Pop

Costello-Solo: Weises Vergnügen

(c) APA (GEORG HOCHMUTH)
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Wiener Konzerthaus: Elvis Costello wechselte zwischen fünf Gitarren und überzeugte mit Humor, Spielwitz und wunderbar geölter Stimme.

Wenn die alten Fans den so solide gereiften Helden ihrer Jugend wiedersehen, mag wohl deren Gehirn am liebsten kurz aussetzen, den Anblick dieses vermeintlichen Südstaaten-Gentleman im dreiteiligen Anzug ausblenden und ihm eine neue Bedeutung geben. Aber nein, unter diesem breitkrempigen Hut war letztlich doch jener Elvis Costello zu erkennen, der einst die britische New Wave aufgemischt hatte.

Gesetzt ist er immer noch nicht, aber man merkt, dass er sich seiner Fähigkeiten zu jeder Sekunde voll bewusst ist. Solo ist er diesmal gekommen. Um sein Publikum ein wenig mit musikalischen Unorthodoxien zu necken und sich dabei selbst zu unterhalten. Die Opener „Bullets For The New-Born King“ und „Accidents Will Happen“ gerieten noch arg unauffällig. Aber schon beim dritten Song, der erhabenen Ballade „Either Side Of The Same Town“, geriet Costello in jene Glut, die Stimme und Gitarrenton höchst delikat zusammenschmelzen ließen.

Alter Traum des freihändig Gitarrespielens

Auch „Home Is Anywhere You Hang Your Head“, diese schöne Geschichte eines unglücklichen Verliebten namens Mr. Misery, war von erfüllender Intensität. Mit viel Gusto stapfte Costello durch die eigene Historie, behandelte Klassiker genauso unprätentiös wie die ganz frischen Songs. „Watching The Detectives“ lärmte er mit zugespielten Rhythmen zu. Ein raues Riff war zu hören, während Costello beide Arme weit von sich streckte. Der alte Traum des freihändigen Gitarrespielens: So nah war er selten. Der reife Costello versuchte sich doch an dieser Stelle tatsächlich an Realtime Loopings. Die daraus resultierenden räudigen Grooves ornamentierte er mit glühenden Gitarrensoli. „I'd like to introduce my special guest this evening: It's me“, scherzte er, als er wieder einmal zu einer anderen der fünf bereitgestellten Gitarren eilte. Was leicht monoton hätte werden können, wurde durch Costellos überbordende Musikalität zu einem einzigen Vergnügen. Aus dem einst reduziert werkenden Rebellen mit dem Buchhaltergesicht ist längst ein mondäner Traditionalist geworden. Das zeigte sich an diesem Abend an der Nonchalance, mit der er Lieder anderer einbaute. Die schöne Beatles-Schnulze „You've Got To Hide Your Love Away“ integrierte er ins eigene „New Amsterdam“. Auch die anderen Covers von Charles Aznavours „She“, über den Jazzstandard „All Or Nothing At All“ bis hin zu Brinsley Schwarz' Pubrock-Klassiker „(What's So Funny 'Bout) Peace, Love And Understanding“ entbot er anstrengungslos inmitten von Eigenem.

Neben den üblichen Verdächtigen wie dem am Flügel zelebrierten „Shipbuilding“ und den beiden wunderschön vokal verzitterten Balladen „Everyday I Write the Book“ und „Almost Blue“ begeisterten vor allem die neuesten Lieder. Einerseits das ruppige „National Ransome“, aber auch zärtliche, nostalgisch eingefärbte Etüden wie „A Voice In The Dark“ und „Jimmie Standing In The Rain“. Gern will man glauben, dass sich diese schöne Mischung aus Liebe, Schönheit und Weisheit aus dem Ehebett entfaltet hat. Grund genug dafür, dass Ron Sexsmith, wie Costello schalkhaft bekannte, nur sein zweitliebster Mensch in Kanada ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2011)

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