Lena Meyer-Landrut: „Ich denke nach, bevor ich rede“

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Lena MeyerLandrut bdquoIch denke(c) APA (HERBERT NEUBAUER)
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Die deutsche Songcontest-Siegerin war in Wien und zeigte sich den Medien. Dass sie da war, um ihre CD zu präsentieren, interessierte nur am Rande. Am meisten sagt sie, wenn sie nichts sagt.

Das ist schon ganz witzig“, sagt Lena Meyer-Landrut, und sie meint damit die Pressekonferenz in Wien. Nur das kleine Tischchen, auf dem sich Mikrofone türmen, trennt sie von Fotografen und Kameraleuten, die sie mit Gezurre und Blitzlicht eindecken. Am Ende zückt sie ihre kleine Digitalkamera. „Bleibt bitte stehen“, sagt sie zur Meute und drückt ab.

Wenn kein Star in der Nähe ist, dann gehen die Societyreporter und Kulturjournalisten aufeinander los. Sie raufen sich um die Plätze, küssen einander ununterbrochen auf die Wange und lästern über Kollegen. „Gestern die ,ZIB 24‘ gesehen?“ – „Das war Fremdschämen.“ In der ZIB hatte die 19-jährige Songcontest-Siegerin Donnerstagabend ihren ersten Auftritt. Sie brachte Moderator Roman Rafreider aus der Fassung, Ja, das freut die Kollegen vom ORF. Kicher.

Es ist bekannt, dass Lena Meyer-Landrut keine Fragen zu ihrem Privatleben beantwortet. „Wie geht's?“ – „Das geht Sie nichts an.“ Solche Dialoge wünschen sich die Societyleute. „Und was, wenn ihre Antworten zu persönlich sind für uns?“ Kicher.

Irgendwann wird es ernst. Die Kameraleute satteln die Kameras, die Fotografen gehen in Stellung, alle spannen hin zum Eingang. „Ich würde euch bitten, euch gesittet zu verhalten“, sagt die Dame von der Plattenfirma und tarnt diese Bitte als Scherz. „Jeder kriegt, was er braucht“, verspricht sie. Kein Scherz.

Eine Viertelstunde später ist sie da. Sie erscheint nicht, sie tritt nicht auf. Sie geht einfach rein. Das Haar hochgesteckt, das Outfit unauffällig bieder. „Der Shootingstar“, wird sie vom Plattenfirmenchef Hannes Eder angepriesen, und ein paar Reporter fangen an zu klatschen.

Ob sie wisse, dass viele Österreicher auch für sie die Daumen gedrückt haben beim Songcontest? Die Frage kommt vom Fremdschämer. Ob sie stolz darauf sei, fragt er weiter. „Nicht stolz, aber es freut mich.“

Lena Meyer-Landrut sitzt da und beantwortet Fragen wie: „Ist nun für viele Deutsche der Songcontest genauso wichtig die die Fußballweltmeisterschaft?“ – „Ich finde Fußball nicht so wichtig“, antwortet sie.

Ein Griff auf die Nase

Lena Meyer-Landrut, die von allen mit „Lena“ angesprochen wird, sagt am meisten, wenn sie nichts sagt. Wenn sie nur schaut oder kurz den Mund spitzt und mit den Augen rollt. Als sie sich mit den Fingern auf die Nase greift, zucken die Fotografen aus. Blitzlicht. „Entschuldigung, das war meine Nase.“ Ob sie geschult worden sei für den Umgang mit Medien? – „Nein.“ Ob sie ein Briefing bekommen habe, was sie auf bestimmte Fragen antworten solle? „Ich habe von Anfang an aufgepasst, was ich sage“, sagt sie und meint: „Ich denke in solchen Situationen zuerst nach, bevor ich rede.“ Mit „solchen Situationen“ meint sie Pressekonferenzen. Und ihr Satz klingt fast ein wenig als Ratschlag an die versammelten Journalisten.

Am amüsantesten ist die junge Frau aus Hannover, wenn sie gar nicht erst auf Fragen reagiert, sondern einfach erzählt. Etwa, wie sie auf dem Wiener Flughafen von zwei Möchtegern-Paparazzi abgepasst worden ist. „Das war mein erster Eindruck von Wien“ erzählt sie. Sie versteht es, Geschichten zu erzählen.

Irgendwann erinnert sich jemand daran, warum Lena Meyer-Landrut in Wien ist. Weil sie ihre erste CD präsentiert. Ob der Songcontest nicht doch abträglich für ihre Musikerkarriere sei, meint einer und bettet seine Frage in eine Metapher: Das sei doch, „als würde Schiller für die ,Bild‘-Zeitung schreiben“. „My Cassette Player“ heißt die erste CD von Lena Meyer-Landrut, sie hat mit den Leiden des jungen Werther wenig am Hut. Ach ja, das war ja Goethe.

Auf dem Cover posiert sie mit einer grauen Haube und einem Spitzmundlächeln. Sie erinnert dabei an die Skifahrerin Lindsey Vonn, die im Hauptberuf Testimonial für einen Energydrink ist. Und Lena Meyer-Landruts Musik? Red Bull für die Ohren. Die wird sicher vielen schmecken.

Lena Meyer-Landrut ist in erster Linie ein Fernsehstar. Ihre Musik ist Hintergrundmusik. Das Retortenbaby des deutschen Pop-Business, geschaffen von Pro7-Aushängeschild Stefan Raab, fasziniert nicht mit ihrer Musik und ihrer Stimme, sondern mit ihrem Wesen. Unnahbar herzlich, liebenswert arrogant, unbekümmert direkt. Sie ist ein einziger Widerspruch. Ansonsten hätte sie zu ihrem ersten Medienauftritt in Wien nie gesagt: „Das ist schon sehr witzig.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2010)

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