtete.

Kraftlose Schaumschlägerei

Mit „Chinese Democracy“ versuchte Einzelgänger Rose die Musikgeschichte umzuschreiben: Er wollte klingen, als würde Beck Platten von Led Zeppelin remixen und mit Nine Inch Nails verzieren. Das erweist sich als anachronistische Schaumschlägerei: „Shackler's Revenge“, „Chinese Democracy“, oder „Better“ waren auch live nur ein Trümmerhaufen der Ambitionen, die die Backing-Band nicht zusammenhalten konnte.

Gitarrenvirtuose Bumblefoot, Tommy Stinson von den Replacements am Bass, Nenas Gitarrist Richard Fortus, Schlagzeuger Frank Ferrer, DJ Ashba und Keyboarder Chris Pitman (einst bei Tool) imitierten die Posen ihrer Vorgänger. Ob es ein Vor- oder Nachteil ist, dass Rose im chaotischen Mix kaum zu hören war? Der kalte Herzensbrecher aus „You Could Be Mine“ ist zum Vater von vor Spezialeffekten strotzenden Arrangements geworden. Kraftmeierisch, undifferenziert, langweilig. Rose versuchte den neueren Songs Leben einzuhauchen.

Keiner klopft mehr an die Himmelstür

Vergeblich. Monochromatisch und abgehetzt kämpfte er sich auch durch den Greatest-Hits-Marathon, keuchte von „It's So Easy“ zu „Mr. Brownstone“ und „Knockin' On Heaven's Door“. Dazwischen: eher unelegante Songfetzen, von Pink Floyd zu Elton John, von AC/CD zu Jimi Hendrix. Der früher grazile, sexy Snake-Dance versteinerte zu den mechanischen Klängen ohne Raffinesse.

Roses Stimme klingt noch immer wie das Geräusch, das ein Kassettenrekorder macht, wenn er das Band verschluckt. Ein paar Mal sind sie schon greifbar gewesen, diese Momente – bei „November Rain“ oder „Paradise City“. In „Live And Let Die“ verschleppte eine Pyroshow den Beat der Band. Man hätte die Bühne abbrennen können, der Funke hätte trotzdem Probleme gehabt überzuspringen. Einst waren Guns N' Roses aufregend, sexy und anarchisch. Doch des Teddybären Augen leuchten nicht mehr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2010)

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