Wo die veganen Cevapcici herkommen: der wachsende Heißhunger auf Fleischersatz

Lukas Weiss ist in der Sojarei für das Qualitätsmanagement zuständig. Hier werden vegane Bällchen, faschierte Laibchen sowie Tofu produziert.
Lukas Weiss ist in der Sojarei für das Qualitätsmanagement zuständig. Hier werden vegane Bällchen, faschierte Laibchen sowie Tofu produziert.Die Presse
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Die Nachfrage nach Fleischersatzprodukten steigt. In der Sojarei kommt man mit dem Produzieren von veganen Cevapcici, faschierten Laibchen oder Schnitzel kaum nach.

Leicht ist es nicht, in jene Hallen vorzudringen, in denen Würstel, Cevapcici, faschierte Laibchen oder Schnitzel in der vegetarischen oder veganen Variante produziert werden. Das fängt schon allein damit an, einen Produzenten von Fleischersatzprodukten zu finden, der sich bei der Arbeit über die Schulter schauen lässt. Der Markt sei heiß umkämpft, die Konkurrenz schlafe nicht, und man wolle lieber nicht öffentlich machen, wie die vegane Wurst produziert wird, lautete bei den meisten Herstellern die Antwort.

Die Sojarei im niederösterreichischen Traiskirchen, die seit 1984 Tofu und diverse pflanzliche Fertiggerichte produziert, hat sich hingegen bereit erklärt, Einblicke in die Produktion von der Sojabohne – oder eben vom Weizenkleber – weg zu geben. Wobei auch hier ein paar Barrieren auf die Besucher warten, um in die heiligen Hallen vorzudringen. Ohne Schutzanzug von Kopf bis Fuß und Desinfektionsschleuse darf die Produktionsstätte nicht betreten werden. Ist diese der Lebensmittelhygiene geschuldete Barriere einmal überwunden, wird es schnell einmal laut und warm. In der einen Ecke verarbeiten zwei Mitarbeiterinnen einen Teigblock zu Seitanschnitzel, im hinteren Teil werden lange Teigstangen maschinell mittels Guillotine zu Cevapcici geschnitten und in ein Bad aus heißem Sonnenblumenöl transportiert, und im hinteren Teil der Produktionsstätte lagern unzählige Sojabohnen in großen Wassertanks, damit sie sich nach einer Einweichzeit von zehn Stunden zu Sojamilch verarbeiten lassen, aus der später Tofu gemacht wird. Ein Blick auf den Boden macht schnell deutlich, dass so eine Tofu- oder Seitanproduktion viel Wasser braucht. Überall fließt Wasser ab, das in die dafür vorgesehene Schienen im Boden versickert.

„Die Hauptproduktion ist natürlicher und geräucherter Tofu, es wird täglich produziert. Laibchen, Falafel und Cevapcici wechseln sich ab, sie werden nur alle zwei, drei Tage produziert“, sagt Lukas Weiss, der in der Sojarei für das Qualitätsmanagement zuständig ist. Er hat auch gleich ein paar Zahlen parat, die belegen, dass der Betrieb zu den europaweit größeren Playern in diesem Segment gehört, auch wenn das die Größe der Produktionshalle nicht gleich vermuten lässt. Vier bis fünf Millionen Packungen Tofu werden pro Jahr verkauft, 650 Tonnen Sojabohnen werden hier jährlich verarbeitet. Der Großteil der Produkte wird allerdings als Private-Label-Produkte geführt, sprich für Großkunden wie Rewe, Spar, DM, Alnatura, M-Preis oder Rossmann produziert. Nur etwa 15 Prozent werden unter den Eigenmarken Sojarei und Feel Good verkauft.

Konkurrenz durch Fleischer

Wir arbeiten komplett ohne E-Nummern, gentechnikfrei und biologisch“, sagt Weiss. Schnell wird deutlich, dass man hier auf die Biozertifizierung besonders stolz ist und sich von konventionellen Mitbewerbern und jenen, die erst kürzlich auf den Trend aufgesprungen sind, abheben will. Von Fleischereien, die die Konkurrenz durch vegane oder vegetarische Wurst spüren und deren Produktion lieber selbst übernehmen, distanziert man sich ebenso. Sojarei-Geschäftsführer Ernst Ternon sträubt sich zwar gegen das Wort Fleischersatzprodukte – „das sind kreative Nahrungsmittel ohne Blut und Tränen.“ Er bestätigt aber, dass diese in den letzten drei Jahren einen Boom erfahren haben. „Fleischereien spüren, dass ihnen da ein Umsatz entgeht – und wollen ihn nicht den ,veganen Fritzen‘ überlassen“, sagt Ternon, der selbst Flexitarier ist, sprich selbst sehr wohl Fleisch isst, aber eben nicht nur und nicht immer.

Der Hauptrohstoff, nämlich die Sojamilch, wird in der Sojarei selbst hergestellt. Die Sojabohnen dafür werden von burgenländischen Biobauern geliefert und quellen anschließend in den eingangs erwähnten Wassertanks. Danach werden sie in die Vermahlungsstation transportiert. „Diese haben wir gemeinsam mit taiwanesischen Herstellern entwickelt. Es war gar nicht so einfach, ihnen zu erklären, dass die Maschine so beschaffen sein soll, um später härteren Tofu aus der Sojamilch zu produzieren. In Asien gilt ja weicher Tofu als der beste“, erklärt Weiss. Die Temperatur der Sojamilch hat nämlich Auswirkungen auf die Tofuqualität beziehungsweise die Art des Tofus, den man damit herstellen wird.

Die fertige Sojamilch wird hier nicht abgefüllt – sie würde sich ob der groben Filterung auch nicht als Getränk eignen –, sondern direkt in ein Tofukarussell transportiert, das ein bisschen an die Käseproduktion erinnert. Auch hier wird – nachdem die Sojamilch mit dem Gerinnungsmittel (Kalziumsulfat) vermengt wurde – der spätere Bruch geschnitten. Der fertige, gepresste Tofu wird anschließend in Wasserbecken gekühlt, damit er nicht oxidiert.

Okara, ein Nebenprodukt, das bei der Sojamilchproduktion anfällt – sozusagen der Rückstand der Sojabohne –, wird in der Sojarei gleich weiterverarbeitet. Es kommt bei den Convenience-Produkten wie Cevapcici, Falafel oder bei Bratlingen zum Einsatz. Was dann immer noch über ist, wird an einen Landwirt weitergeben, der es – ähnlich wie die Molke bei der Käseproduktion – an seine Schweine verfüttert. Die restlichen Zutaten der Fertigprodukte – bei den Cevapcici sind es etwa Gewürze, Dinkel, Tiefkühlgemüse, Kartoffelflocken und diverse Mehle – werden in einer Vorküche vorbereitet. In der Produktionshalle werden schließlich die Zutaten in eine Art überdimensionale Küchenmaschine gekippt. Dort werden sie etwa zehn Minuten lang gerührt. Danach kommt die Masse in den Abfüller, in der sie mittels Mini-Guillotine geschnitten und zu Cevapcici oder eben Bällchen geformt wird. Diese kommen anschließend in die Frittierstraße. Nach dem Auskühlen werden sie verpackt und etikettiert.

Über mangelnde Nachfrage kann man sich in der Sojarei nicht beschweren. „Es haben alle so viel zu tun, niemand kommt nach, um den Markt zu befriedigen“, sagt Ternon. Er sieht das Potenzial längst nicht ausgeschöpft. In Kürze bringt er Seidentofu auf den Markt. Auch am nächsten Produkt wird hier schon gearbeitet. Aufgrund der Allergien (auch gegen Sojabohnen) werde derzeit an einem Tofu-Ersatzprodukt gearbeitet. Wie genau das funktioniert, sei aber wirklich noch geheim.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2016)

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