Macheath, der hat ein Messer – und zwingende Melodien

SALZBURGER FESTSPIELE: MAX RAABE
SALZBURGER FESTSPIELE: MAX RAABE(c) APA/NEUMAYR/MMV
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In einer konzertanten Aufführung der „Dreigroschenoper“ singt der sonst auf Zwanzigerjahre-Schlager spezialisierte Max Raabe den Macheath. Die Kompositionen von Kurt Weill, mit oder ohne Texte von Bert Brecht, haben stets Jazz- und Popmusiker fasziniert und inspiriert.

„Und wenn Kurt Weill nach Timbuktu gegangen wäre, dann hätte er timbuktuanische Musik komponiert, wäre aber im Kern immer Weill geblieben. Ich finde es nicht fair, seine späten Kompositionen herabzusetzen, nur weil sie dann Musical und nicht Singspiel oder Oper genannt wurden.“ So äußerte sich Max Raabe zur „Presse“ über den Umgang der europäischen Kritik mit dem 1935 aus Deutschland vertriebenen Weill.

Raabe singt in Salzburg in einem frühen – und dem wohl bekanntesten – Stück Kurt Weills: Er ist der Macheath in der „Dreigroschenoper“ von Brecht/Weill, die am 15.August in der Felsenreitschule konzertant aufgeführt wird – als Ergänzung zur „Salzburger Dreigroschenoper“, die unter dem Haupttitel „Mackie Messer“ ab 11.August läuft – mit Michael Rotschopf als Gangsterkönig.

Raabe hat immer betont, dass Unterhaltungsmusik „gar nicht politisch sein kann“. Das hat ihn nicht davon abgehalten, die durchaus nicht unpolitische „Dreigroschenoper“ selbst zu interpretieren. 1999 spielte er sie mit dem Ensemble Modern unter der Leitung von HK Gruber ein, der auch am 15.8. in Salzburg dirigiert (und den Bettlerkönig Jonathan Jeremiah Peachum verkörpert). Schon damals gab Raabe den Macheath, und Nina Hagen krähte die Celia Peachum. Das strahlte wunderbares Jahrmarktspathos ab, war voller Ironie und doch beseelt.

Nur zwei Jahre später folgte die nächste Zusammenarbeit mit HK Gruber, diesmal mit Raabes Palastorchester im Boot: „Charming Weill“ zelebrierte die vom Komponisten autorisierten, aber niemals aufgenommenen „Dance Band Arrangements“ von 19 Kompositionen, darunter auch einigen aus der „Dreigroschenoper“. War der Unterschied zwischen Ensemble Modern und Palastorchester nicht sehr groß? „Nein“, sagt Raabe: „Es gibt wahnsinnig viele Parallelen. Die Musiker des Palastorchesters haben ja – wie ich – Klassik studiert und sich erst dann der Unterhaltungsmusik zugewandt. Die Komponisten der Zwanziger- und Dreißigerjahre waren auch alle klassisch geschult. Sie haben mit hohem Wissen eine sehr kleine Form geschaffen, die durch ihre hohe künstlerische Potenz eine enorme Sprengkraft hat.“

So auch der 1900 in Dessau geborene Kurt Weill. Lang vor seinem Exil in den USA integrierte er Elemente von Ragtime, Jazz und Folklore in seinen „Songstil“. So wurde er zum vielseits interpretierten modernen Klassiker. Louis Armstrong war 1956 der erste Jazzer, der „Die Moritat von Mackie Messer“ als „Mack The Knife“ aufnahm, Lotte Lenya, die Witwe des 1950 verstorbenen Komponisten, war sogar während der Aufnahme im Studio. 1958 nahm Bobby Darin eine leichtere Popversion davon auf, so unterschiedliche Vokalisten wie Ella Fitzgerald, Nick Cave, Marianne Faithfull und Robbie Williams sollten folgen. Ein Song aus einer anderen Brecht-Weill-Kooperation, der 1930 in Leipzig uraufgeführten Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“, zementierte Weills Ruhm in der Popgeneration: Die kalifornische Rockband The Doors interpretierte 1967 den „Alabama Song“, elf Jahre später sang ihn Brecht-Fan David Bowie.

Eine ganze Schar berühmter Pop- und Jazzmusiker versammelte sich 1985 bei „Lost in the Stars“, einer Hommage an Kurt Weill, darunter Lou Reed, Sting, John Zorn, Marianne Faithfull und auch Tom Waits, mit einer rauen Lesart von „What Keeps Mankind Alive“ aus der „Dreigroschenoper“. Die böse Botschaft ist leider zeitlos aktuell: „Mankind can keep alive thanks to its brilliance in keeping humanity repressed.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2015)

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