Wein: Die weiße Revolution

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Wer wissen will, was in Sachen Weißwein in diesem Land abgeht, muss ins Burgenland. Dort spielt die Zukunftsmusik.

Groß beworben hat man die Sache nie. „Seit zehn Jahren bewirtschaften wir den kleinen Weingarten Saybritz am Eisenberg“, erzählt Franz Weninger junior. Mit seinem Vater zählt der Winzer aus Horitschon im Mittelburgenland zur Rotwein-Elite Österreichs. Dass Großcousine Emma Schürmann im Südburgenland ein halbes Hektar hat und es mit fortgeschrittenem Alter nicht mehr selbst bewirtschaften konnte, war mehr oder weniger eine Familienangelegenheit. Man hat ausgeholfen. Der Blau-fränkisch wurde separat abgefüllt. Der Welschriesling zum übrigen Weißwein gemischt. Jung, spritzig, herkömmlich. „Dabei hatte ich da dieses Erlebnis im Hinterkopf“, erzählt Weninger. 2002 war es, als ihm am Balaton eine zwei Jahre alte Faßprobe kredenzt wurde. „Das war ein unglaublicher Wein.“ Groß und füllig. Frankreich, Meursault, etwas in dieser Kategorie. Es war Welschriesling.

„Welschriesling ist eine weit unterschätzte Sorte“, sagt Weninger heute. Den Beweis füllt er seit zwei Jahren ab. „Welschriesling Saybritz“. Nur 1000 Flaschen gibt es davon. Spitzenrestaurants wie das Steirereck in Wien sichern sich die meisten davon, bevor sie überhaupt gefüllt werden. „Das kommt dabei heraus, wenn Rotweinwinzer Weißwein machen“, sagt Weninger und lächelt verschmitzt.

Und es kommt viel dabei heraus. Wer in Österreich wissen will, was in Sachen Weißwein abgeht, muss nicht nach Niederösterreich und auch nicht in die  Steiermark fahren. Die Zukunftsmusik spielt im Burgenland.

„Himmel auf Erden“ und „Laissez-faire“ nennt Christian Tschida aus Illmitz seine großen Weißweine. Warum er im Seewinkel so viel Energie in den Weißen steckt? „Aus der Not heraus“, antwortet er. Welche Not? „Die klassischen Weißweine waren mir zu langweilig.“ Und deshalb hat er alles anders gemacht. Von Anfang an hat er damit experimentiert, die Trauben auf der Maische zu vergären.
Das macht man normalerweise nur beim Rotwein. Oder beim Amphorenwein oder bei den Orange-Wines, wie die mittlerweile auf hip getrimmte Marketingbezeichnung lautet. Tschida pfeift auf die Mode. Er pfeift auf so ziemlich alles, wenn es darum geht, seine Vorstellung von Wein durchzusetzen. „Das ist ein Konzept“, betont er. Für seine Methode, Weißwein zu keltern, „müssen die Trauben an der Perfektion kratzen“. Keine Unsauberkeiten, keine Fäulnis. Kleine, lockerbeerige Trauben, starke Begrünung im Weingarten, Verzicht auf Bewässerung. „Der Weingarten muss leiden“, sagt er. Scheuerrebe, Welschriesling und Weißburgunder sind in seinen Weißen.
Warum? „Weil ich diese Weingärten geerbt hab.“ Tolles Erbe. Es brachte ihn nach Kopenhagen, ins angeblich beste Restaurant der Welt. „Im Noma servieren sie den Laissez-faire zu den geräucherten Muscheln.“

Winzer des Jahres. „Das Burgenland ist ein unterdrücktes Land in Sachen Weißwein“, sagt Heinz Velich aus Apetlon. Er begehrt seit Jahrzehnten gegen diese Unterdrückung auf. In Österreich viele Jahre vergeblich. Sein Erfolgsweg führte übers Ausland. Erst als er in New York gefeiert wurde, klatschte man auch in der Heimat Beifall. Heuer wurde Velich vom „Falstaff“-Magazin zum „Winzer des Jahres“ ausgerufen. Mit seinem Chardonnay „Tiglat“ schuf er einen Weißwein von Weltformat. „Dem Wein sollte man die Zeit geben, die er zur Entfaltung braucht“, sagt er. Wie lange? „Ich sage meinen Kunden, sie sollen ihn im Keller liegen lassen, bis sie es nicht mehr aushalten.“ Er selbst findet mittlerweile den 2001-er sehr spannend.

Velich hat immer nur Weißweine gemacht. Er denkt nicht im Traum daran, dies zu ändern. „Es geht um eine neue Interpretation“, sagt er. Sein Credo lautet: „Weg vom frischen, fruchtigen Wein.“ Und immer mehr Menschen folgen ihm. Warum? „Weil wir übersäuert sind!“

Umackern. Hinüber zur anderen Seite des Neusiedler Sees. Zwölf der 14 Hektar des Weinguts Kloster am Spitz in Purbach sind rot. Zu Großvaters Zeiten sei noch vorwiegend Weißer abgefüllt worden, erzählt Winzer Thomas Schwarz. „Erst mein Vater hat den Roten eingeschleppt.“ Die Cuvée „Muschelkalk“ gibt es aber bereits seit 21 Jahren. „Als wir den Weingarten angelegt haben, mussten wir ihn umackern“, erzählt Schwarz. Dabei kam der viele Muschelkalk im Boden zum Vorschein. „Es sah aus wie ein steinernes Meer.“

Chardonnay, Weißburgunder und seit heuer auch ein wenig Grauburgunder nimmt er für diesen außergewöhnlichen Weißwein. Früher wurde der Wein in kleinen Barriques ausgebaut. Doch seit Schwarz ganz auf Bio umgestellt hat, sei es aus mit den „Vollholzbomben“, wie er die Weine von damals nennt. Große Holzfässer, Spontangärung, weniger Alkohol, so sieht der neue Weg aus. „Den Wein mehr Wein sein lassen“ will Schwarz. Er verzichtet im Fass völlig auf die Beigabe von Schwefel.

Zurück zum Eisenberg ins Südburgenland. Dort ist Uwe Schiefer zu Hause. Die Lichtgestalt unter den heimischen Winzern hat Rotwein in Österreich neu definiert. Jetzt wendet er sich dem Weißwein zu. Mit der gleichen Konsequenz, mit der gleichen Hingabe, mit der gleichen Perfektion. Das Ergebnis ist atemberaubend und findet im „Weißen Schiefer S“ seine Formvollendung. Auch Uwe Schiefer vertraut auf Welschriesling, ergänzt diesen allerdings mit Grünem Veltliner. Mit Grünem Veltliner!
Und wenn Uwe Schiefer beginnt, den hierzulande sakrosankten Grünen Veltliner so zu interpretieren, dann ist „weiße Revolution“ ein Hilfsausdruck.

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