Black Sabbath: Bleierne Stiefel auf pannonischen Feldern

ozzy osbourne black sabbath
ozzy osbourne black sabbath(c) Presse Digital/Maciej Palucki
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Tiefe Ängste und quälend langsame Gitarrenriffs: Black Sabbath, die Gründerväter des Heavy Metal, beschlossen die zehnte Ausgabe des "Nova Rock"-Festivals an der ungarischen Grenze. Sie überstrahlten alles andere.

Ozzy Osbourne war nicht immer Sänger. Er hat sich auch in ehrbaren Berufen versucht. Aber selbst dort war er verleitet, Unsinn zu machen. Oft Unsinn, der ihn auf seine gänzlich unerwartete Zukunft im Rockbusiness vorbereitete. An der Entfettungsmaschine einer Fabrik dahinsiechend, atmete er, statt die Schutzmaske zu tragen, frohgemut giftige Dämpfe ein. Dann probierte er es mit einer Lehrstelle, die ihn zum staatlich geprüften Autohupenstimmer gemacht hätte. Das Getröte war ihm zu jazzig. Schließlich versuchte er sich in einer Schlachterei. Und auch dort gab es etwas zu lernen: „Das Einzige, was von einem Schwein nicht brauchbar ist, ist das Gequieke", zitiert Osbourne in seiner Autobiografie eine Schlachterweisheit. Im patscherten Rockstarleben des gescheiterten Arbeiters verhält es sich umgekehrt ... Natürlich, Osbournes Stimme als Quieken zu bezeichnen, wäre uncharmant. Doch sie hat immer etwas Klagendes, Jammerndes. Auch heute noch, obwohl sie ein wenig von ihrer früheren Schärfe verloren hat. Im Gegensatz zum innigen Zusammenspiel von Gitarrist Tony Iommi und Bassist Geezer Butler: Es ist noch schärfer, giftiger geworden.

Iommi, wie Osbourne in Aston, einem Vorort der Industriestadt Birmingham geboren, war schon zu Schulzeiten ein bewunderter Gitarrist. Durch einen Arbeitsunfall in einer metallverarbeitenden Fabrik verlor er zwei Fingerkuppen seiner Griffhand. Um mit seinen Plastikfingerkuppen besser greifen zu können, stimmte er sein Instrument auf Cis hinunter. Was als individuelle Erleichterung gedacht war, prägte den Sound unzähliger späterer Bands. So wurde aus einem Handicap ein eigenwilliger Stil, Iommis Gitarre begründete ein neues Genre: Heavy Metal. Mit zehn heilen Fingern hätte sich Iommi wohl ins Labyrinth des Virtuosentums verirrt, so aber blieb er bei den Vorteilen der Einfachheit. Eines seiner berühmtesten, berüchtigt langsamen Metal-Riffs eröffnete den Abend: „War Pigs" von 1970, eingeleitet durch heulende Sirenen und irrem Lachen. Es funktionierte wie einst.

„It's great being fucking crazy" rief Ozzy Osbourne den Massen recht ausgelaugter Jugendlicher zu. Drei Tage lang waren die Burschen und Mädchen damit beschäftigt gewesen, sich im Staub der pannonischen Tiefebenen gegenseitig zu umkreisen und mit toxischen Delikatessen (Alkohol! Fettwaren! Und so weiter!) tiefsitzende Kontaktängste zu überlisten. Jetzt waren sie nur noch mit gröbsten Reizen zu kitzeln.

Eingebläute Angst vor der Hölle

Dafür waren Black Sabbath goldrichtig. Professionell wie Schausteller aus früheren Jahrhunderten leiteten sie in eine Welt des Schauderns und Entsetzens. Protagonist vieler früher Songs war der Teufel höchstpersönlich. Satanisten waren sie dennoch nie. Die eingebläute Furcht vor der Hölle verließ die Arbeiterbuben einfach nicht. Irgendwann kam dann die Lust an der Angst. „Satan points at me again, opens the door to push me in", quengelte Osbourne mit schreckensgeweiteten Augen im von Todesglöckchen und Donner eingeleiteten „Black Sabbath". Ihre Geisterbahn legten sie von Beginn an mit Mustern aus dem Blues aus. Als der Grusel dann die Mädchen eher verscheuchte als an- und auszog, wurden sie ein wenig nachdenklich, blieben aber dabei. Es waren sowieso die einprägsamen Riffs, die diese Band auf die Landkarte der internationalen Rockmusik brachten. Paradebeispiel für die Wirksamkeit dieser simpel-raffinierten Gitarrenmotive war das in dieser burgenländischen Nacht ausgiebig zelebrierte „Iron Man". Welch herrliches Geknatter! Welche wunderbare Spiegelung tiefster Ängste! „Heavy boots of lead, fills his victims full of dread, running as fast as they can, Iron Man lives again" - mit diesem als Song getarnten Angstanfall hätte Prof. Sigmund Freud wohl seine Freude gehabt. Und das Riff? Einmal gehört, ist es selbst den vom Festival schwer Gezeichneten unmittelbar in die Seele tätowiert. Selbst, wer schon zig Stunden im Niemandsland zwischen Wachen und Schlafen zugebracht hat, kann das in der Sekunde mitgrölen.

Auch Klassiker wie „Children of the grave" und „N.I.B." faszinierten in ihrer Alterslosigkeit. Die Frage nach echtem Glück diesseits des Paradieses hat Black Sabbath schon im frühen Hit „Paranoid" beschäftigt. Mit ihm beschlossen sie markant ihren grandiosen Auftritt: „Can you help me occupy my brain?", fragte Osbourne noch einmal. Davor hatte er das auf verschämte Art frömmelnde „God is dead?" gebracht. In diesem Song vom neuen Album „13" ist die Perspektive knapp an die Kante des Nirwana verrutscht: „When can I empty my head?", klagt Osbourne wie einer, der nicht weiß, wovor er sich mehr ängstigen soll, vor dem Leben oder dem Tod. „God bless you!", rief er am Ende, nicht zum ersten Mal. Es schien tief gefühlt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2014)

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