Juli: Trost ohne Rat

Eva Briegel, die Sängerin der Band Juli, im Gespräch über zu viel musikalische Förderung, die Vorzüge der deutschen Sprache und Blockflöten-Terror.

TIPP

Die Berliner Band Juli („Die Perfekte Welle“) präsentiert sich auf dem neuen Album „In Love“ musikalisch experimentierfreudig und textlich nachdenklich. Das „Schaufenster“ sprach mit Sängerin Eva Briegel.

Welche Erlebnisse haben Sie dazu geführt, Musikerin zu werden?

Ich habe in der Grundschule Blockflöte gelernt, weil das alle gelernt haben. Dann habe ich zu Radiohits Flöte gespielt – meine armen Eltern. „Bello e Impossibile“ von Gianna Nannini hab ich sicher ein paar hundert Mal gespielt. Richtiger Musikunterricht war sehr teuer, also habe ich improvisiert. Aus einem Gartenschlauch baute ich eine Trompete und dudelte damit herum. Mich haben Klänge einfach so fasziniert, dass ich mir Wege suchte, welche herzustellen. Ich wohne heute in Berlin am Prenzlauer Berg, wo es wohl die höchste Geburtenrate in der Bundesrepublik gibt. Da wird gefördert, bis der Arzt kommt, egal, ob sich das Kind wirklich dafür interessiert. Das finde ich nicht gut.

Vielleicht wünschen sich diese jungen Eltern einfach Altensicherung nach chinesischem Vorbild . . .

Ja, vielleicht. Oder sie wollen ihren Kindern etwas mit ins Leben geben, das trösten kann. Wenn man ein Instrument gut spielt, hat man nämlich etwas, das einen zuverlässig trösten kann.

Geben Juli mit ihrer Musik eher Trost oder Rat?

Also Rat auf keinen Fall. Trost eigentlich auch nicht unbedingt. Wir erzählen in unseren Liedern einfach von uns. Weil wir aber so offen und ungeniert von uns erzählen, bemerken wir, dass auch einige Menschen Trost darin finden.

Gab es fürs Album eine Grundidee?

Es wurde nicht gerade ein Konzeptalbum, aber als wir uns im Studio getroffen haben, bemerkten wir, dass es diesmal eine Liedersammlung der Sattheit und damit der Freiheit wird. Wir gingen ziemlich kompromisslos vor, ließen uns von niemandem dreinreden. Auch nicht von der Plattenfirma.

Aber Juli hat doch mit dem Song „Die Perfekte Welle“ dem Label ohnehin schon sehr viel Geld gebracht . . .

Es ist nie genug. Auf der anderen Seite droht dir nach so einem Erfolg immer das Image des Versagers, wenn du ihn nicht wiederholst. Es gibt genug Leute, die sich darüber freuen würden, wenn jetzt weniger Menschen zu unseren Konzerten kämen. Im Musikbusiness geht es doch auch um ein Immer-größer-Werden. Ich bin glücklicherweise schlecht im strategischen Denken, deshalb komme ich gar nicht in Versuchung, es zu probieren. Das macht auch meine Freiheit aus.

Wie haben Sie diese nun auf dem neuen Album umgesetzt?

Wir haben viel im Studio mit Sounds experimentiert. Lange, bevor es an die Songstrukturen ging. Besonders ins Herz schloss ich so einen schäbigen Sampler. Zu dessen Sounds fielen mir immer wieder gute Melodien ein. Auch beim Texten gab unsere neue Herangehensweise gute Impulse.

Einige der Songs haben Sie gemeinsam getextet. Wie funktioniert das in der Praxis?

Auf keinen Fall so, wie man das in diesem Metallica-Film gesehen hat, in dem die Metaller um einen Tisch herumsaßen und sich dann oberlehrerhaft gegenseitig die Formulierungen ausgebessert haben. Bei uns geht es nicht so spießig zu. Nein, ich hatte meinen Zettelkatalog mit, auf dem interessante Wortkombinationen standen, und ließ die Kollegen damit improvisieren. Sie haben mitbekommen, wie ich gerade ticke, und haben dann Gedanken und Stimmungen in den Liedern fortgesetzt. Das macht die Lyrics für mich interessanter, als wenn ich sie allein geschrieben hätte.

Einer der Songs auf „In Love“ heißt „Du lügst so schön“. Kann es Liebe ohne Projektion, ohne Illusion überhaupt geben?

Ich glaub’ nicht.

Das Album trägt einen englischen Titel, ist aber durchgehend in Deutsch gesungen. Wie sehr eignet sich Deutsch als Sprache für Popmusik?


Immer wenn ich die Gelegenheit habe, einmal ein Lied auf Englisch zu singen, merke ich, wie toll das ist, wenn sich im Mund ganz vorn so viel abspielt wie im Englischen. Aber wir haben uns nun einmal zu Beginn für Deutsch entschieden, also machen wir das weiter. Außerdem gibt es ja mittlerweile sehr viele andere Bands, die ganz selbstverständlich deutsch singen. Die unmittelbare Verständlichkeit ist ein Wert, den man nicht unterschätzen darf.

Wie gut hat Ihnen der Erfolg des Songs „Die Perfekte Welle“ getan?

Wir waren damals gerade auf Tour und zunächst war es für uns ganz abstrakt, wie das Ding in den Charts immer weiter nach oben gestiegen ist. Aber dann freuten wir uns riesig. Als dann die Tsunami-Katastrophe in Asien passierte, wurde das Lied von vielen Radiostationen aus dem Programm genommen. Irgendwie auch verständlich.

Sie engagieren sich für Klimaschutz und Vegetarismus, haben immer scharfe Worte für die Globalisierung. In Ihrer Musik lassen Sie aber die Finger von jeglichen Parolen. Warum?


Bei so brennenden Themen wie Massentierhaltung und Kinderarbeit ist es manchmal schwer, sich zurückzuhalten. Dennoch möchten wir in erster Linie von unseren Leben erzählen. Wir maßen uns nicht an, die Welt über unsere eigenen Existenzen hinaus verändern zu wollen. Ich lebe gemäß meinen ethischen Grundsätzen, erwarte aber nicht, dass die jeder andere auch teilt. Schön wär’s aber doch.

Juli live am 21. 11., Arena Wien, www.arena.co.at

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