Die Souvenirindustrie beutet die Geburt des „Royal Baby" gnadenlos aus - und die Briten kaufen ein: Rund 250 Millionen Euro gibt die Bevölkerung für Andenken und Spielwaren aus, die dem königlichen Nachwuchs huldigen.
London/GAR. Große Ereignisse am britischen Hof sind traditionell auch Großereignisse für die Hersteller von Erinnerungsartikel. Seit Monaten laufen in Stoke on Trent, dem Zentrum der britischen Töpfereiindustrie, die Öfen heiß. Mehr als 10.000 Keramikbecher stehen zur letzten Verzierung bereit - noch muss der Name des Neugeborenen appliziert werden. „Wir haben noch nie so eine Nachfrage gesehen", sagt die Keramikdesignerin Sophie Allport.
Der Boom ist nach Jahren des Niedergangs in dem nordenglischen Stoke umso willkommener. Doch selbst das „Royal Baby" wird wohl keine dauerhafte Trendumkehr bringen. Laura Cohen von der British Ceramic Confederation hofft zwar: „Viele Kunden würdigen einen ,Made in England‘-Stempel insbesondere bei dieser Art der Souvenirartikel." Doch in China stehen die Hersteller Gewehr bei Fuß: „Wir haben allein zur Hochzeit von William und Kate 50.000 Erinnerungsplaketten verkauft", berichtet die Sprecherin von Tangshan Hengrui Ceramics.
Auf insgesamt 243 Millionen Pfund (rund 250 Millionen Euro) schätzt das britische Centre for Retail Research die zusätzlichen Ausgaben der Bevölkerung in Zusammenhang mit der königlichen Geburt. Davon sollen 80 Millionen Pfund auf Andenken und Spielwaren entfallen, 76 Millionen Pfund auf Bücher und DVDs sowie 87 Millionen auf Festivitäten. Unter den Souvenirartikel stellen Keramikprodukte wie Becher, Teller, Vasen oder Schatullen den mit Abstand größten Anteil. Die Orgie des schlechten Geschmacks inkludiert aber traditionell auch Geschirrtücher, Gedenkmünzen, Karten, T-Shirts oder Fahnen.
Keine Spur von Oscar Wildes edler Maxime „Ich habe den einfachsten Geschmack. Ich mit immer mit dem Besten zufrieden". Stattdessen regiert im Erinnerungsartikelmarkt das Lauteste, und Geschmackloseste als endgültige Widerlegung des Wortes von Milan Kundera: „Kitsch ist die absolute Verneinung von Scheiße". So ist wohl nicht zufällig sogar ein Kindertopf nach Vorbild eines Throns im Angebot, wo die erfolgreiche Verrichtung durch eine Fanfare zelebriert wird.
Silbermünze für Neugeborene
Kinderkleidung gehört ebenso unverzichtbar dazu wie Apps für das Smartphone. Der Designerin Lydia Leith ist all das etwas zu viel geworden. Sie brachte einen Übelkeitsbeutel auf den Markt mit dem Aufdruck „Well Brought Up" - was sowohl „gut erzogen" als auch „gut nach oben gebracht" heißen kann.
Keine Berührungsangst vor dem Kitsch zeigt das glückliche Elternpaar. „Die Geburt des Kindes des Herzogs und der Herzogin von Cambridge soll eine freudvolle Angelegenheit sein, und wir wissen, dass es eine lange und freudvolle Geschichte der Herstellung von Souvenirs zu königlichen Anlässen gibt", sagte ein Sprecher des Palasts. Nach Handelsberechnungen gaben die Briten allein rund um die Hochzeit von William und Kate knapp 200 Millionen Pfund aus. Das Königshaus spendiert zudem jedem Kind, das am selben Tag wie das königliche Baby zur Welt kam, eine Silbermünze mit einem Bild des heiligen George im Wert von fünf Pfund.
„Es gehört einfach dazu in meinem Haushalt", sagte die 72-jährige Jane Harrison im Gespräch. In ihrem Wohnzimmer hat sie eine ganze Ausstellung an Memorabila von der Hochzeit zwischen Prinz Charles und Diana bis zum 60. Thronjubiläum von Queen Elizabeth versammelt. Statuen, Tassen, Münzen, Aschenbecher, Decken: „Schön sind die Dinger vielleicht nicht. Aber very british!" Worauf es schließlich auch ankommt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2013)