Liederabende: Belcantospitzen und Großstadtlichter

(c) Juan Diego Flórez 2014/Ernesto Palacio
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Hochkarätig besetzte Liederabende für jeden Geschmack in Salzburg: Puristen kommen genauso auf ihre Kosten wie Freunde thematischer Programme.

Juan Diego Flórez ist vielleicht das größte Stimmphänomen, das in der jüngeren Vergangenheit auf den internationalen Opernbühnen zu entdecken war“, war in der „Presse“ nach einem Wiener Recital des Peruaners 2008 zu lesen. So mancher Opernfreund wird sich auch daran erinnern, wie überrascht man in seinem Sessel saß, als der Tenor zehn Jahre davor erstmals im Wiener Konzerthaus seine Stimme erhob. Das war in einer konzertanten Aufführung von Rossinis „Semiramide“ mit Edita Gruberova, die sich den blutjungen Sänger an ihre Seite geholt hatte. Schnell wusste man damals, dass hier ein Großer heranreift.

Sensationeller Start. Erst zwei Jahre zuvor war der 1973 in Lima geborene Sänger aus dem Nichts ins europäische Opernrampenlicht getreten. Bei den Rossini-Festspielen in Pesaro hatte man ihn für eine kleine Rolle engagiert, als der Sänger des Corradino in „Matilde di Shabran“ plötzlich ausfiel. Juan Diego Flórez ergriff seine Chance. Über Nacht lernte er die mörderische Hauptpartie und rettete fulminant die Premiere. Einen sensationelleren Blitzstart in die Opernwelt hätte man sich kaum vorstellen können. Von da an ging es Schlag auf Schlag. Bereits 2002 absolvierte Flórez sein Debüt bei den Salzburger Festspielen als Uberto in Rossinis „La donna del lago“. Seither kam der Tenor, der dank seiner immensen Stimmbeweglichkeit und seiner weit über das hohe C strahlenden Höhe, gepaart mit großer Stimmschönheit, in der ganzen Welt heiß begehrt ist, immer wieder nach Salzburg zurück. Im vergangenen Jahr bewies er als Fernand in Donizettis „La Favorite“, dass er sich längst auch in dramatischeren Operngefilden wohl fühlt. Salzburgs Festspielpublikum kann sich auch 2015 auf Flórez und ein Programm mit Werken von Fauré, Duparc, Liszt und De Falla bis zu Rossini und Verdi freuen.

Während Floréz Lieder und Arien zum feinen Bouquet bindet, steht gleich zum Auftakt des hochkarätig besetzten Salzburger Liederreigens eine Paarung auf der Bühne im Haus für Mozart, die es heute wie kaum eine andere versteht, dem Kunstlied in seine Tiefen nachzuspüren: Bariton Christian Gerhaher und Pianist Gerold Huber. Gerhaher, der auch studierter Arzt ist, ist im aktuellen Klassikgetriebe eine Ausnahmeerscheinung auf allen Linien. Ausgebildet wurde der in Straubing geborene Sänger an der Münchner Hochschule für Musik, dort hat er auch bereits mit Gerold Huber Liedgesang bei Friedemann Berger studiert, später in Meisterkursen bei Elisabeth Schwarzkopf und seinem Vorbild Dietrich Fischer-Dieskau zusätzliche Erfahrungen gesammelt.

In der Oper gelten seine raren Auftritte, etwa in seiner Paraderolle als Wolfram in Wagners „Tannhäuser“, als Ereignisse. In Salzburg stand er bisher nur einmal, 2006, als Papageno unter Riccardo Muti auf der Bühne, allerdings ist er in den vergangenen Jahren mit umjubelten Liederabenden zum Stammgast geworden. 2015 konzentrieren sich Gerhaher und Huber ganz auf Gustav Mahler und interpretieren die „Lieder eines fahrenden Gesellen“, die „Kindertotenlieder“ und eine Auswahl aus „Des Knaben Wunderhorn“.

Baritonkollege Matthias Goerne war ebenfalls bereits der Papageno in Salzburg, 1997 und 1999, in Achim Freyers zirzensischer Inszenierung. Aber auch auf dem Liedpodium hat er, der neben Gerhaher derzeit zu den ganz Großen des Genres zählt, seine Meisterschaft mehrfach bei den Festspielen bewiesen. Viel Liebesschmerz schüttet er mit Schumann im kommenden Sommer aus: „Frauenliebe und -leben“, die „Dichterliebe“ und die „Kerner“-Lieder stehen auf seinem Programm, bei dem er von Christoph Eschenbach begleitet wird.

Neben diesen arrivierten Liedspezialisten sind auch jüngere Kolleginnen im Programm zu finden. So etwa die italienische Sopranistin Maria Agresta, die derzeit besonders im italienischen Fach mit Bellini, Verdi und Puccini auf wichtigen Opernbühnen reüssiert. Ihr Salzburger Debüt hat sie im vergangenen Jahr als Sopransolistin in Rossinis „Stabat mater“ unter Antonio Pappano absolviert. Heuer präsentiert sie sich in einem abwechslungsreich zusammengestellten Programm mit Werken von Mozart, Bellini, Wagner, Puccini bis Arditi und Tosti. Aus dem Allgäu stammt Christiane Karg, die man in Salzburg seit dem Mozart-Jahr 2006 kennt. Sie hat am Mozarteum studiert und zählt zu den derzeit führenden jungen lyrischen Sopranen. Unter Riccardo Muti war sie etwa in Salzburg der Amor in Glucks „Orfeo ed Euridice“. Für die Wiener Festwochen wechselte sie dann in dieser Oper zur Partie der Euridice und lieh in der außergewöhnlichen Produktion von Romeo Castellucci einer Wachkomapatientin ihre Stimme. Für ihren Salzburger Liederabend, den sie gemeinsam mit Malcolm Martineau bestreitet, versammelt sie unter dem Titel „Nostalgia – Sehnsucht – Fernweh“ Kleinodien von Wolf, De Falla, Duparc, Ravel und Hahn.

Malcolm Martineau sitzt dann ein weiteres Mal am Flügel, wenn Elīna Garanča mit Kompositionen von Brahms, Duparc und Rachmaninow einen ihrer raren Liederabende gibt. Es ist ein Programm, in dem Garanča ihre breite künstlerische Palette zeigen kann, die sie heuer in Salzburg außerdem noch mit der Charlotte in Massenets „Werther“ an der Seite von Piotr Beczala demonstriert (siehe auch Seite 25).

Originell zusammengestellt. Mit Angela Denoke kehrt schließlich eine Sängerin nach Salzburg zurück, die sich mit ihren Auftritten längst in die Festspiel-Geschichte eingeschrieben hat. Unvergessen ist etwa ihre Katerina in Janáčeks „Kátja Kabanowá“ in der Inszenierung von Christoph Marthaler, ebenso ihre Marietta in Korngolds „Tote Stadt“ oder die Emilia Marty in Janáčeks „Věc Makropulos“, mit der sie 2011 zuletzt in Salzburg präsent war. Neben ihren Auftritten als Montezuma in Rihms „Die Eroberung von Mexico“ (siehe auch Seiten 14 bis 16) gehört ihr mit einer originellen Zusammenstellung das Finale der Liederabendreihe. Kompositionen von Kurt Weill, Walter Kollo, Werner R. Heymann, Hanns Eisler, Friedrich Hollaender und anderen werden mit Texten von Bert Brecht zum Programm „Städtebewohner – Kurt Weill und seine Zeit“ verdichtet. Das verspricht eine aufregende Erkundung zu werden.

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