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Ein König des Soul: Solomon Burke ist tot

BURKE
BURKE(c) AP (Martial Trezzini)
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Der 70-Jährige galt als eine der letzten großen Soul-Stimmen aus den 1960er-Jahren. Einer seiner größten Hits war "Everybody Needs Somebody To Love", der von den Rolling Stones und den Blues Brothers interpretiert wurde.

Auf dem Flughafen von Amsterdam, kurz nach der Landung, aber noch im Flugzeug ist Solomon Burke am Sonntagmorgen gestorben. Die genaue Todesursache ist bisher unbekannt; man darf aber, ohne pietätlos zu sein, annehmen, dass die überaus majestätische Leibesfülle des großen Soulsängers ein Grund für sein Hinscheiden war. Seit langem schon auf den Rollstuhl angewiesen, hatte er Konzerte nur mehr im Sitzen gegeben – nicht auf einem gewöhnlichen Sessel oder Sofa, nein, sondern auf einem rot-samtenen Thron, gekleidet in einen Mantel aus Hermelin.

Denn Solomon Burke war einer jener wenigen Männer, die man mit vollem Recht einen König des Soul nannte („King of Rock and Soul“ sagte man sogar in den Sixties.) Und er wusste es. Dass Johannes Paul II. ihn mehrmals im Vatikan auftreten ließ, schien ihm angemessen; er habe mit dem Papst „auf persönlichem Niveau konversiert“, erzählte er einmal der „Presse“. Schließlich war er selbst, wie es sich für eine Majestät des Soul gehört, auch ein geistlicher Herr. Mit neun Jahren predigte er bereits als „Wonder Boy Preacher“ in der von seiner Großmutter gegründeten Kirche in seiner Heimatstadt Philadelphia, als Gospelsänger trat er erst mit zwölf auf. Und er hatte einen dritten Beruf: Nach ersten erfolglosen Platten Ende der Fünfzigerjahre leitete er das Beerdigungsinstitut seiner Tante. Dass er das Leben liebte, zeigt indessen auch die Anzahl seiner Kinder: 21. Zwei, drei davon, heißt es, mussten sich bei seinen späten Konzerten stets darum kümmern, dass ihr Erzeuger genug zu essen bekomme . . .

Damals in den Sechzigern, in der Gründerzeit des Soul, musste Burke als archetypischer Soulman erster Generation die Gratwanderung zwischen weltlichem Rhythm 'n' Blues und spirituellem Gospel, zwischen irdischer und göttlicher Liebe leben. „Als praktizierender Priester konnte ich keinesfalls das gängige R&B-Repertoire singen!“, erklärte er einmal im Rückblick. Also nahm er 1961 für die Firma Atlantic zunächst einmal – als erster Afroamerikaner – Country-Songs auf, dann begann er selbst zu komponieren: Songs, die prägend für das gesamte Genre wurden, die auch weiße Bluesfanatiker wie die Rolling Stones für den Soul begeisterten. Mick Jagger sang „Everybody Needs Somebody To Love“ und „Cry To Me“ bald nach Erscheinen nach, wissend, dass er an die gewaltige Stimme und die Gefühlsintensität Solomon Burkes nicht herankommen konnte. Also sang er die Songs anders, brüchiger, unsicherer (und, nein, auch nicht schlecht). Burke wusste seine weißen Schüler zu schätzen. „Ich wusste damals schon, dass die Rolling Stones etwas ganz Besonderes aus meinem Song machen konnten“, sagte er einmal – und sang quasi als Revanche das beste Soul-Stück der Stones, „I Got The Blues“, kongenial nach.

Imposantes Comeback 2002


In den Sixties wurde Solomon Burke um das Geld, das ihm als Komponist zustand, oft betrogen. Und in den Siebzigerjahren schwand auch sein künstlerischer Erfolg. Er konzentrierte sich auf sein Standbein als Bestattungsunternehmer, hörte freilich nie auf, zu singen und zu predigen. Anfang der Neunziger nahm er zwei substanzielle Bluesalben auf, doch sein imposantestes Comeback war 2002 mit dem mit einem Grammy ausgezeichneten Album „Don't Give Up On Me“, für das ihm viele ganz Große – Brian Wilson, Bob Dylan, Van Morrison, Tom Waits, Elvis Costello u. v. a. – Songs schrieben, die Solomon Burke mit seinem sonor vibrierenden Bariton adelte, den man am besten hilflos mit „seelenvoll“ beschreibt. Sein letztes Album „Nothing's Impossible“ (2010) wurde nicht von allen goutiert: Puristen tadelten den heftigen Einsatz von synthetischen Streicher- und Bläsersätzen. Als ob das im Soul je gestört hätte!

Live war er bis zuletzt trotz aller Gebrechlichkeit, trotz des skurrilen Pomps beeindruckend. Über sein letztes Wienkonzert schrieb die „Presse“: „Gerührt ließ sich der 69-Jährige im Rollstuhl vor die Fans führen und versprach im abschließenden Gospel ein Wiedersehen, bald, irgendwo im Paradies.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2010)

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