„Liebling darf im Beruf keine Kategorie sein!“

INTERVIEW:  FESTSPIELPR�SIDENTIN RABL-STADLER
INTERVIEW: FESTSPIELPR�SIDENTIN RABL-STADLER(c) APA (BARBARA GINDL)
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Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler erzählt, worauf sie sich bei den Festspielen heuer besonders freut und wie es ist, verschiedenen Herren Intendanten zu dienen.

Bald 20 Jahre ist Helga Rabl-Stadler Salzburger Festspielpräsidentin. Ihr erster Intendant war der jüngst verstorbene Gerard Mortier, ihr letzter wird voraussichtlich
Markus Hinterhäuser sein. Die studierte Juristin, ehemalige Journalistin und Politikerin, die nun auch Geschäftsführerin des Prestigefestivals ist, findet die Burgtheater-Krise „schmerzlich“ und mahnt von Kulturmanagern Seriosität ein. Sie schwärmt von Richard Strauss, dessen 150.  Geburtstag heuer gefeiert wird, und von der „kühnen Idee“ der Festspielgründer, in Salzburg mitten
im Ersten Weltkrieg eine „Weltkulturzentrale“ zu errichten, die „Friedenswerk und Identitätsstifter zugleich“ werden sollte.

Worauf freuen Sie sich heuer besonders?

Helga Rabl-Stadler: Ich freue mich auf unsere besonders gut gelungene Programmmischung. Wir eröffnen mit „Don Giovanni“. Es folgt endlich wieder eine Uraufführung, „Charlotte Salomon“ von Marc-André Dalbavie. Uraufführungen sind ein Gründungsauftrag, eine Kernaufgabe der Salzburger Festspiele. Ich hoffe, besser gesagt ich bestehe darauf, dass wir uns das auch in Zukunft finanziell leisten. Die meist überbuchte Vorstellung ist natürlich Verdis „Il trovatore“ mit Anna Netrebko und Placido Domingo. Besonders freut mich, dass „Fierrabras“ so gut verkauft ist. Denn Franz Schubert ist als Opernkomponist unterbewertet. Die Vielzahl der Konzerte darzustellen ist hier bei bestem Willen nicht möglich. Aber als Bruckner-Fan werde ich sicherlich genießen, dass die besten Dirigenten der Welt mit den wunderbarsten Orchestern einen meiner Lieblingskomponisten interpretieren werden. Das Schauspiel 2014 spiegelt besonders gut das Jahresthema „100 Jahre Erster Weltkrieg“ wider. Von „Die letzten Tage der Menschheit“ bis zu „Don Juan kommt aus dem Krieg“.

Sie dienen als Präsidentin, Geschäftsführerin mehreren Intendanten. Wer ist Ihr Liebling?

Liebling darf keine Kategorie im Berufsleben sein. Aber wenn man privat gut harmoniert wie ich mit Sven-Eric Bechtolf und mit Markus Hinterhäuser, erleichtert das auch das Berufsleben.  Derzeit bin ich Diener dreier Herren. Bis 30. 9. ist Alexander Pereira Intendant. Gleichzeitig bereiten Sven-Eric Bechtolf und ich unser erstes gemeinsames Programm und Budget für 2015 vor. Ferner müssen Weichen für die Intendanz Hinterhäuser ab 2017 gestellt werden.

Die letzten Jahre waren von Turbulenzen bei den Festspielen geprägt. Geht Ihnen das Schlichten manchmal auf die Nerven?

Meine Kinder sind erwachsen. Ich bin Single. Ich war immer, auch als ich verheiratet war, ein sehr berufsorientierter Mensch. Das kann man gut finden oder nicht. Für mich stimmt’s. Daher ist es für mich auch kein Opfer, sondern eine Freude, im Gegensatz zu anderen Menschen, insbesondere Frauen meines Alters, noch gestalten zu dürfen und zu können. Ich habe Zeit, Lust und Energie dafür.

Wie haben Sie die Burgtheater-Krise erlebt? Diese hat sehr direkt die heurigen Festspiele betroffen, weil für das Großprojekt „Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus kurzfristig ein neuer Regisseur gesucht werden musste: Statt Matthias Hartmann inszeniert nun Georg Schmiedleitner.

Die Burgtheater-Krise ist schmerzlich. Wenn es bei einer Kulturinstitution Malversationen gibt, trifft das immer die ganze Branche. Da werden gewisse Vorurteile bedient, die Kunst könnte eben nicht mit Geld umgehen usw. Ich habe großen Respekt vor der beherzten Art, mit der Kunstminister Josef Ostermayer das Problem angegangen ist.

Wie weit ist ein Intendant für die Geschäftsgebarung verantwortlich? Das ist ja eine Frage, die nicht nur das Burgtheater betrifft.

Intendant zu sein heißt einen Kulturbetrieb zu führen, im Künstlerischen wie im Kaufmännischen. Ich weiß, so denkt Dominique Meyer für die Staatsoper, Robert Meyer für die Volksoper, und so denken wir bei den Festspielen als Direktorium. In Österreich herrscht der weitverbreitete Irrtum, dass jeder Intendant werden kann, wenn er ein guter Sänger, Schauspieler, Regisseur ist. Das hat zu manch falscher Personalentscheidung geführt. Ein Intendant muss für das Haus da sein. Er darf nicht wochenlang für Künstler und Personal unerreichbar sein, weil er sich in seiner Inszenierungt eingekapselt hat.

Was ist für Sie das Tolle an Richard Strauss?

Für mich sind seine Werke Musik, die ich immer und immer wieder hören möchte und muss.
Die Wiener Philharmoniker haben mir zum 50.  Geburtstag als Überraschung das Sextett aus „Capriccio“ gespielt. Beim „Rosenkavalier“ identifiziere ich mich natürlich mit der Marschallin, was man mir hoffentlich nicht als Anmaßung übel nimmt. Aber „die Zeit, die ist ein sonderbar Ding“. Ich war zu Tränen gerührt, als ich vergangenes Jahr in der Strauss-Villa in Garmisch-Partenkirchen war, vor seinem Schreibtisch stand und auf der ledernen Schreibunterlage noch die Konturen seiner linken Hand erkennbar waren. Dort hat er viel geschrieben und auch Noten für die Enkelsöhne transkribiert. Das ist für mich nach wie vor ein magischer Raum, in dem eine Goethe-Gesamtausgabe steht, „Ilias“ und „Odyssee“ auf Griechisch. Die Festspiele verdanken Richard Strauss sehr vieles. Er war einer der Gründerväter. Ich könnte salopp formulieren, er war der erste Fundraiser. Er hat bei seinen Konzerten in den USA Geld für die ständig vom Bankrott bedrohten Festspiele gesammelt. Und er dirigierte am 14.  August 1922 mit „Don Juan“ die erste Festspieloper. Man vergisst immer, die Festspiele haben 1920 nur mit dem „Jedermann“ begonnen. Erst 1922 kamen die ersten Opern ins Programm, als Gastspiel der Wiener Staatsoper, die Strauss damals in Doppeldirektion mit Franz Schalk leitete.

Es gab einige Intrigen. Hofmannsthal soll Strauss gebeten haben, Stefan Zweig nicht bei den Festspielen mitwirken zu lassen.

Zweig hielt für Hofmannsthal die Totenrede im Burgtheater. Er wusste nicht, dass Hofmannsthal darauf bestanden hatte, ihn von den Festspielen fernzuhalten. Das hat Zweig erst später erfahren. Sicher ist: Ohne Kräfte von außen wären die Festspiele nicht entstanden. Berliner und Wiener haben sich in unsere schöne Landschaft und in die Architektur verliebt. Bei seiner Uraufführung in Berlin war der „Jedermann“ mittelerfolgreich. Vor der Fassade des Doms wurde er ein Welterfolg. Den neuen „Jedermann“, der zurück zu den Wurzeln des mittelalterlichen Mysterienspiels geht, finde ich genial. Siebenmal bin ich beim Umzug mitgegangen.

Was macht heute die Magie Salzburgs aus?

Die Festspiele wurden nicht wie viele andere Festivals gegründet, um ein Fremdenverkehrsloch zu füllen. Mitten im Ersten Weltkrieg hatten ihre Gründerväter die kühne Idee, eine Weltkulturzentrale in Salzburg zu errichten. Sie sollte Friedenswerk und Identitäts-
stifter zugleich sein. Frieden den durch den Krieg gegeneinander gehetzten Völkern bringen und Ersatz für die durch den Zusammenbruch des Habsburgerreichs verloren gegangene territoriale Größe sein. Wenige in Salzburg dachten damals an Festspiele.
Es herrschten Hunger und Not. Die Stadt hatte nicht einmal 40.000  Einwohner, aber unmittelbar vor ihren Toren in Anif/Rif war ein Lager mit 40.000   Kriegsgefangenen. Dass aus dem Holz dieser Lagerbaracken nach dem Krieg die erste „Jedermann“-Bühne gebaut wurde, passt schön zum Friedenswerk. 1920 hatten alle Angst, dass ihnen die Festspielbesucher das Brot weg-
essen. Aber der damalige Salzburger Landeshauptmann, Franz Rehrl, sagte: „Nein, die Besucher essen euch das Brot nicht weg, sondern der Fremdenverkehr wird euch einmal Brot geben.“ Rehrl hat an die künstlerische und ökonomische Bedeutung der Festspiele geglaubt. Alles Ideen, die zu groß für diese Zeit waren. So wollte Max Reinhardt zum Beispiel ein Festspielhaus mit 4000 Plätzen bauen. Als Herbert von Karajan fast 40 Jahre später das Große Festspielhaus für 2300 Gäste bauen ließ, fanden das viele größenwahnsinnig.

Die Festspiele sind heute ein Großbetrieb. Die Medien sind oft sehr kritisch. Aber wenn man sommers durch die Stadt wandelt, hat man doch das Gefühl: Die Leute fühlen sich wohl und mögen das Ambiente.

1967, als wieder einmal alle Journalisten über das schlechte Programm geschimpft haben, hat der damalige Festspielpräsident, Bernhard Paumgartner,
auf die immerwährende Anziehungskraft der Festspiele anspielend, selbstbewusst geantwortet: „Salzburg ist der Star!“ Das stimmt. Wenn man vom Festspielbezirk zum Domplatz geht, das ist einzigartig, eine Via Triumphalis. Es gibt kein zweites Festival auf der Welt, bei dem es so etwas wie den „Jedermann“ gibt.  Es gibt keine zweite Spielstätte wie die Felsenreitschule.

Alexander Pereira sagte, das Festival werde mehr Geld brauchen, unabhängig davon, ob er Intendant bleibe oder ob er gehe, weil die Subventionen in den vergangenen Jahren zu wenig erhöht wurden.

Schon der Begriff Subvention ist falsch. Es handelt sich hier definitiv um eine Investition. Die Salzburger Festspiele haben vergangenes Jahr mit 16,2 Mio. Euro um rund 5,3 Mio. Euro mehr an Steuern und Sozialleistungen abgeführt, als wir an Zuwendungen von Bund, Land und Stadt bekommen. Von der Umwegrentabilität gar nicht zu reden. Wenn wir weiter den Anspruch stellen, in drei Sparten – Oper, Schauspiel und Konzert – Qualitätsmaßstäbe zu setzen, dann muss uns die öffentliche Hand finanziell entschlossen begleiten.

("Die Presse" Kulturmagazin 7.6.2014)

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