Kalte Küche: Wien isst jetzt roh

Riki Hinteregger
Riki HintereggerDie Presse
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Nach dem Vegantrend ist nun auch dessen natürlicher Nachfolger, der Rohkost-Trend, aus den USA in Wien angekommen – mit zwei Rohkost-Konditoreien und zwei Restaurants.

Wien. Faschierter Braten, Zucchinispaghetti oder Thai-Curry sind heutzutage keine ungewöhnlichen Gerichte. Bei näherem Hinsehen entpuppen sie sich aber nicht nur als vegan, gluten- und laktosefrei – sondern auch als roh. Keine Zutat überschreitet bei der Zubereitung die in der Rohkostküche magische Grenze von 42 Grad Celsius. Und „faschiert“ werden bei dem „Braten“ übrigens nur Nüsse, Pilze und Hanfsamen.

Zu finden ist diese Auswahl an Rohkost aber nicht in den USA – wo der „Raw“-Trend herkommt – sondern in Wien, genau genommen in dem erst vor wenigen Tagen eröffneten Rohkostrestaurant Superfoods in der Neubaugasse. Gemeinsam mit dem Raw Shop, der Simply Raw Bakery und der Bio-Werkstatt gibt es nun vier Anlaufstellen für die kalte Küche. Rohkost ist, wenn man so will, auch in Wien das neue vegan. Denn nachdem immer mehr Lokale zumindest vegane Speisen anbieten, ist der neueste Schrei das Essen von rohem Obst und Gemüse, Nüssen, Körnern oder Superfoods – wie Produkte wie Kakao, Macawurzel oder Gojibeere genannt werden. Verwunderlich ist das eigentlich nicht. Denn immerhin ist der Rohkosttrend auch eine natürliche Folge der veganen Ernährung. Fast alle Frauen – und es ist ein stark weiblicher Trend – haben sich vor der Rohkost mit der veganen oder vegetarischen Ernährung auseinandergesetzt.

Wie auch Riki Hinteregger, die nach zwölf Jahren ihre Boutique für indische Mode namens Dancing Shiva in ein Restaurant umgewandelt hat. Der Grund war ein Burn-out. „Zuerst habe ich überlegt, einen Stock zuzusperren, weil ich keine Kraft mehr hatte“, sagt Hinteregger. Dann aber ist sie über ein Buch, das ihr ihre Tochter geschenkt hatte, auf die Superfoods gestoßen. Der Amerikaner David Wolfe hat darunter zehn Lebensmittel zusammengefasst, die besonders viele Inhaltsstoffe haben und von denen man sich – theoretisch und in der Not – eine Zeit lang ausschließlich ernähren könnte. Dazu gehören etwa die Makawurzel, Propolis und Hanfsamen, aber auch Exotisches wie Phytoplankton, von dem sich Wale ernähren.

Anfangs hat Hinteregger nur grüne Smoothies – also Säfte aus Obst, Gemüse und Kräutern – verkauft. Irgendwann wurde die Saftbar zu klein, vor rund einer Woche hat sie das Restaurant inklusive Shop neu eröffnet.

Rohe Sachertorte

Ein bisschen früher dran war Maja-Elena Scheid, die Ende November ihren kleinen Raw Shop in der Otto-Bauer-Gasse eröffnet hat. Scheid ist eigentlich gelernte Konditorin und erst durch die eigene Ernährungsumstellung auf die süße Rohkost gestoßen. Neben Rohkost-Sachertorte, Rohschokolade und Wildkräuter-Smoothies bietet sie auch Frühstück und einen Mittagstisch an. Der Boden für die Pizza (aus Leinsamen, Buchweizen und Karotten) kommt zuvor acht Stunden bei 42 Grad in einen Dörrapparat. Laut Rohkostlehre sind die 42 Grad übrigens die Grenze, ab der man die Enzyme der Lebensmittel abtötet, die jedoch bei der Verdauung behilflich sein sollen.

Ein ähnliches Konzept fährt Gabriele Danek, die seit Oktober 2012 die Simply Raw Bakery betreibt. Jeweils freitags und samstags ist sie mit ihren rohen Mehlspeisen und Patisserieprodukten auf dem Markt auf der Freyung anzutreffen. Kommenden Donnerstag eröffnet sie in der Drahtgasse in der Innenstadt ihr erstes Geschäft inklusive Bistro.

Danek hat sich in den USA von Matthew Kenney zum „Raw Food Chef“ ausbilden lassen. „Wir wollen weg von dem Siebzigerjahre-Stil der Rohkost mit Karotten- und Selleriestangen“, sagt sie. Tatsächlich sehen ihre Torten, Cupcakes und Pralinen höchst kunstvoll aus. Nur, dass eben mit Nüssen, Kakao und Datteln statt Mehl, Eiern und Zucker gearbeitet wird. Danek ist selbst überrascht, dass das Geschäft so gut läuft. „Immerhin habe ich ja sehr hohe Preise, mit einem Ein-Euro-Krapfen kann ich nicht mithalten.“ Der dürfte ihr Zielpublikum aber auch nicht interessieren.

LEXIKON

Rohkost. Der Trend, nicht nur vegan, sondern auch roh zu essen, stammt aus den USA. Seit drei bis vier Jahren ist das Thema in Europa angekommen. Nachdem in London, Berlin und Kopenhagen Restaurants und Cafés zu dem Thema aufgesperrt haben, ist es nun auch in Wien und Graz so weit. Bei der Rohkostküche wird keine Speise über 42 Grad erhitzt. So sollen alle wertvollen Nährstoffe erhalten bleiben und sich keine Transfette bilden können. Außerdem sollen ab 42 Grad Enzyme zerstört werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2014)

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