Grace Jones: Das laszive New York

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Neu aufgelegt: die drei ersten Alben von Grace Jones.

Im Jahr 2008 drang sie nochmals in ihr angestammtes Soziotop vor: in die internationalen Hitparaden. Grace Jones, maximal pigmentierte Femme fatale, nahm damals ihr famoses Comeback „Hurricane“ auf. Nun hat sich die restlverarbeitende Industrie endlich ihrer sträflich unterschätzten frühen Disco-Jahre angenommen. Sogar indirekt sorgte diese aus einer streng religiösen Familie (ihr Vater gründete 1956 die Apostolic Church of Jesus Christ in Syracuse, New York) stammende Exhibitionistin für Hits: Zu ihrer Silvesterparty 1977 im Studio 54 wurden Nile Rodgers und Bernard Edwards nicht eingelassen. Aus Rache komponierten sie einen Song namens „Fuck Off“. Sie besannen sich dann doch auf den Titel „Le Freak“. Dieser Chic-Song zählt zu den Zeugnissen dieser heute
sehnsüchtig beäugten Periode eines ungezügelten Hedonismus. Jones selbst sorgte natürlich auch als Interpretin für Furore. Im nun edierten, hübsch lackierten Schachterl „Disco“ findet man „Portfolio“, „Fame“ und „Muse“, ihre drei ersten, zwischen 1977 und 1979 aufgenommenen Alben. Sie fesselte damals mit bizarren Kostümen, androgyner Anmutung und als laszive Interpretin von oft französelnden Discoschleichern wie „Les feuilles mortes“ und „Comme un oiseau qui s’envole“. 1978 erklomm sie in der Wiener Stadthalle zum Schrecken der Zuseher raubkatzenartig die immens hohen Bühnenbeleuchtungsaufbauten. Jones hatte sich in den Siebzigerjahren als exzentrisches Mannequin (so nannte man die Models) einen hohe Reputation aufgebaut. Sie lebte in Paris, teilte sich eine Zeitlang mit Jerry Hall ein Zimmer im Hotel Crystal. Ihr Stilwille schlug rasch auf ihre Musik über. Erste Singles nahm sie ab 1975 auf. Der Disco-Pionier Tom Moulton, der als Erfinder des Remix gilt, hat sie entdeckt und mit ihr diese drei höchst charmanten Alben auf genommen.

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„Sinning“. Das Debütalbum „Portfolio“ verwöhnt u. a. mit der Adaption von Edith Piafs Hit „La vie en rose“ und dem erotisch aufgeladenen „I Need a Man“, einem Schlüsselsong der Camp-Bewegung, jener schwulen Subkultur, die ungeniert ihren Hang zur Überstilisierung zelebriert. Auf „Fame“ bestechen „Am I Ever Gonna Fall in Love With New York City“ und das kantige „Do or Die“, wo sie ihre kompromisslose Attitüde das urbane Leben betreffend klar macht.
„Sinning“ heißt der elegante Opener von „Muse“, dem
letzten Teil dieser sinnlichen Trilogie. „Disco“ versammelt natürlich auch jede Menge interessanter Instrumentals und 12“-Versionen: ein Muss für jeden rechtschaffenen Disco-Aficionado! (Island)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2015)

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