Ein Dorf und sein Stolz auf den Graumohn

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Im Mohndorf Armschlag freut man sich über den heißen Sommer: Die Kapseln seien so schön wie lange nicht. Geerntet wird teilweise händisch – mit Gartenschere und Kübel.

Für einhundert Einwohner ist der Parkplatz des Dorfwirts in Armschlag sehr groß. Allerdings ist Armschlag nicht irgendein Ort im Waldviertel – sondern einer, der sich dem Mohn verschrieben hat. Seit 26 Jahren nennt sich Armschlag das Mohndorf und kann nicht nur mit einem Mohngarten, einem Mohnladen, einer Mohnobfrau, einem zwei Meter langen Mohngemälde, einem Mohnwandertag und einem Mohnkirtag, sondern eben auch einem Mohnwirt mit entsprechend großem Parkplatz aufwarten.

All das wird auch gern groß beworben. Im Mohndorf gibt es fast mehr Mohndorf-Logos als Mohnkapseln. Nein, übersehen kann man es hier nicht, dass die Bewohner besonders stolz auf ihren Mohn sind. „Vom Mohn allein kann ein Landwirt nicht leben“, sagt Mohnobfrau Edith Weiß, die gern durch ihr Dorf führt. Fünf Mohnbauern gibt es in dem kleinen Dorf, das zum Bezirk Zwettl gehört. Fast alle sind Nebenerwerbsbauern. Und Mohn allein baut hier niemand an. Immerhin kann man Mohn nur alle drei bis fünf Jahre an dieselbe Stelle setzen. „Wir haben auch Grünland, produzieren Futter für die Tiere, haben eine Milchwirtschaft und bauen Getreide und Kartoffeln an“, sagt Mohnbäuerin Theresia Weinmann, deren Familie auch eine Mohnmühle betreibt.

Sonnenschein und Morgentau.

Heuer sind die Armschläger besonders stolz auf ihren Mohn. So schön wie heuer waren die Kapseln schon lange nicht mehr, schwärmen sie. Der heiße Sommer habe dem Mohn gutgetan. Seit zwei Wochen wird geerntet – teils händisch, teils mit einem zu einem Mohndrescher umgebauten Mähdrescher. Je nach Witterung läuft die Ernte von Mitte August bis Anfang September.

Gesät wird der – übrigens einjährige – Mohn im April. „Da braucht er genug Feuchtigkeit“, erklärt Mohnbauer Leopold Frühwirth, der seine kleinen Mohnfelder ausschließlich händisch aberntet. Im Sommer braucht der Mohn viel Sonnenschein, aber auch einen großen Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht. „Das fördert den Gehalt der ätherischen Öle“, sagt Mohnobfrau Weiß. Und: „Der Mohn braucht in der Früh Tau, Mohn liebt den Tau, und von dem haben wir im Waldviertel genug.“

Geerntet wird der Mohn erst, wenn er ganz trocken ist. Sowohl vom Reifestadium her – die Kapsel muss hart, trocken und braun sein – als auch von der Witterung. In den frühen Morgenstunden kann nicht geerntet werden. Frühestens um zehn Uhr vormittags, wenn die Sonne die Kapsel vom Tau getrocknet hat, begeben sich die Bauern aufs Feld. „Dann drückt man die Kapsel leicht. Wenn sie nachgibt, braucht sie noch“, sagt Frühwirth. Nur die schönen, harten Kapseln schneidet er mit einer Gartenschere ab. Wenn er die Kapseln für Dekorationszwecke verkaufen will, bewahrt er die besonders schönen Exemplare in einem Extrakübel auf. „Die schönsten hab' ich aber schon letzte Woche geerntet. Jetzt kommen nur mehr die zum Essen dran“, sagt er. Hat er ein Bündel Mohnkapseln abgeschnitten, werden diese kopfüber über einem Kübel ausgeschüttelt.

Nussiger Weißmohn.

Das funktioniert allerdings nur beim Waldviertler Graumohn, der oben offen ist, sprich Augen hat, wie es hier heißt. Der Weißmohn, der geschmacklich weniger an Mohn als an Nüsse erinnert, hat keine Augen. Bei ihm muss man die Kapsel zerstören, um an die begehrten Körner zu kommen. Der Weißmohn spielt in Armschlag, auch aufgrund der fehlenden Nachfrage, aber nur eine Nebenrolle.

Etwa drei Stunden brauche man, bis ein Kübel voll ist, erklärt Frau Weinmann, während sie in Windeseile einen Bund Mohn schneidet und ausschüttelt. Die Zeitangabe gilt wohl nur für Profis. Anschließend wird der Mohn maschinell in einer großen Putzanlage von Kapsel- oder Blattteilen gereinigt. Zwölf bis 15 Hektar bewirtschaften die Armschläger Mohnbauern. (Insgesamt werden im Waldviertel übrigens 100 Hektar Mohnfelder bewirtschaftet). Im Schnitt liefert jeder Hektar 600 bis 1000 Kilogramm Mohn. „Wir hatten aber auch schon Jahre mit nur 200 Kilo pro Hektar“, sagt Weiß. Heuer schätzt sie die Ernte auf zehn bis zwölf Tonnen. Viel Arbeit sei das, vor allem händisch. Aber immerhin: Eine einzige Kapsel gebe 3000 bis 7000 Körner her. Weit mehr, als Armschlag Einwohner hat.

Mohnzelten

Zutaten: für den Teig: 500g mehlige Erdäpfel (passiert), 450g griffiges Mehl, 450g glattes Mehl, 350g Fett, 250g Sauerrahm, 4 Eidotter, 1 TL Salz, 1 TL Backpulver;
für die Fülle: 750 g Waldviertler Graumohn, 250 g Kristallzucker, 1 EL Vanillezucker, 1 EL Powidl, 4cl Rum, 3/8l Milch, 150g zerlassenes Fett

Zubereitung: Zutaten für den Teig gut kneten (auf einem Brett oder in der Küchenmaschine) und in 30 gleiche Stücke teilen. Zutaten für die Fülle gut verrühren und 30 gleich große Knödel formen (z. B. mit einem Eisportionierer). Teigstücke mit Mohnknödeln füllen, auf ein Blech legen und flach drücken. Bei 180 Grad zehn Minuten backen, umdrehen und weitere zehn Minuten backen.
Rezept vom Mohnwirt Neuwiesinger

Auf einen Blick

Mohndorf: 3525 Armschlag, mohn.at

Mohnwirt: Armschlag 9, 3525 Sallingberg, ✆02872/74 21, mohnwirt.at

Mohnkirtag: 20. 9., ab 10 Uhr, mit Frühschoppen, Volkstanztruppe, Musik, Trachtenmodenschau u. v. m.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Gourmet

Jesuskind mit Mohnschnuller

Mohn hat nicht nur kulinarisch eine Geschichte, sondern auch wegen seiner Wirkung.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.