Weinviertler Schokolade: Von der Bohne bis zur Tafel

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die kleine Manufaktur Zart Pralinen stellt feine Tafelschokolade und Pralinen her. Mittlerweile röstet das holländische Ehepaar Kakaobohnen verschiedener Sorten auch selbst.

Man mag hier vieles vermuten – ein altes Bauernhaus, eine kleine Landwirtschaft oder einen Weinkeller. Aber eine Schokoladenmanufaktur inklusive hübschem kleinen Café, in dem auch belgisches Flaschenbier und Weinviertler Wein ausgeschenkt wird, ist in der kleinen Gemeinde Staatz im nördlichen Weinviertel doch überraschend. Nur ein kleines Schild mit der Aufschrift „Zart“ deutet darauf hin, dass hier – in einem verwunschenen Winkel und im Schatten der Burgruine Staatz – Kakaobohnen aus Tansania, Trinidad oder Sri Lanka zu feinen Tafelschokoladen und Pralinen verarbeitet werden.

„Das ist die Scheune eines alten Bauernhauses“, erklärt Marieke Wijne-Slop, als sie die Tür zu ihrem kleinen Reich öffnet. Vor sieben Jahren ist sie mit ihrer Familie nach Österreich gekommen. Ihr Mann, Emile Wijne, hatte ein Jobangebot in Wien bekommen, also hat sich die Familie im Weinviertel angesiedelt. „Damit für unsere zwei Kinder der Übergang nicht zu schwierig ist, bin ich den ersten Winter zuhause geblieben.“ In ihrer Heimat hat die gebürtige Holländerin eine Hotelfachschule besucht. „Ich habe manche Dinge aus Holland vermisst.“ Zum Beispiel die Schokolade, die die Familie bei Wochenendausflügen in Antwerpen regelmäßig gekauft hat. Irgendwann hat sie dann begonnen, Pralinen selbst herzustellen. So viele, dass sie sie bald in der örtlichen Bäckerei verkaufte. „Ich hatte schon immer mit dem Gedanken gespielt, mich selbstständig zu machen.“

Seit vier Jahren produziert sie nun unter dem Namen Zart Pralinen in ihrer Manufaktur, der auch ein nettes Café angehängt wurde. „Es hat mir hier etwas gefehlt. Ein Platz, wo sich auch Mütter nach der Hausübung mit den Kindern entspannen können. Es sollte etwas anderes sein als ein klassisches Wirtshaus. Die sind auch gut, aber die gibt es hier schon.“ Mittlerweile wird das kleine Café gut angenommen. „Vor allem dann, wenn Einheimische Gäste haben und zeigen wollen, was es im Ort alles gibt.“

Emile Wijne und Marieke Wijne-Slop in ihrem Café
Emile Wijne und Marieke Wijne-Slop in ihrem CaféDie Presse (Clemens Fabry)

Bean-to-bar

Im Sommer hat Wijne-Slop gemeinsam mit ihrem Mann die Produktion erweitert. Jetzt wird in einem kleinen Extraraum, der dank Glastür auch vom Café aus einsichtig ist, produziert. „Jeden Tag außer Montag“, sagt sie. Aber nicht nur räumlich hat sich etwas getan. Seit Sommer röstet Emile Wijne auch selbst Kakaobohnen und stellt somit das Ausgangsprodukt her, das seine Frau zu Tafelschokolade und Pralinen verarbeitet. Die kleine Manufaktur hat somit als eine der wenigen (neben Zotter) auf bean-to-bar umgestellt. Das bedeutet, dass die Produktion von der Bohne weg bis zur fertigen Tafel unter einem Dach passiert. Davor hat Wijne-Slop mit Qualitätskuvertüre aus der Schweiz gearbeitet. Der Großteil der Produktion wird immer noch so hergestellt. „Wir wollen die ganze Produktion auf bean-to-bar umstellen, aber das ist ein langer Prozess, das dauert sicher zwei Jahre.“

Die Kakaobohnen, die Wijne verarbeitet, stammen aus Tansania, Trinidad, Sri Lanka, Ecuador oder Madagaskar. „Das ist alles direct trade, damit der Bauer einen fairen Preis bekommt und auch die nächsten Generationen noch so arbeiten können“, erklärt Wijne. Nachhaltigkeit sei den beiden ebenso wichtig wie die Vielfalt des Kakaos. „Es gibt viele Ähnlichkeiten mit den Winzern. Da ist auch die Sorte, der Boden und die Saison für den Geschmack wichtig. Kakao der gleichen Sorte aus Trinidad, Tansania und Sri Lanka hat einen ganz unterschiedlichen Geschmack“, sagt Wijne-Slop.

An guten Tagen produziert sie 500 Pralinen und 200 Tafeln Schokolade. „Wir sind aber eine kleine Manufaktur. Ich brauche 600 bis 800 Kilo Kuvertüre im Jahr. In einer großen Schokoladenfabrik ist ein einzelner Behälter so groß“, sagt Wijne-Slop und führt in den kleinen Produktionsraum.

Nachdem ihr Mann die Kakaobohnen geröstet hat, werden sie gemahlen. Dabei tritt das Fett aus der Kakaobohne. „Dann kommt die Masse in die Conchiermaschine, da wird sie erwärmt und so lange gerührt, bis sie geschmeidig ist“, erklärt Wijne. Zwischen 20 Minuten und 74 Stunden kann die Masse in der Conche, wie die Maschine auch genannt wird, bleiben. „Dadurch wird sie geschmeidiger. Wir lassen sie immer mindestens 24 Stunden in der Conche. Ich verstehe, wenn das jemand nicht tut, da steckt viel Arbeit dahinter, aber das ist eben unsere Leidenschaft.“ Die Sorte bestimmt, wie lange die Masse gerührt werden muss. „Es kann sein, dass sich eine gewisse Note noch nicht richtig entfaltet hat. Manchmal schmeckt sie anfangs noch fruchtig und sauer und erst später so richtig schokoladig.“ Während große Hersteller vorwiegend eine Sorte (nämlich Forastero) verwendeten und darauf hinarbeiteten, dass die Schokolade immer gleich schmecke, stehe bei den beiden die geschmackliche Vielfalt der Sorten im Vordergrund. „Ich will nicht sagen, dass das eine gut und das andere schlecht ist, aber wir arbeiten eben so“, sagt Wijne-Slop.

Richtige Kristallform

Beim nächsten Schritt ist ihr Fingerspitzengefühl gefragt. Nach der Conche muss sich die Schokolade „erholen“ und temperiert werden. Wijne-Slop macht das händisch, indem sie die Schokolade auf eine Marmorplatte gießt und hin- und herbewegt. Die zugekaufte Kuvertüre, die zu Pralinen verarbeitet wird, kommt in eine Temperiermaschine. „Die Temperatur ist wichtig für die Kristallstruktur. Kakaobutter hat sieben Kristallformen, und nur eine will ich haben, damit sie schön glänzt und den richtigen Knack bekommt.“ Wijne-Slop nimmt einen Teelöffel zur Hand und macht eine Probe. „Wenn die Schokolade auf dem Löffel trocknet und keine Flecken oder Streifen hat, dann kann ich sie verarbeiten.“ Also nimmt sie eine Pralinenform, befüllt diese mit der Schokolade, schlägt sie ein paar Mal heftig auf den Tisch – „damit die Luftbläschen hinauskommen“ – und schüttet die Schokolade wieder zurück. Die dünne Schicht, die in der Form zurückbleibt, lässt sie über Nacht trocknen. Erst am nächsten Tag kommt die Füllung hinein und anschließend noch eine Schicht Boden darauf. „Das ist sehr arbeitsintensiv, aber es ist eine schöne Arbeit, fast wissenschaftlich“, sagt Wijne-Slop und strahlt. Ihr Mann lächelt und ergänzt: „Der Stolz des Chocolatiers ist, dass alles glänzt.“

Auf einen Blick

Das holländische Ehepaar Marieke Wijne-Slop und Emile Wijne produziert unter dem Label Zart Pralinen im Weinviertel Pralinen und Tafelschokoladen. Erhältlich sind die Produkte im eigenenCafé (Burgring 17, 2134 Staatz; Mi, Fr, Sa sowie jeder erste und dritte So im Monat, 14 bis 18 Uhr) sowie in diversen Feinkostläden, z. B. Zum Schwarzen Kameel oder Kaas am Karmelitermarkt.
www.zartpralinen.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2015)

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