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Ex-Beatle in Österreich: Einer ist immer der Ringo

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ExBeatle oesterreich Einer immer(c) AP (Joel Ryan)
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Der Ex-Beatle Ringo Starr tritt kommende Woche in Salzburg und Wien auf. Sympathisch stoisch, solide und schlicht, wortkarg, aber witzig: Er hat das Bild geprägt, das wir uns bis heute vom Schlagzeuger einer Band machen.

Die Beatles-Filme ansehen“, schrieb Peter Handke in seiner „Publikumsbeschimpfung“ (1966) den Schauspielern vor, und: „In dem ersten Beatles-Film Ringo Starrs Lächeln ansehen, in dem Augenblick, da er, nachdem er von den andern gehänselt worden ist, sich an das Schlagzeug setzt und zu trommeln beginnt.“

Tatsächlich: Selten ist die Psychologie eines Schlagzeugeinsatzes so fein illustriert worden wie in dieser Szene in „A Hard Day's Night“. „Leave my drums alone!“, fährt Ringo einen Tontechniker an, der ihm seine Becken verstellt. „Er ist sehr heikel mit seinem Schlagzeug“, erklärt Harrison spöttisch. „Was hat er denn?“, fragt McCartney. „Er ist wieder einmal angefressen“, antwortet Harrison. Mit halb mürrischem, halb verlorenem Blick rückt Ringo das Schlagzeug zurecht, während John Lennon schon spielt und singt: „If I Fell.“ Ringo setzt sich, greift sich die Sticks, setzt ein. Kaum hat er zu spielen begonnen, verschwindet der Grant aus seinen Zügen: Er lächelt, er ist in seinem Element, im Rhythmus.

Später im Film ist Ringo wieder beleidigt, läuft davon, fotografiert, wird gesucht, schlendert die Themse entlang, findet einen Seelenverwandten in einem trotzigen Buben, wird verzweifelt gesucht, fliegt aus einem Lokal, erregt Ärgernis, wird polizeilich festgenommen („Landstreicherei“ etc.) und ist schließlich wieder mit den restlichen „Boys“ vereint.

Der Ungeschickte, der Außenseiter, der „Underdog“ als passiver Held: Der zürnende Ringo Starr ist die Zentralfigur von „A Hard Day's Night“. Der Name des Films kommt übrigens von einem Ringo-Satz: „Ringoisms“ nannten seine Kollegen solche lakonischen Bemerkungen, auch der Titel „Tomorrow Never Knows“ ist ein Ringoismus.

„Mehr als die anderen war es Ringo Starr, der die Beatles verkörperte“, schrieb Nik Cohn in seiner „Pop History“: „Großnasig und hundeäugig sah er unentwegt verwirrt aus und sprach kaum einen Ton: ,Ich habe keinen Lächelmund und kein Redegesicht.‘“ So wurde Ringo Starr als Schlagzeuger der Beatles – bis heute Vorbild nicht nur aller Boygroups, sondern überhaupt aller Bands – auch zum ersten „Role Model“ für Schlagzeuger: bescheiden, liebenswert, solide. „Ich gehe hinüber in Johns Haus, um mit seinen Spielsachen zu spielen, und manchmal kommt er zu mir, um mit meinen zu spielen“ – so fasste er sein Leben als Beatle in den „wilden Sechzigern“ zusammen.

In deren frühen Jahren kamen schnell zwei alternative Entwürfe zur Rolle des Schlagzeugers. Zunächst der Drummer der Rolling Stones, Charlie Watts: noch wortkarger, aber eleganter. Sehr englisch. Teetrinker, Anzugträger, Hobbyjazzer. „I don't know, I just play the drums“, das war und ist Watts' häufigster Satz in Interviews: Er gehört dazu und gehört doch nicht wirklich dazu, zu diesem seltsamen Verein. Aber er hält den Rhythmus, komme, was wolle. Er swingt, ob das Keith Richards passt oder nicht. Und er weiß, was er wert ist. Über die Gründungszeit der Stones erzählte Richards: „Wir hungerten, um Charlie Watts bezahlen zu können.“ Als Mick Jagger diesen viele Jahre später des Nachts betrunken anrief und mit der Frage „Where is my drummer?“ belästigte, zog er sich seinen feinsten Savile-Row-Anzug an und suchte den vorlauten Sänger persönlich heim, um ihm unter Einsatz von Brachialgewalt zu erklären: „Nenn mich nie wieder deinen Schlagzeuger!“ Merke: Schlagzeuger haben ihren Stolz.

Den dritten Typus verkörperte Keith Moon von The Who: In seinem explosiven, rücksichtslos nach vorn drängenden Spiel unerreicht, war er als Charakter im Bandgefüge der Verrückte („Moon, the loon, nannten ihn die Kollegen, „lunatic“ heißt ursprünglich „mondsüchtig“, übertragen aber „verrückt“), der Exzessive, der seinen Affekten ausgelieferte, das Tier. John Bonham von Led Zeppelin, mit Moon gut befreundet, spielte die gleiche Rolle; beide starben früh (1978 respektive 1980) an ihrem Alkoholismus. An Bonhams Stelle spielte bei einem Led-Zeppelin-Revival 2007 sein Sohn Jason; Keith Moons Platz wurde ebenfalls bei einem Revival durch einen Sohn eingenommen, allerdings nicht durch seinen eigenen: Zak Starkey, der Sohn von Richard Starkey vulgo Ringo Starr, spielte 1996 bei den Who. Und er kam dem Stil Keith Moons näher als alle anderen Schlagzeuger – wie Ringo klang er nie. Gene sind eben nicht alles.

Dem Stil Bonhams – zumindest in der Wucht, der Erdenschwere – nahegekommen ist in den letzten Jahren Meg White von den White Stripes. Sie ist eine der wenigen Schlagzeugerinnen; in diesem Beruf ist der Frauenanteil erbärmlich. Schon sehr früh stilprägend war freilich Maureen Tucker, von Beginn (1966) an Schlagzeugerin bei Velvet Underground: Wie ungerührt sie einen auf seine Essenz eingedampften Rhythmus hielt und, wenn der Song es gebot, unmerklich bremste oder beschleunigte, ist bis heute unübertroffen. Menschlich spielte sie in der Band die Rolle eines weiblichen Ringo: Warmherzig und freundlich hielt sie die Egozentriker Lou Reed und John Cale zusammen, solange es ging. Und ganz selten sang sie sogar.

Schlagzeuger, die der dienenden Rolle überdrüssig werden, die nach vorn drängen, gab es immer wieder. Phil Collins etwa, der bei Genesis vom Schlagzeug zum Gesang wechselte. Oder Dave Grohl von Nirvana: Er gründete nach Kurt Cobains Tod seine eigene Band Foo Fighters, bei der er als Sänger und Gitarrist nie das tragische Charisma Cobains erreichte. Und am besten ist er bis heute, wenn er sich – wie bei den Crooked Vultures – wieder hinter die Trommeln setzt und wuchtig, doch nie schwerfällig spielt.

Auch Ringo durfte bei den Beatles von Zeit zu Zeit singen: eine Handvoll von Songs, darunter Rockabilly-Nummer wie „Matchbox“), das kindliche „Yellow Submarine“ (Psychedelic à la Ringo), das herzige (von ihm selbst nach einem Erlebnis mit Tintenfisch auf dem Teller geschriebene) „Octopus's Garden“ und das programmatische „With A Little Help From My Friends“.

Ein bisschen Hilfe von den Freunden: Darunter verstanden Lennon und McCartney auch, dass sie ihm Songs schrieben, deren Tonumfang nicht übertrieben groß war. Als Schlagzeuger mussten sie ihn nicht schonen. Dass Ringo Starr lange als mittelmäßiger Drummer (was man in seiner Heimat ganz streng mit „u“ spricht) gesehen wurde, liegt an der Zeit, in der solche Wertungen aufkamen: in den frühen Siebzigern, als Burschen wie Carl Palmer sich im Wettstreit mit den Rockjazz-Schlagzeugern in Soloexzessen produzierten, die heute oft mehr nach Technikdemonstrationen klingen als nach musikalischen Beiträgen.

Nein, für so etwas war Ringo nicht zu haben. Solo, das war ein Fremdwort für ihn. Er arbeitete lieber an Feinheiten: Man höre nur das erregte Zischen der Hi-Hat in „It Won't Be Long“, den dumpfen Wirbel in „She Loves You“, den lässigen Swing in „I Feel Fine“, die scharfen Schläge in „Strawberry Fields Forever“, das kunstvoll verschleppte Tempo in „A Day In The Life“...

Wenn jemand dergleichen nicht hören wollte, trug das Ringo mit Humor – wie die Meditationsseminare, zu denen ihn seine Kollegen schleppten: Sie erinnerten ihn, sagte er, an die Ferienlager seiner ärmlichen und kränklichen Jugend in Liverpool. (Sein Geburtshaus im Vorort Dingle ist derzeit vom Abriss bedroht.)

Dort wollte er nicht bleiben. Da ging er lieber auf Urlaub. In einem solchen erreichte ihn 1969 eine Ansichtskarte seiner drei Kollegen, die einen trommelnden Wächter von Windsor Castle zeigt. Darauf steht: „You are the greatest drummer in the world. Really.“ So versöhnt man einen beleidigten Schlagzeuger!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2011)

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