Dexys: Irische Seele

(c) Warner
  • Drucken

Expressiv: Kevin Rowland singt wieder fremde Hits nach.

Für sein erstes Coverversionenalbum "My Beauty" inszenierte sich Kevin Rowland, berühmt als ruheloser Sänger der Dexys Midnight Runners, 1999 transgendermäßig in Kleid, Perlenkette und Nylonstrümpfen. Das hat nicht nur dem Verkauf des vorzüglichen Albums geschadet, sondern praktisch seine ganze Karriere zerstört. Erst 2012 schaffte er mit "One Day I m Going to Soar" ein glanzvolles Comeback. Jetzt erschien unter dem leicht sperrigen Titel "Let The Record Show: Dexys Do Irish and Country Soul" neuerlich eine Liedersammlung mit Fremdmaterial, Berühmtes und Obskures bunt durcheinandergewürfelt. Rowland eignete sich jedes Lied ganz nach Art des Method-Acting an. Der irische Wanderarbeiter-Klassiker "Carrickfergus" glückte besonders intensiv. Famos, wie er die erschütternden Schlusszeilen "I m sick now, my days are numbered, come on you young man, and lay me down" singt und zwischendurch rau hustet. Sein in der Vergangenheit oft selbstzerstörerischer Perfektionismus scheuchte ihn hier in die richtige Ecke. Für die Aufnahmen schlüpfte er in einen Dreißigerjahreanzug, trug dazu eine Schiebermütze und einen Mantel. Und identifizierte sich heftig mit seinen Figuren. "Beim dritten Take spürte ich, wie ich schwächer wurde", erzählt er: "Ich zitterte, zog meinen Kragen hoch, hustete mich durch. Ich war total drin in diesem Lied. Auf einmal war ich einer dieser tuberkulosen Burschen, die sich totarbeiteten. Es fühlte sich total authentisch an."

Irische Frauen. Berührend ist auch die Wiedervereinigung mit seiner einstigen Freundin und Dexys-Mitstreiterin Helen O Hara, die auf dem elegischen "Women of Ireland" behutsam die Geige kratzt. Seine derzeitige Violinistin Lucy Morgan weicht bei diesem Stück diskret auf die Viola aus. Es folgen expressive, aber nie pathetische Lesarten von Regionalradiohits wie "You Wear It Well" (Rod Stewart), "Both Sides Now" (Joni Mitchell) und "Smoke Gets in Your Eyes", das sämtliche Schlawiner von Vic Damone bis Bryan Ferry eingesungen haben. Besonders stark: die bedrohlich vor sich hin simmernde Interpretation der Bee-Gees-Ballade "To Love Somebody". Mit einem tiefen Seufzer leitet Rowland sie ein, mit einem kernigen "Timmy, tell the people" fordert er seinen Gitarristen zum Gänsehautsolo auf. Ähnlich wirksam ist "Curragh Of Kildare", ein anglo-irisches Lied aus dem 18. Jahrhundert. So dockt Rowland mit 62 an die Intensität seiner Jugend an. Und ja: Die Fingernägel hat er immer noch lackiert. Schaden wird s ihm nicht mehr. (Warner)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.