Salzburger Festspiele: Nach der Macht kommt die Passion

Start für den „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen: Tobias Moretti und Mavie Hörbiger (Werke) auf dem Domplatz bei den Proben zu Hugo von Hofmannsthals Drama.
Start für den „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen: Tobias Moretti und Mavie Hörbiger (Werke) auf dem Domplatz bei den Proben zu Hugo von Hofmannsthals Drama.(c) Manfred Siebinger
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In Salzburg herrscht 2018 die Leidenschaft. Die Publikumsresonanz ist im zweiten Jahr von Intendant Markus Hinterhäuser ausgezeichnet.

Salzburg. Besinnlich streng, mit einer Passion von Penderecki und einem Oratorium von Beethoven, haben die Salzburger Festspiele 2018 begonnen, die mit einem Budget von mehr als 60 Millionen Euro das größte derartige Unternehmen in Österreich sind, vom künstlerischen Anspruch her das renommierteste. 206 Aufführungen an 18 Spielstätten sind bis 30. August geplant. Spirituelles stand auch am Sonntagabend auf dem Programm: Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“, seit Gründung der Festspiele 1920 zum absoluten Bestseller herangereift, wenn nicht sogar zum Synonym für Salzburg. Dieses „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ passt besonders gut zum Leitmotiv für 2018: Passion in ihrer vielfältigen Bedeutung, von Leid über Leidenschaft bis zur Ekstase.

Das Wunder Mozart

Wie ist man auf dieses Thema gekommen, nachdem im Vorjahr Fragen der Macht behandelt wurden? Gibt es eine Verbindung? Markus Hinterhäuser, der 2017 von den Wiener Festwochen als Intendant nach Salzburg zurückgekehrt ist, bejaht das: „In den Werken, die wir heuer zeigen, geht es um Machtkonstellationen, die nicht systemgebunden sind. Wo die Macht viel schwieriger zu zähmen ist, weil sie sich ganz woanders speist, unsystematisch speist. Sie bricht heraus, man hat es mit obsessiven Parametern zu tun. Dass die ,Zauberflöte‘ am Beginn steht, ist eine bewusste Entscheidung. Sie könnte als eine Art Mikroskop wirken, in dem das Wunder Mozart deutlich wird, dieser Ausgleich aller antagonistischen Kräfte, dieses Licht und das Dunkle der Nacht, die Ratio und der Wahnsinn.“

Geistlicher Auftakt

Dazu passt die Ouverture spirituelle, die Serie an geistlicher Musik als Einbegleitung der Festspiele, die bereits unter Alexander Pereira, Festspielintendant von 2012 bis 2014, eingeführt wurde. Hinterhäuser bekennt sich zu dieser „sehr kostbaren Reihe bei den Salzburger Festspielen, die ich gemeinsam mit Florian Wiegand außerordentlich gern programmiere und die beim Publikum größtes Interesse hervorruft. Es wird sie auch im 100. Jahr geben.“ Was aber ist mit der Diskussion, dass das Programm damit überladen werde? „Wir bewegen uns in einer Größenordnung, die den Festspielen gemäß ist“, meint der Intendant. Das könne man auch an der Publikumsresonanz deutlich erkennen. „Wesentlich größer soll sie allerdings nicht werden.“

Heuer herrscht jedenfalls Opulenz, vergleichbar mit Hinterhäusers erster Saison 2017, die bei 195 Vorstellungen eine Platzauslastung von 97 Prozent erbrachte: In der Oper (38 Vorstellungen) gibt es 2018 fünf Neuinszenierungen (von Monteverdi bis Henze), zwei konzertante Aufführungen, eine Wiederaufnahme von den Festspielen zu Pfingsten. Im Schauspiel (58 Vorstellungen) kommen vier Neuinszenierungen (von Aischylos bis Grossman) und die Wiederaufnahme des im Vorjahr erneuerten „Jedermann“, zudem drei Recherchen, Filme, Lesungen. Üppig auch die Konzerte: 89, dazu eine Gala-Soiree und Kinderprogramm.
Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler sieht wegen des „hervorragend laufenden Kartenverkaufs Anlass zu den schönsten finanziellen Hoffnungen. Doch jetzt kommt das große Aber. Alle Premieren sind noch im Probenstadium. Und es ist noch nicht abzusehen, welche Zusatzkosten auflaufen. Mit ein bisschen Glück werden wir das budgetierte Ziel beim Kartenverkauf übertreffen.“

Riesenprojekt Generalsanierung

Was macht man mit dem erwarteten Überschuss? „Den brauchen wir für das Riesenprojekt sicherheitstechnische Generalsanierung des Großen Festspielhauses.“ Trotz all der großen künstlerischen und wirtschaftlichen Erfolge reiche das Geld nicht, um die anstehenden Baumaßnahmen aus eigenen Kräften zu stemmen. „Glücklicherweise sind sich dessen alle Mitglieder des Kuratoriums bewusst. Das Große Festspielhaus ist 1960 eröffnet worden. Es gibt erstaunlicherweise große Teile, die bisher nie renoviert werden mussten.“ Jetzt aber müssten neue sicherheitstechnische Auflagen erfüllt werden. Das sei nicht nur für die Festspiele wichtig, denn hier fänden mehr „Fremdveranstaltungen“ statt als eigene: „Mozartwoche, Osterfestspiele, Kulturvereinigung, Adventsingen – das heißt, es ist ein Haus für Salzburg.“

Die ersten Premieren

Die Zauberflöte (Dirigent: Constantinos Carydis, Regie: Lydia Steier), Großes Festspielhaus, 27. Juli.

Salome von Richard Strauss (Dir.: Franz Welser-Möst, Regie: Romeo Castellucci), Felsenreitschule, 28. 7.

Penthesilea von Kleist (Regie: Johan Simons), Landestheater, 29. Juli.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2018)

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