Der große Druck auf die Spitzenköche

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Der französische Küchenchef Benoît Violier nahm sich am Sonntag das Leben. Sein Restaurant im schweizerischen Crissier wurde erst kürzlich zum besten Lokal der Welt gekürt.

Wien. Am Sonntag wurde der französische Spitzenkoch Benoît Violier tot aufgefunden. Laut der Schweizer Polizei dürfte sich der 44-Jährige in seiner Wohnung in der Schweiz erschossen haben. Violiers Drei-Sterne-Restaurant L'Hôtel de Ville in Crissier nahe Lausanne wurde erst kürzlich von der französischen „La Liste“ zum besten Restaurant der Welt gekürt.

Am Montag wurde in Frankreich die neue Ausgabe des „Guide Michelin 2016“ gefeiert. Der Starkoch Alain Ducasse (Plaza Athénée, Paris) hat sich seinen dritten „Michelin“-Stern zurückerobert und „Guide Michelin“-Chef Michael Ellis freute sich darüber, dass ein Drittel der 380 neuen, ausgezeichneten Restaurants aus Paris kommt.

Selbst wenn diese beiden Meldungen – zumindest auf den ersten Blick – nichts miteinander zu tun haben, machen sie deutlich, wie beinhart die Spitzengastronomie sein kann. Und auch wenn Violiers Gründe – der Familie ist es zu wünschen – nicht an die Öffentlichkeit gelangen, rückt die traurige Nachricht doch ein Thema in den Vordergrund: Die hohe Belastung und den Druck in der Spitzengastronomie, der auch durch zahlreiche Gourmet-Guides, inklusive Sterne, Hauben und Punkte, verstärkt wird.

„Brutal im Bewerten“

Der österreichische Spitzenkoch Heinz Reitbauer, der mit Violier ein paar Mal beruflich zu tun hatte, sagt: „Ich kannte ihn persönlich nicht gut, aber er war ein sehr sympathischer Mann. Die Nachricht ist erschütternd.“

Hinsichtlich der Belastung in der Spitzengastronomie verweist Reitbauer darauf, dass es diese in jeder Branche – etwa auch im Spitzensport – gebe. In dieser Liga zu kochen, sei „kein Job, sondern eine Lebenseinstellung“, so Reitbauer. „Man hängt sein Herz hinein. Wenn man sich nicht verstanden fühlt und sich ungerecht beurteilt sieht, schmerzt das persönlich sehr.“ Er ortet generell einen Hang zum schnellen und nicht immer gerechten Urteilen in der Öffentlichkeit. „Wir sind auch alle Fußballtrainer oder Experten beim Skifahren. Da ist jeder ziemlich ähnlich. Wir sind brutal im Bewerten, vergessen dabei aber die außergewöhnliche Leistung des Einzelnen.“

Die internationale Spitzengastronomie zeigte sich am Montag über den Verlust des Kollegen erschüttert. Paul Bocuse würdigte ihn via Twitter als „großen Koch, großen Mann und gigantisches Talent“.

Nicht der Erste

Benoît Violier hat 2012 gemeinsam mit seiner Frau Brigitte die Führung des Restaurants L'Hôtel de Ville übernommen. Sein Vorgänger, Philippe Rochat, ist übrigens mit nur 61 Jahren an den Folgen eines Fahrradunfalls gestorben.

Violier erkochte für L'Hôtel de Ville drei „Michelin“-Sterne (die höchste Auszeichnung), sowie 19 von 20 „Gault Millau“-Punkten. Außerdem wurde er vom „Gault Millau“ zum Koch des Jahres 2013 gekürt. Erst im Dezember 2015 wurde sein Restaurant von „La Liste“ zum besten der Welt gekürt. Damals meinte er: „Das ist wundervoll für uns. Dieses Ranking wird unsere Motivation noch weiter erhöhen.“ Die französische „La Liste“ wurde übrigens vom französischen Außenministerium ins Leben gerufen, um der – auch in der medialen Präsenz führenden – britischen Bewertung „World's 50 Best Restaurants“ Konkurrenz zu bieten.

Violiers Suizid weckt Erinnerungen an einen ähnlichen tragischen Fall. 2003 hat sich der französische Koch Bernard Loiseau (52) mit seinem Jagdgewehr erschossen. Loiseau, Patron des Côte d'Or in Saulieu, nahm sich offenbar das Leben, weil ihn der „Gault Millau“ von 19 auf 17 Punkte hinabgestuft hatte und er – nach Gerüchten in „Le Figaro“ – fürchtete, seinen dritten „Michelin“-Stern zu verlieren. Der Verlust dieses Sterns blieb allerdings ein Gerücht. Loiseau hätte die drei Sterne erneut verliehen bekommen. (ks/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2016)

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