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Ja, Panik: Auftritt einer großen Band

Panik Auftritt einer grossen
Panik Auftritt einer grossen(c) EPA (PATRICK B. KRAEMER)
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Popfest Wien: Die Wahlberliner begeisterten auf dem Karlsplatz. Diese Band ist nicht überschätzt. Sie ist wirklich so gut

Sie musste ja kommen, die typisch österreichische Reaktion auf den Erfolg der nach Berlin ausgewanderten Band Ja, Panik: Sie sei doch überschätzt, das deutsche Feuilleton übertreibe mit seiner Begeisterung.

Unsinn. Diese Band ist nicht überschätzt. Sie ist wirklich so gut – und nicht nur, wie man hierzulande über fast jede Band gütig sagt, „für österreichische Verhältnisse sehr gut“. Das bewies sie beim Popfest Wien mit einem Konzert, das in jedem Detail präzise war, eine höchst bewusste, konzentrierte Auf- und Vorführung, so treffsicher, dass sogar manche der notorischen Schwätzer im Publikum bisweilen ihre Konversation kurz einstellten. Originellerweise z.B. bei „Suicide“, wo von Tratsch und Gelächter die Rede ist.

Berlin, nicht Nirwana: „Nevermind“

Aber auch bei „Nevermind“, von Sänger Andreas Spechtl – einem Star in jeder Geste, jedem Ton, dabei seiner Bühnenwirkung völlig bewusst – als „love song“ angesagt. Die Melodie erinnert an Bob Dylans „Desolation Row“, aber hier werden keine mythischen Figuren beschworen, sondern die Bandmitglieder selbst, mit ihren Ängsten, Sorgen und Zweifeln. Live sang jeder seine eigene Strophe, sprach sich selbst den Trost zu: „Sebastian, never mind!“ Wie in „Desolation Row“ schwenkt auch in diesem Song die Kamera in der letzten Strophe auf den Erzähler selbst, also auf Spechtl. Nach einem dramatischen Instrumentalteil mit sengender Gitarre bleibt ihm das zum restlichen Song antithetische, bestürzende Schlusswort: „Der Hass hat sich so tief in mich gefressen, dass ich wohl ganz verloren bin.“

Dylanologen haben auch mit anderen Songs ihre Freude, etwa mit „Mr. Jones & Norma Desmond“, das wie Dylans „Ballad Of A Thin Man“ einen Mister Jones verhöhnt, der nichts versteht. Doch die Texte dieser Band wirken auch ohne solche Popbildungszitate: Ja, Panik sind, auch wenn sie uns das in ihren listigen Selbstdarstellungen weismachen wollen, keine Zitatpop-Band; sie haben nur verstanden, dass die Gebärde vom autarken, unabhängigen, nach Freiheit brüllenden Ich, die die Rockmusik wieder und wieder reproduziert, eine Theaterillusion ist. Da kann man mit gleicher Würde(-losigkeit) auch den dekadenten Zyniker geben, sogar im Tonfall Falcos: „Tja, meine Herren“, sang Spechtl in „Nevermore“ fast schon nasal, „was auch immer entsteht, ist nur gemacht, damit es untergeht; ja, ja, ja, so war es immer, sei es Troja, Atlantis, k. u. k.“

Ach, verdammt! Mit dem Jahrzehntsong „Alles, hin, hin, hin“, der in diesen Schrei mündet, schlossen Ja, Panik. Und brachten ebenso stilvoll als Zugabe „The Evening Sun“, in dem Spechtl im Duktus eines versoffenen Gospels heult, dass seine Seele aus seinem Zimmer ausgesperrt sei. Was für ein Abgesang. Was für eine gewaltige Band. tk

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2011)

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