Lang Lang fremdelte bei Mozart, Gatti glänzte mit Bruckner

SALZBURGER FESTSPIELE: INTERVIEW MIT PIANIST LANG LANG
SALZBURGER FESTSPIELE: INTERVIEW MIT PIANIST LANG LANG(c) APA/FRANZ NEUMAYR (FRANZ NEUMAYR)
  • Drucken

Der chinesische Pianist will bei Mozart zu viel: Er nahm dem c-Moll-Konzert durch starkes Rubato den Fluss. Daniele Gatti und den Wiener Philharmonikern gelang danach aber eine Deutung von Bruckners Dritter, die trotz aller Kontraste wie aus einem Guss wirkte.

Beginnen wir ausnahmsweise mit der Zugabe. Die hatte am Donnerstag im Großen Festspielhaus zu Salzburg – selten genug – nämlich einen Sinn. Wenn auch nur den, zugespitzt und konzentriert die Unstimmigkeiten von Lang Langs Mozart-Interpretation aufgezeigt zu haben, die schon, durch die Wiener Philharmoniker und Dirigent Daniele Gatti eingehegt, das vorangegangene c-Moll-Konzert beeinträchtigt hätten (es hätte in Mozarts reichem Œuvre viele Konzerte gegeben, die zur enthemmten Spielfreude des Pianisten besser gepasst hätten).

Lang Lang gab also das Finale von Mozarts früher G-Dur-Sonate, zumindest den Noten nach. Doch das Stück zerfiel dem Pianisten förmlich unter den flinken Fingern, was schon daran lag, dass er den Puls nicht im Ansatz hielt, wobei es hier keinesfalls um ein Nichtkönnen, sondern um ein Nichtwollen ging. Eine Willkür, die diesem Presto regelrecht Gewalt antat, ebenso die ohne erkennbare Sinnstiftung gesetzten Gestaltungsmittel im Bereich von Dynamik und Artikulation. Lang Lang will zu viel, er flambiert in einem Gestaltungs-Feuerwerk förmlich jede musikalische Sinneinheit, und zurück bleibt nicht viel mehr als heiße Luft. Dabei wäre – Erfolgsrezept großer Mozart-Pianisten wie Alfred Brendel oder Andras Schiff – gerade bei Mozart Schlichtheit Trumpf. Diese Musik leuchtet von innen heraus, man muss ihr nur die Möglichkeit dazu geben.

Wie sich das anhört, war zuvor im c-Moll-Konzert bei den philharmonischen Holzbläsern, namentlich der Oboe, deutlich geworden. Unprätentiös, unmanieriert, völlig im Dienst der musikalischen Phrase, so schlicht wie schön. Das Zusammenspiel mit dem – im ersten Satz merkwürdig breit artikulierenden – Orchester nötigte dem Pianisten zwar Zurückhaltung auf, in abgeschwächter Form sind hier aber dieselben Einwände vorzubringen. Wo irgend möglich, setzte Lang Lang starkes Rubato ein, das immer wieder den musikalischen Fluss hemmte. Extrem etwa bei der Wiederkehr des Themas im zweiten Satz. Um nicht falsch verstanden zu werden: Es ist fantastisch, über welche Gestaltungsmittel Lang Lang verfügt. Nur bei Mozart wirkten sie nicht am rechten Ort.

Farbenpracht und Spannung

Und es ist fantastisch, über welche Gestaltungsmittel die Philharmoniker verfügen, und bei Bruckner waren sie genau am rechten Ort. Gatti gelang mit dem famos aufspielenden Orchester – von einigen wackligen Einsätzen der Bläser im zweiten Satz abgesehen – bei dessen dritter Symphonie mit all ihren Kontrasten eine Deutung wie aus einem Guss, mit klug disponierten Steigerungen. Die Balance der Instrumentengruppen geriet geradezu perfekt, das Blech knallte nicht – eine der größten Klippen jeder Bruckner-Interpretation – als Fremdkörper heraus, sondern war aufs Stimmigste – und Farbenprächtigste! – in den Gesamtzusammenhang eingebunden. Auch an Stellen, an denen sich Gatti Zeit ließ, verlor er nie den Fluss aus den Augen, ebenso wie bei den – nächste Klippe – zahlreichen Generalpausen. Im Moment größter Spannung ließ er die Musik wieder anlaufen, etwa beim Flöteneinsatz in der Reprise des Kopfsatzes.

Die Streicher waren beim satten Anschwellen, zu dem ihnen Bruckner reichlich Gelegenheit gibt, so recht in ihrem Element, und doch wirkte das alles nie patzig oder gar behäbig. Gatti animierte das Orchester zu jenem Maß an Leichtigkeit, das dieses Werk mühelos über seine – auch in der im Vergleich zur Urfassung stark gekürzten 3. Fassung noch beachtliche – Distanz trägt. Ja, die Sache mit den Fassungen: Dass Bruckner die grandiose fünfteilige Anlage des zweiten Satzes auf Bonsai-Größe (vergleichsweise) stutzte, könnte man bedauern. Man könnte über die Vorzüge dieser oder jener Fassung streiten. Man kann aber auch einfach die genießen, die gerade gegeben wird – wenn dies so überzeugend geschieht wie am Donnerstag im Festspielhaus. Ein mehr als würdiger Abschluss des heurigen Bruckner-Zyklus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.