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Rammstein in Wien: Martialisch wie gewohnt

(c) Dapd (Berthold Stadler)
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Die ostdeutsche Band bot in der ausverkauften Stadthalle ihre übliche mehrdeutige Show, pardon, Schau. Gewaltverherrlichung und Poesie sind kein Widerspruch bei der 1994 von Ostdeutschen gegründeten Band.

Schon der Beginn glich einer Kriegslist. Böses Donnern lockte die Fans in den Saal. Die Rotte Rammstein stieg indes über Garderobe2 in die Stadthalle ein. Mit Fackel und Flaggen griffen die sechs Lärmsoldaten über die Flanke an, kämpften sich zum Mischpult durch und marschierten über eine Zugbrücke auf die Bühne. Explosionen und Feuerblitze begleiteten den martialischen Auftritt. Die Fans, gebannt und ehrfürchtig, waren integraler Teil der autoritären Inszenierung.

Dann senkte sich metallisch dröhnend der bleierne Groove von „Sonne“ herab. Mit charakteristischem Greinen wetzte Sänger Till Lindemann die Worte von seinen patinierten Stimmbändern: „Die Sonne scheint mir aus den Händen, kann verbrennen, kann die blenden, wenn sie aus den Fäusten bricht, legt sich heiß auf dein Gesicht, legt sich schmerzend auf die Brust, das Gleichgewicht wird zum Verlust.“

„Du bist hier in meinem Land“

Gewaltverherrlichung und Poesie sind kein Widerspruch bei der 1994 von Ostdeutschen gegründeten Band, die ästhetische Elemente des Nationalsozialismus kapert und sie beinahe unpolitisch präsentiert. So etwas wie einen rechten Slogan findet man im Œuvre nicht. Gutes Beispiel für die clevere Strategie ist die neue Single „Mein Land“: In einem nebulösen Text grollt Lindemann gefährlich „Mein Land, mein Land, du bist hier in meinem Land“. Was im Lied vordergründig harmlos wirkt, gewinnt beim rechten, ausländerfeindlichen Stammhörer die Brisanz, die es wohl haben soll.

Texter Lindemann, in der DDR aufgewachsen, gestählt im Kampf gegen die Zensur, übt sie dieser Tage selbst aus. Rammstein-Interviews werden prinzipiell zensuriert, die Bandmitglieder verschanzen sich gerne hinter „spontaner Naivität“, wenn es um die Deutung von Lindemanns Texten geht. Dass sich auch an diesem Abend in Wien Kunstfreunde mit rechtem Dresscode eingefunden haben – schwarze Springerstiefel mit weißen Schuhbändern –, wäre für sie wohl „Zufall“.

Begleitet von erstklassigen pyrotechnischen Effekten und knüppelharten Riffs arbeiteten sich Rammstein zackig durch ihren Themenkatalog zwischen Mutterliebe („Mutter“), Fußmärschen („Links, 2, 3, 4“) und Sadomasochismus („Bück dich“). Mit dem den US-Kulturimperialismus geißelnden Song „Amerika“ war man kurz konkret politisch. Und doch haben Rammstein dank David Lynch viele US-Fans. Ihre Fratze des hässlichen Deutschen ist ungeachtet aller moralischen Bedenklichkeit erstklassige internationale Handelsware. Mit dem tobenden „Blitzkrieg mit dem Fleischgewehr“ („Pussy“) ging die teutonische Metal-Oper gewohnt derb zu Ende. Die niedrigen Instinkte waren befriedet. Wohl nur kurz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2011)

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