Zwölf Punkte für die Show

Singer Angell of France performs the song 'N'oubliez Pas' during the final of the 60th annual Eurovision Song Contest in Vienna
Singer Angell of France performs the song 'N'oubliez Pas' during the final of the 60th annual Eurovision Song Contest in ViennaREUTERS
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Der ORF hat mit dem Eurovision Song Contest die größte TV-Show seiner Geschichte gestemmt.

Auch wenn ORF-General Alexander Wrabetz am Rande des Juryfinales am Freitagabend noch demonstrativ auf Holz klopfte: Hinter den Kulissen wurde bereits vor der Entscheidungsshow auf das größte TV-Event in der Geschichte des ORF angestoßen. Viel Grund zur Sorge, dass bei der Entscheidungsshow des Eurovision Song Contest noch etwas schiefgehen könnte, musste er nicht haben. Bis zuletzt liefen die Vorbereitungen in der Wiener Stadthalle auf Hochtouren, Organisation und Technik zeigten einen detailverliebten Hang zum Perfektionismus – ob beim Nachjustieren des computeranimierten Kugelballetts, ob bei den Kontrollen am Securitycheck (der neue „Presse“-Knirps landete im Mistkübel) oder bei den auf die Sekunde getakteten Umbauten, die schon bei den Proben exakt stimmen mussten.


Baumleichen und Blumenranken. Einig waren sich alle Beobachter, dass es schon vor der Entscheidung einen klaren Sieger dieses Wettbewerbs gab: Die aus 1300 Einzelteilen zusammengesetzte Bühne, die neben einer 3-D-artigen Aufbereitung von Visuals auf einer riesigen Videowand im Hintergrund, Scheinwerfern, beleuchteten Röhren und pyrotechnischen Möglichkeiten auch die insgesamt 629 einzeln ansteuerbaren Kugeln umfasste, die sich zu Wellen oder zu den Schwingen des Phönix (beim Auftritt von Conchita Wurst) formieren ließen. Die Kandidaten nutzten die möglichen Effekte auch gern aus: Bei Spaniens Vertreterin Edurne oder Griechenlands Maria Elena Kyriakou spürte man die Windmaschine bis ins Publikum. Auf der Video-Wall rauchten die Trümmer und ragten verkohlte Baumleichen in einen wolkenverhangenen Himmel (als Frankreichs Lisa Angell ihre Friedensbotschaft schmetterte), funkelten Sterne oder flatterten rosa Stoffbahnen über eine digitale Tapete mit romantischen Blumenranken (für Polens Kandidatin Monika Kuszyńska und ihr aufmunterndes „In The Name of Love“). Ganz zu schweigen von der Pyrotechnik: Nachdem die Makemakes ihr Klavier in Flammen setzten, verbreitete sich in der Halle ein olfaktorischer Hauch von Weihnachten.


In weiblicher Hand. Wie erleichtert sie nach jedem (Probe-)Auftritt auch waren – die Teilnehmer durften sich nicht an der Rampe im Jubel des Publikums suhlen (auch wenn das Gebrüll aus der Halle so ohrenbetäubend war wie bei der selbst sehr stimmgewaltigen Serbin Bojana Stamenov). Der Eurovision Song Contest hat vor allem ein Zielpublikum: jene etwa 200 Millionen Menschen, die via Fernsehen zuschauen. Bei einer solchen Show, in der die Auftritte nach der Stoppuhr (und den Werbeunterbrechungen) geplant sind, ist Disziplin ein Muss – und wer beim Abgang nur kurz zögerte, wurde von der Bühne geholt, während die Techniker in Windeseile schon die Utensilien für den nächsten Kandidaten an ihren Platz hievten. Selbst die TV-erprobten Moderatorinnen übten ihre Texte ein, als ginge es um ein neues Stück am Burgtheater. Mirjam Weichselbraun, Alice Tumler und Arabella Kiesbauer waren als Fremdsprachen-firmes Moderatorinnen-Trio eine passable Besetzung. Und Conchita hob im wahrsten Sinne ab. Was für eine Show!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2015)

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