Goldener Herbst

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"Keep Me Singing": Van Morrisons veredelte Melancholie.

Nach vier Jahren der Stille hat der große Van Morrison wieder ein Album gemacht. Der Mann bewegt sich mit seiner Kunst im Kreis. Man kann es philosophisch nennen, wenn man Fan ist, oder auch beschränkt. Überraschte er auf dem Vorgänger "Born to Sing: No Plan B" noch mit sozialkritischen Themen in Liedern wie "End of the Rainbow" sowie Ausbruchsversuchen aus seiner Weltformel aus Celtic Soul, Folk und Blues, namentlich "Going Down to Monte Carlo", so bewegt sich das aktuelle Opus "Keep Me Singing" ganz auf vertrautem Terrain. Morrison, der 71-Jährige, dem die Mutter erst vor wenigen Wochen starb, meditiert über das, was ihn aus dem Arbeitermilieu gerettet hat. Also über die Kraft und Schönheit der Musik, das unerbittliche Verfließen der Zeit sowie die trügerische Erinnerung. Letztere retrospektiv zu verformen und dann mit selbstbezogenen Tagträumen zu verbinden, das praktizierte er immer schon. Die Szenarien spielen sich meist zwischen "the dusk and the dawn", in dunkler Nacht, ab. Das ist die ideale Zeit für haltlose Innenschau. Er praktiziert sie diesmal unter Einbeziehung von viel mehr Celtic Soul als zuletzt. Der Blues taucht meist nur als Grundstimmung auf, aber nicht als strukturierendes Element. An der herbstlichen Stimmung Van Morrisons wird nicht gerüttelt. Diesmal geht es um den goldenen Herbst, weniger um die kahle Novemberzeit. So dominiert der milde Sound eines Mannes, der es sich seit Langem in seiner Melancholie gemütlich gemacht hat.

Zwischen Sinnlichkeit und Sublimation. Still simmernde Hammondorgel, gestopfte Trompeten, seufzende Damen und sanft einlullende Geigen dienen als Gegengewicht zu Morrisons in den vergangenen Jahren noch charismatischer gewordenen Stimme. "Holy Guardian Angel" preist beredt die Engel als Mittler zwischen Erde und Himmel, zwischen Sinnlichkeit und Sublimation. Für diesen Song kehrt sein alter kalifornischer Gitarrist John Platania wieder. Auch die Englischhorn-Virtuosin Kate St. John ist mit von der Partie. Fiachra Trench, der einst Linda McCartney das Klavierspielen beigebracht hat, hilft am Piano aus. Dem jüngst aus der Band verbannten Drummer Bobby Ruggiero kann man hier noch einmal beim dezenten Swingen nachlauschen. Die neue Liedersammlung wird mit jedem Mal Hören schöner. Drei Lieder fallen besonders auf. "Out in the Cold Again" und "In Tiburon", beides wehe Exkursionen in Morrisons Vergangenheit, und das spirituelle "Everytime I See a River", für das Don Black getextet hat. Mild tönt er, der Meister.

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