Und jetzt Lebkuchen

(c) Stanislav Jenis
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Seit 1830 stellt die Familie Kammerer Lebkuchen her. Dieser Tage startet – neben den Kirtagherzen – die Produktion weihnachtlicher Honiglebkuchen.

Mittlerweile ist auch ihr Auftauchen zu einem Ritual geworden. Allerdings werden die Vorboten der kalten Jahreszeit – vom Kürbis über Sturm bis zum Lebkuchen – meist nicht gerade herzlich empfangen. Denn während die ersten Frühlingsblüten, gar nicht zu reden von den Früchten des Sommers, lange herbeigesehnt werden, versetzen die ersten Lebkuchenpackungen, die verlässlich im August in den Supermarktregalen auftauchen, den meisten Menschen einen Stich. Spätestens dann weiß man, der Sommer kommt nicht wieder – zumindest nicht heuer – und die Vorweihnachtszeit ist schneller da, als es manchen lieb ist.

Dabei wird der Lebkuchen von den Großen, also der Industrie, das ganze Jahr über produziert. Bei den Kleinen hingegen, die noch handwerklich arbeiten, beginnt erst (oder schon) jetzt die Vorbereitung auf Weihnachten, in ihrem Fall die Produktion von Lebkuchen. „Wir sind die Einzigen in Wien, die noch so klein und familiär arbeiten“, sagt Robert Kammerer, der bereits in dritter Generation die Wiener Schokolade & Lebkuchen Manufaktur im 20. Bezirk führt. Wobei gebacken wird in der Familie Kammerer eigentlich seit 1830, damals hat sein Ururgroßvater im Waldviertel Lebkuchen und Süßwaren produziert. „Wann ist der Opa nach Wien gekommen?“, fragt Robert Kammerer seinen Vater Karl, der auch im Betrieb tätig ist. Seine Antwort – „Welcher, deiner oder meiner?“ – macht klar, dass da schon mehrere Generationen am Werk waren.

Karl Kammerer, der Seniorchef, ist in Wien übrigens der Letzte, der noch Prüfungen zum Lebzelter und Wachszieher abgenommen hat. „Früher musste man das machen, weil Lebkuchen ja mit Honig zu tun hat. Heute reicht eine Zuckerbäckerausbildung, die hab ich auch gemacht“, sagt Robert Kammerer, der seit 2000 das Familienunternehmen führt. Er kann nicht ganz verbergen, dass er stolz darauf ist, als letzter Wiener Lebzelter seine Produkte händisch zu fertigen. Das Sortiment teilt sich zu je einem Drittel in Kirtagssüßwaren (also Schaumrollen, -häferl, -becher und -spitz sowie verzierte Lebkuchenherzen), in Lebkuchen in allen erdenklichen Variationen und in Schokoladefiguren. „Handstaniolierte Hohlfiguren wie Papageien, Ampeln, Bleistifte, Pupperln oder Figuren zu Ostern und Weihnachten“, erklärt Kammerer.

Zwei Monate zum Rasten.
Heute sind Lebkuchenherzen und Lebkuchenfleck – wie es in der Branche heißt –, aus dem gefüllte und mit Schokolade überzogene Würfel gemacht werden, an der Reihe. Im ersten Halbjahr haben Kammerer und seine sieben Mitarbeiter neben den anderen Süßwaren nur Lebkuchenherzen für den Prater und für Marktfahrer sowie Sonderanfertigungen für Firmen hergestellt. Mit dem Honiglebkuchen, der im Gegensatz zu den Herzen nicht zur Dekoration, sondern zum Verzehr gedacht ist, hat der kleine Betrieb in der Dammstraße erst dieser Tage begonnen. „Aber den Teig haben wir schon vor zwei Monaten gemacht, der braucht Zeit zum Rasten“, erklärt Kammerer. In den Teig für den Honiglebkuchen kommen 25 bis 30 Prozent Honig, außerdem Roggen- und Weizenmehl sowie verschiedene Zuckerarten. „Nicht der normale Kristallzucker, der ist ja ausgewaschen, sondern Traubenzucker, Rohrzucker oder Gelbzucker, da sind noch alle wertvollen Vitamine und Mineralstoffe drinnen.“ Die lange Ruhezeit braucht der Teig, damit er durch die Milchsäurevergärung lockerer wird. „Das ist ein sehr schwerer Teig, deshalb setzen wir auch Triebmittel, wie Backpulver, ein.“

Steinharter Brocken.
Immer wieder wird er von Kundinnen gefragt, ob sie nicht den rohen Teig kaufen könnten. Die müsse er aber leider vertrösten, denn der Teig sei so hart, dass er jede Küchenmaschine ruiniere. „Ich habe es einmal ausprobiert, mit einer teuren Küchenmaschine für den Haushalt, da ist der Bolzen gebrochen“, sagt Kammerer und führt in die sogenannte Teigkammer. Dort müht sich gerade ein Mitarbeiter damit ab, aus einem großen Teigstück mit einer Spachtel kleinere Stücke herauszuhacken. Der Teig lagert dort in einer großen Blechkammer und kommt dann in kleinen Stücken in die Knetmaschine. „Die ist noch von meinem Großvater und hat so viel PS wie ein kleines Auto, zirka 30“, sagt Kammerer. Wobei er gerade dabei sei, sich eine neue Maschine anzuschaffen, „eh eine gebrauchte, eine, die 20 Jahre alt ist und nicht 80“. Mitarbeiter Zlatko wirft die Knetmaschine an und lässt den Teig – bei ohrenbetäubendem Lärm – ein paar Minuten kneten.

Danach kommt er in einer Plastikbox auf Rädern – „unser Teig-Ferrari“ – zurück in die Backstube, wo zwei Frauen gerade Lebkuchenherzen aus dem Ofen holen. Dort kommt die Masse noch einmal in eine feinere Knetmaschine.
„Früher haben wir das mit der Hand gemacht, aber jetzt, da wir mehr Damen im Betrieb haben, haben wir uns die Maschine angeschafft“, sagt Kammerer, nimmt einen Teig und zeigt dennoch, wie das geht. Danach kommt der Teig auf eine Ausrollmaschine, in der er von einem hohen rechteckigem Block zu einem langen, dünnen Teig gewalkt wird. „Und jetzt muss es schnell gehen“, sagt Zlatko, nimmt den mehrere Meter langen, dünnen Teig und schwingt ihn kunstvoll über die Maschine auf die Arbeitsfläche. Statt eines Flecks – „das schaut ja langweilig aus“ – sticht er ein paar Herzen aus, die danach ein paar Minuten im Ofen gebacken werden. „Danach kühlen sie aus und werden im zweiten Stock verziert“, sagt Kammerer und führt die Treppe hoch. Dort sind drei Damen – darunter seine Mutter – damit beschäftigt, die Herzen gekonnt und flott zu bemalen. Die Luft hier ist angenehmer, aus dem Radio kommt Schlagermusik.

Derzeit bemalen sie vor allem noch Herzen für diverse Oktober- oder Wiesenfeste, aber auch der Honiglebkuchen wird schon mit Zuckerguss glaciert, die Weihnachtsmotive stehen schon bereit. Zwei- bis dreimal die Woche wird jetzt Lebkuchen produziert – bis Weihnachten. Danach kommen die Schoko-Osterhasen dran, aber das ist eine andere Geschichte.

Rezept - Honiglebkuchen

Mit einem Rezept für daheim kann Robert Kammerer (siehe oben) leider nicht dienen. Sein Teig ist für Haushaltsgeräte zu hart. Die St. Wolfganger Lebkuchen Manufaktur der Familie Gandl hat aber ein Rezept parat:

Zutaten:500 g Honig, 200 g Rohrzucker, 10 g Lebkuchengewürz, je 125 g gemahlene Mandeln und Haselnüsse, 1 EL passierte Rosinen, 2 EL passierte Korinthen, je 50 g passiertes Zitronat und Orangeat, 500 g Mehl, 1,5 Päckchen Backpulver.

Zubereitung: Honig langsam erhitzen, bis er flüssig ist, danach das Mehl untermengen und mit Zucker zu einem festen Teig verarbeiten. Den Teig zwei Monate lang an einem kühlen, trockenen Ort lagern. Danach die restlichen Zutaten beimengen, den Teig einen halben Zentimeter dick ausrollen, ausstechen und bei 150 Grad (Umluft) acht bis zehn Minuten backen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2014)

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