Kendrick Lamar: Comptons neuer König

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Kendrick Lamar stellt Gangsta-Rap auf den Kopf.

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Das beste Hip-Hop-Album des Jahres kommt ohne offensichtliche Hits aus. Es geizt mit eingängigen Hooks, es schrammt mit seinem dosierten Tempo nicht ansatzweise die Clubs. „Good Kid, M.A.A.D City“ von Kendrick Lamar schöpft seine Kraft und Faszination aus der Erzählkunst des 25-jährigen Rappers. Dieser erweist sich auf seinem Majorlabel-Debüt als meisterhafter Chronist, wovon bereits das autobiografische Albumcover kündet: Ein Polaroid zeigt ihn im Alter von fünf Jahren, auf dem Schoß eines Onkels, aufgenommen in seiner kalifornischen Heimat Compton. Lamar erzählt vom Aufwachsen, von Ängsten und Sehnsüchten, von Gewalt und Tod in der Stadt, in der nicht nur er groß wurde, sondern auch Gangsta-Rap. „Straight Outta Compton“ hieß dessen zentrales Album, mit dem N.W.A. 1988 den Grundstein für die folgende Dominanz von Westcoast-Hip-Hop legte – und Compton zum Synonym für Gangsta-Rap und Gewalt machte. Direkt aus Compton berichtet auch Lamar, wenn er etwa im Opener als 17-Jähriger in Mutters Auto sitzt. Oder wenn er in „m.A.A.d city“ von Schießereien erzählt – aus einer anderen Perspektive als seine Ahnen von N.W.A. oder Comptons Most Wanted: Er ist Beobachter, kein Akteur, berichtet von den Opfern, den „bodies on top of bodies“, statt Waffen und Gewalt zu idealisieren. So bleibt er in der Tradition von Gangsta-Rap, stellt ihn aber auf den Kopf. Sirenen und Schüsse dienen ihm nicht als akustische Verstärker, sondern als erzählerische Details seiner Berichte aus einer der gefährlichsten US-Städte.

Das Album beleuchtet den Weg aus den Turbulenzen seiner Jugend hin zur Karriere als Rapper, gespickt mit wahnwitzigen inneren Monologen und Mailbox-Nachrichten seiner Eltern. In einer solchen predigt sein Vater, „real“ sei nicht, wer jemanden töte, sondern wer Verantwortung für seine Familie übernehme: eine Botschaft, wie sie in der Gangsta-Hochblüte rar war. Die Hip-Hop-Geschichte hat Lamar verinnerlicht, in den auf den Punkt produzierten Songs hallen G-Funk und klassischer Westcoast-Sound genauso nach wie die aktuellen Introspektionen von Kanye West oder Drake. Den düsteren Grundton durchbricht die Schlussnummer „Compton“ mit Dr. Dre, Lamars Mentor, Hip-Hop-Mogul und großer Sohn der Stadt. Lamar proklamiert zu euphorisch gedehnten Bläser-Samples selbstbewusst: „This is king Kendrick Lamar.“ Mit ein, zwei Hits könnte er es werden, nicht nur in Compton.

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