Donaufestival: Verloren im Rauschen

(c) Donaufestival (Florian Schulte)
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Das Donaufestival startete mit sehr guten Österreich-Premieren von Wild Beasts und James Blake: Die Musik des 22-jährigen Briten zieht ihre Faszination aus dem Zusammentreffen emotionaler Eindringlichkeit und physischer Intensität.

Der Mann der Stunde schlich schüchtern auf die Bühne: James Blake, dessen Debütalbum die Popsensation des laufenden Jahres ist, setzte sich hinter seine beiden Keyboards und warf einen Blick an die Decke der Kremser Minoritenkirche – als fragte er sich, ob er diesen erhabenen Raum vollends mit seiner Musik erfüllen könne. Blake konnte. Schon das erste Stück, „Unluck“, war von bestürzender Schönheit: Über zweifelnden Orgelakkorden und einem Rhythmus, der immer klaustrophobischer wurde, schwebte seine zunächst glockenhelle, dann maschinell verfremdete Stimme, bis sie in einem Meer aus sinnlichem Rauschen unterging.

„I'm falling, falling, falling“

Die Musik des 22-jährigen Briten zieht ihre Faszination aus dem Zusammentreffen emotionaler Eindringlichkeit und physischer Intensität. Und seiner Kunst, das Gefühl der Entfremdung, des Verlorenseins musikalisch zu verdichten. Etwa in „I Never Learnt To Share“, in dem ein Icherzähler klagt, dass seine Geschwister nicht mehr mit ihm sprechen. „But I don't blame them“, diese Zeile ließ Blake verdoppelt und verdreifacht irrlichtern, bis ein strenger Beat, den Drummer Ben Assiter seinem elektronischen Schlagzeug entlockte, die Stimme verstummen ließ. Oder beim überwältigenden „Wilhelms Scream“, das sich dank des mantrahaft wiederholten „I'm falling, falling, falling“ und eines plötzlichen, lauten Anschwellens tatsächlich anfühlte, als fiele jemand in ein existenzielles Loch.

Die vermeintlichen Gegensätze beseelter Melodien und störrischer Sounds gipfelten im vom Publikum mit Aufschreien begrüßten Feist-Cover „Limit To Your Love“: Mehr noch als auf Platte machte Effekt-Mann Rob McAndrews die Bässe körperlich spürbar, ganz sanft, aber mit Nachdruck. Und während Blakes Stimme engelsgleich schwelgte, driftete das Stück über Dub-Reggae-Einsprengseln in immer tiefere Bass-Explorationen. Er habe keine Ahnung, wie spät es ist, sagte Blake gegen Ende des Konzerts. Das passte: Dieser Auftritt ließ Orts- und Zeitgefühl aussetzen. Und machte klar: Dem Hype hält Blake stand. Ein echter Coup des Donaufestivals, Blake im Moment seiner größten Begehrtheit in diesem intimen Rahmen zu präsentieren.

Rock ohne Rockismus

Den filigranen Art-Pop der britischen Wild Beasts hätte man sich ebenfalls im Klangraum in der Minoritenkirche gewünscht. Aber auch in der Halle auf dem Messeglände entfaltete sich ihre Magie, die nicht zuletzt darin gründet, dass sie Rock ganz ohne rockistische Attitüde spielen. Ihre Gitarren klirren elegant, während der Rhythmus bisweilen im Geiste von Post-Punk nervös mäandert. Ihre Songs sind bald zärtlich, bald energisch, in den besten Momenten beides zugleich. Wie das dramatische „Hooting And Howling“ vom letzten Album „Two Dancers“. Der einnehmende Falsettgesang von Hayden Thorpe, der dafür sorgt, dass die Band wie derzeit kaum eine andere klingt, dominierte vor allem die ruhigeren, stellenweise barock anmutenden Songs des am 6. Mai erscheinenden Albums „Smother“. Dass diese beim ersten Österreich-Konzert genauso gut ankamen wie ältere Stücke, spricht für die Band.

Kein Unbekannter auf hiesigen Bühnen ist Owen Pallet, vormals Final Fantasy und Arrangeur von Arcade Fire bis Pet Shop Boys. Am Ende des ersten Abends klopfte er auf seine Violine, zupfte die Saiten, schlug sie mit dem Bogen. Und kreierte daraus Loops, die er zu verführerischen Pop-Kleinoden verdichtete. Nach einer interessanten Caribou-Coverversion („Odessa“) verstärkte ihn ein lokales Streicherquartett. Auch da zeigte sich seine Stärke: Er ist ein Virtuose, der seine Virtuosität nicht herausstellt.

Das Donaufestival läuft noch heute (u.a.. mit Gonja Sufi) und dann von 5.5. (u.a. mit Laurie Anderson) bis 7.5.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2011)

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