Eis und Erinnerung: Der Geschmack eines Sommers

Ein Sommer wie früher.
Ein Sommer wie früher. Die Presse/Marin Goleminov
  • Drucken

Wir bekommen Stachelbeer-Apfel-Joghurts als Sommeressen präsentiert, erinnern uns aber lieber an die fettigen Pommes im Bad. Jedes Jahr versucht uns die Lebensmittelindustrie zu erklären, wie der Sommer schmeckt.

Jedes Jahr versucht uns die Lebensmittelindustrie einzureden, wie der Sommer schmeckt. Etwa nach Brombeer-Joghurt- oder Zitronen-Buttermilch-Schokolade. Nach Stachelbeer-Apfel- oder Mango-Joghurt. Je nachdem, was gerade im Kühlregal an Sommerprodukten ganz vorn steht. Immerhin soll zumindest der Name leicht klingen, wenn es die eigentlichen Produkte dann doch nicht sind. Schokolade hat, egal, ob im Sommer oder Winter, viele Kalorien.

Kotelett statt Salat

Aber Sommer, das ist in unsere Köpfen die Zeit des leichten Essens im Jahr. Das stimmt so nicht ganz. Zwar können viele an heißen Tagen nicht viel essen. Wenn es abends dunkel (und kühler) wird, dann ist der Leicht-Essen-Modus aber schnell wieder dahin. Vergessen sind die Salate, dafür bedienen wir uns an fettigen Koteletts, die die Freunde auf den Griller legen. Wer an Sommer denkt, der hat oft auch den rauchigen Geruch von über Feuer gebratenem Fleisch in der Nase.

Der Vorsatz, die schlanke Figur zu halten, ist spätestens mit dem Desserteis dahin. Eis im Wert von 310,6 Millionen Euro vertilgten die Österreicher übrigens im Jahr 2010. Und das war noch ein schlechtes Ergebnis im Vergleich zum Jahr davor. Vielleicht ist es angelernt. Der Sommer, der schmeckt nämlich nach dem, wie es früher war. Und früher war alles erlaubt. Da gab es fettige, heiße Pommes im Freibad (weil das Wasser ja besonders hungrig machte), Schokolade-, Erdbeer- und Vanilleeis im Garten, Bananensplit für die Erwachsenen und noch Unmengen an Eiskaffee. Besser war nur noch der Urlaub in Italien, wo die Diät zwischen Pizza, Spaghetti, Pizza, Spaghetti wechselte. Die mediterranen Kinder unter uns aßen 14 Tage lang Fischstäbchen. Der Kampf um die Verteilung des Twinni-Eisschleckers (siehe rechts) war sowieso in so gut wie jedem Haushalt mit Kindern legendär.

Wiederholung

Im Sommer durfte nämlich jeder haben, was er wollte, und ob sich die Speisen wiederholten, war irgendwie auch egal. Acht „Presse am Sonntag“-Redakteure haben nun überlegt, was damals (und manchmal auch noch heute) an Sommeressen in ihre Kindermünder fand. Das Ergebnis? Trotz Klassiker wie Pommes und Twinni hat der Sommer für jeden einen ganz eigenen Geschmack. (win)

Klebrige Hände im Freibad

Die Sommerferien verbringen wir im Schwimmbad, und dort essen wir Pommes aus Papptellern. Die Hände sind klebrig, die Lippen schmecken noch lang nach Salz.

Der Sommer riecht leicht ätzend nach Sauberkeit. Auf die in der sengenden Sonne heiß gewordenen Steine rund um das Schwimmbecken haben sich die Kinder zum Trocknen hingelegt – es ist nur eine kurze Pause! –, und mit dem Wasser, das in vielen kleinen Wellen an den Beckenrand schwappt, weil die anderen Kinder kreischend Ball im Pool spielen, gelangt der Chlorduft in die kleinen Nasen. Der Sommer riecht unabänderlich nach Chlor, und dem schweren Duft von Nässe auf heißem Steinboden, ähnlich einem Sommerregen im Asphaltdschungel.

Eigentlich hat alles im Schwimmbad den Geruch des Sommers, weil sich hier bis auf das Schlafengehen die kompletten Schulferien abspielen. Die Eltern schmückt ausnahmsweise eine lässige Entspanntheit, ihr Besorgtsein wird auf ein paar Sätze reduziert: Hast du Hunger? Pass auf deinen Bruder auf! Der Bruder entwischt einem dauernd, eh klar, das ist wie ein Naturgesetz. Das Schwimmbecken bleibt glücklicherweise groß genug für einen Familienüberblick.

Der Sommer im Bad riecht auch nach Gras, hier liegt man ja abwechselnd zur Steinplatte. Es ist aber nicht der Duft des Spätfrühlings, wenn die Nachbarn ihre Gärten stutzen und damit eine schneidende Frische freisetzen. Das Hochsommergras im Freibad ist trocken, heuähnlich. Oftmals haben die Hitze und das viele Liegen große Flächen in honigbraune Wiesen umgewandelt. Hier riecht die Erde noch eine Spur erdiger. Die Eltern – sie übernehmen in den Erinnerungen an die Schwimmbadsommer nur eine Statistenrolle – haben uns Wassermelone eingepackt, Trauben, Bananen. Das alles wollen wir aber nicht essen, wir wollen Pommes, Pomfritz, wie es im Sommerslang heißt.

Rillenmuster. Nirgendwo schmecken Pommes so gut wie im Freibad. Nirgendwo. Wir stellen uns an der Theke im Stil der 1970er-Jahre an, der Badeanzug klebt noch feucht am kleinen Körper. Die Kassierin muss sich beugen, und wir stehen auf Zehenspitzen: Drei Pomfritz bitte! Man streckt ihr die fünfzig Schilling hinauf und wartet ungeduldig am Thekenrand, die Geschwister quengeln, der Hunger ist groß nach dem ganzen Wahnsinn im Wasser. Auf einem orangefarbenen Tablett reicht sie uns die nach Fett riechende Leibspeise hinüber, in ovalen Papptellern, die am Rand ein Rillenmuster haben.

Dieser Kinderappetit des Sommers ist unübertroffen. Wir stürzen uns auf die Pommes, beißen einmal hinein und lassen den Mund eine Weile offen stehen, weil zu heiß. Einzeln werden Kartoffelstreifen in Ketchup getunkt, die Hände werden schmierig und salzig, und nach dem Essen schlecken wir uns die Finger ab, aber ein dünner Fettfilm bleibt. Mit den klebrigen Kinderhänden tragen wir das restliche Münzgeld zurück. Wie ein Klumpen liegen die Pommes im Magen. Die Lippen schmecken noch lange nach Salz. Mama sagt, man solle sich eine Weile ausruhen, aber der Bruder ist wieder irgendwo und hinten rufen schon die anderen. (DUÖ)

Die Mumie aus dem Rucksack

Die Extrawurstsemmel musste erst unter Sonnenstrahlen im Freibad heranreifen, ehe sie am Abend die richtige Konsistenz hatte.

Ans Essen dachte nur die Mutter. Und ja, pflichtschuldig wanderte die Extrawurstsemmel eben in den Rucksack. Eingepackt in Alufolie – oder in Frischhaltefolie. Warum einmal die, das andere Mal die andere, wer weiß schon, warum? Im Freibad spielte es ohnehin keine Rolle. Oft isst man ja aus Langeweile, doch genau die gab es nicht. Anstellen bei der Rutsche, Springen vom Dreimeterbrett, mit den kleinen Boxen am Walkman das neue Metallica-Album hören – bei „Nothing Else Matters“ sangen plötzlich auch die mit, die sonst zu Dr. Alban seltsame Tänze aufführten. Dazwischen Fußball auf der Wiese, ein Paar Schuhe als Tor. Wer denkt da schon an das Gebäck, das in der Früh mit Butter beschmiert und mit ein paar Blättern Wurst gefüllt wurde?

Erschöpft, zerzaust, schrumpelig. Wie sehr man nach dem Tag im Bad dem Ding ähnelte, das man am Abend aus dem Rucksack zog. Die Semmel hatte eine Transformation hinter sich, vom knusprigen Stück Gebäck zu einer flach gedrückten Mumie. Als hätte sie sich ein paar Mal gemeinsam mit vom Sprungturm ins Wasser gestürzt. Und doch war da dieser Heißhunger, das erschöpfte Fühlen der Seelenverwandtschaft mit diesem labbrigen Stück formerly known als Wurstsemmel. Und dann der Biss hinein – es krachte nicht, es quietschte. Es war perfekt. Viel mehr Sommer ging nicht – Wurstsemmel, l'estate e tu. (EKO)

Zechbernblaue Zungen

Heidelbeerdatscherln sind am besten, wenn die Beeren von der Oma gesammelt wurden. Und dann der Kristallzucker!

Die dialektalen Grenzen innerhalb Österreichs scheinen schier unüberwindbar, wenn es um den Geschmack des Sommers geht: Der schmeckt nämlich nach Zechberndatscherln. Alles klar? Eine kurze Recherche ergibt eine Reihe anderer Namen für die Köstlichkeit: Schwarzbeernocken oder Heidelbeerdatschi, die deutschen Nachbarn nennen sie klarerweise Pfannkuchen, Blaubeerpfannkuchen. Eine Freundin aus Oberösterreich kennt die kleinen Palatschinken als Heidelbeertod, was auch ziemlich gut passt, weil pro Datscherln viele, viele Beeren ihr Leben lassen. Und weil sie tödlich gut sind.

Zentral für die Zechberndatscherln war stets die Oma. Die zum Zechbernbrocken (also: Heidelbeerpflücken) in den Wald fuhr, um dort mit einer Art Kamm die Beeren von den Sträuchern zu streifen. Mit Kulturheidelbeeren wären die Datscherln nämlich nur halb so gut. Und nur halb so lustig. Denn nur Waldheidelbeeren färben die Zunge zu schön dunkelblauviolett, was zumindest als Kind eine der Hauptmotivationen war, sich immer noch ein Datscherln auf den Teller zu holen. Neben dem süßsauren Geschmack natürlich, dem von ordentlich Butterschmalz knusprigen Teig. Und dem Kristallzucker, der zwischen den Zähnen knirscht! Man müsste den Heidelbeerkamm aus dem Keller holen. Vielleicht bäckt ja die Oma dann noch einmal ein paar Datscherln heraus. (BEBA)

Das halbe Twinni

Wie schmeckt der orangefarbene Teil des Eises? Eine spannende Frage für jemanden, der als Kind stets die grüne Seite bekam.

Kaum etwas schmeckt so sehr nach Sommer wie der Genuss eines Eises. Das war schon in Kindheitstagen so. Sicher, so große Schlecker wie ein Magnum gab es damals noch nicht. Doch von Plattfuß, Langfinger bis zur damaligen Königsklasse Cornetto war das Sortiment in den heimischen Schwimmbädern breit gefächert. Dumm nur, dass man ein Kind war. Und somit noch darauf angewiesen, dass die Erwachsenen das Eis zahlten. Und dass man eine Schwester hatte, mit der man nur zu oft etwas teilen musste. Also fiel die Wahl des Eises regelmäßig auf das Twinni. Ich bekam stets die grüne Seite, die Schwester die orangefarbene. Warum, das weiß man nicht so genau. Irgendwann in der Urzeit der Kindheit muss diese Farbeneinteilung festgelegt worden sein. Vielleicht hat Grün einfach farblich besser zum Buben und Orange zum Mädchen gepasst. Die geschlechterneutrale Farbenlehre war damals noch nicht so besonders verbreitet.

Hinterfragt wurde dieses System jedenfalls nicht. Doch je älter man wurde, desto mehr stellte man sich die großen Fragen der Menschheit. Woher kommen wir, wohin gehen wir, und vor allem: Wie um alles in der Welt schmeckt eigentlich der orangefarbene Teil des Twinnis? Als man endlich alt genug war, um selbst Taschengeld zu bekommen, musste das Geheimnis gelüftet werden. Tatsächlich hatte es eine gewisse Faszination, nun ein ganzes Twinni für sich allein zu haben. Diesen vertrauten grünen Geschmack mit dem überraschend neuen orangen kombinieren zu dürfen. Überlegen zu können, welche Hälfte man zuerst konsumiert. Oder ob man als echter Twinni-Feinschmecker gar abwechselnd abbeißt. Irgendwann verflog die Faszination des Twinnis wieder. Wenn ich heute ein kleines Eis haben möchte, kaufe ich mir lieber ein Brickerl. Das schmeckt nämlich eigentlich viel besser. Und das Tollste: Ein Brickerl kann man auch nicht teilen. (ICE)

Orange und duftig

Großfamilie, Atlantik, Thymianduft und Hitze. Warum Zuckermelonen an den französischen Sommer erinnern.

Orange und duftig – irgendwann lag sie zum ersten Mal auf meinem Teller, beim Familienessen im Urlaub. Ich mochte sie nicht, noch lang nicht; aber da wir als Kinder zumindest in kleinen Mengen essen mussten, was auf den Teller kam, bekam sie immer wieder eine Chance. Und irgendwann liebte ich sie, verschmolz ihre Süße für mich mit dem salzigen Geruch der Meerluft und französischen Sommern.

In Österreich war die Zuckermelone in unserer Familie noch längere Zeit tabu, wie fast alles nicht einheimische Obst. Wohl deswegen schmeckt sie für mich bis heute nach Ferien, Essen im Freien, Großfamilie, Atlantik, Thymianduft und Sommerhitze. Und zwar auch dann, wenn ich sie in meiner Wohnung in Wien mit Prosciutto mit einem Glaserl Veltliner genieße. Im Österreich der Achtzigerjahre waren Zuckermelonen noch eher exotisch, in Frankreich selbstverständlich. Was mir Verwandte erst viel später erzählten: Ludwig XIV. liebte sie und viele Könige vor ihm, und schon in der Renaissance wurde sie in der Nähe der französischen Papststadt Avignon angebaut. Nach einem ihrer früheren Hauptanbaugebiete im Westen des Landes nennen die Franzosen ihre meistverbreitete Zuckermelonensorte Charentais-Melone, obwohl sie heute vor allem aus dem Südwesten und Südosten und aus dem Loire-Tal kommt.

Wie die Melonen, nach dem griechischen Wort für „große Äpfel“ benannt, am Hof des Sonnenkönigs wohl schmeckten? Auf jeden Fall bei Weitem nicht so süß wie heute. Bei den alten Römern wurden sie noch mit Essig und Pfeffer gegessen, die Süße kam erst im Lauf der Jahrhunderte. Genau das also, was die Zuckermelone heute ausmacht. Und die Wassermelone, die für viele der Inbegriff des Sommerobstes ist? Sie war's auch für mich, bevor die orangefarbene Verwandte sie verdrängte. Zuckermelone? „Igitt!“, sagen meine Kinder jedes Mal. Und ich denke mir: Wartet nur ab. (SIM)

Zwischen Rinderhälften

Warum Spätzle nicht gleich Spätzle sind – und was ein Achtjähriger davon hat, durch den Schlachthof zu spazieren.

Wenn sich der Dreikäsehoch aus dem fernen Linz angesagt hatte, dann wusste meine schwäbische Großmutter genau, was von ihr erwartet wurde: Spätzle. Außerdem noch: Spätzle. Ergänzt allenfalls durch: Spätzle. Damit wir uns richtig verstehen: Die Rede ist hier nicht von amorphen Klumpen, die aus einer Reibe tröpfeln, oder von anorektischen Fäden, die sich aus einer Presse ziehen, sondern von händisch vom Brett geschabten Einzelstücken, jedes quasi ein Kunstwerk, das sich, mit reichlich Butter versehen, an den Gaumen schmiegt. Mehr als 20 Jahre Später nötigte ich meine Mutter, mit mir zu üben, bis die Technik perfektioniert war, um diesen Kindheitsgeschmack fortan jederzeit selbst herbeizaubern zu können.

Den ganzen Sommer bei der Großmutter in Deutschland zu verbringen, das klingt zunächst nicht rasend originell. Doch waren wir die meiste Zeit über zu zweit, und dem Enkel kulinarische Wünsche abzuschlagen, vor allem wenn man ihn so selten sieht, das ging gar nicht. Außerdem war da noch Herr Alber. Er hatte die einst vom Großvater aufgebaute Metzgerei übernommen – und so kam ich im Alter von etwa acht Jahren zu meinem ersten Praktikum: Würste abfüllen, zum Räuchern auf Stangen hängen, dem Chef mit einem Schweinsohr in der Hand nachjagen – es gab nichts Aufregenderes. Außer vielleicht, mit Herrn Alber in den Schlachthof zu fahren. Dort lernte man nicht nur allerhand nicht notwendigerweise jugendfreie Wörter, sondern auch, dass es das Normalste ist, zwischen Rinder- und Schweinehälften durchzuspazieren. So eine Wurst, die kommt ja nicht aus dem nichts. Und sie schmeckte plötzlich ganz anders, wenn man die gesamte Metamorphose vom geschlachteten Tier bis zur Bratwurst nicht nur mitverfolgt, sondern auch mitgestaltet hatte. Das Bonmot, bei einer Zeitung und einer Wurst sei es besser, über die Entstehung nichts zu wissen, ist für mich jedenfalls falsifiziert. Auch für die Zeitung, natürlich. (hd)

Monsterwellen – bis zur Hüfte

Wer ernsthaft die Frage stellt, wonach denn der Sommer schmeckt, war noch nie länger unter Wasser, als im lieb war.

Was eine mannshohe Welle ist, hängt ja nur zum Teil von der Welle ab. So sind das schon echte Brecher, die da in regelmäßigen Abständen auf unseren gerade 120 Zentimeter großen Körper einstürzen. Je nachdem, wo wir die Welle, oder besser die Welle uns, erwischt, sind die Auswirkungen ganz unterschiedlich: Einmal bekommen wir eine nasse Freifahrt Richtung Ufer spendiert, dann wieder finden wir uns in weißer Gischt (ja, hier passt das Wort endlich einmal wirklich) wieder, es blubbert und sprudelt rundherum wie sonst nur im Thermalbad.

Manchmal aber verlieren wir die Kontrolle, werden vorübergehend lebendig – und das ist gar nicht übertrieben – begraben. Kommen zuerst hart auf dem sandigen Untergrund auf, spüren den von an- auf ablandig wechselnden Sog in den Ohren, merken plötzlich, wir sollten dann bitteschön bald einmal an die Oberfläche zurück, um Luft zu holen, werden aber einen beängstigenden Moment zu lang von einer nicht verhandlungsbereiten Kraft zurückgehalten. Sind wir schließlich doch oben angelangt, um mit weit geöffnetem Mund nach Luft zu schnappen, bricht gerade die nächste Welle, die uns wieder unter Wasser drückt. Da ist es schon gut, wenn jemand in der Nähe ist, dem die mannshohen Monsterwellen gerade bis zur Hüfte gehen. Ach ja: Der Sommer schmeckt nach Salzwasser. Wonach sonst? (Fa)

Sonnencreme und Sand

Obst, das in der Badetasche weich und sandig geworden ist und ein bisschen nach Sonnencreme schmeckt.

Die Sommer meiner Kindheit waren zweigeteilt. Zuerst kam das Ferienlager im Salzkammergut, in dem ich mitunter freiwillig bis zu sieben von neun Ferienwochen verbrachte. Ich wäre auch noch länger geblieben, wenn das möglich gewesen wäre. Danach der Familienurlaub an der Côte d'Azur, an der Algarve oder der Costa Brava. Das Ferienlager schmeckte nach Großküche, also nach Grillwürstel mit Pommes frites, Schnitzel und Spaghetti Bolognese. Wobei sich die Qualität im Lauf eines Jahrzehnts (es waren die 1990er-Jahre) und dank eines Wechsels des Küchenchefs beinah auf Haubenniveau steigerte.

Die Badetage an Europas Stränden, die schmeckten nach riesengroßen, viel zu warm gewordenen Pfirsichen und Nektarinen, die so saftig waren, dass die Hand beim Hineinbeißen unmöglich trocken bleiben konnte. In der Badetasche waren die Früchte mit Sicherheit schon ein wenig mit Sonnencreme in Berührung gekommen, und nicht selten spürte man es beim Hineinbeißen leise knirschen. Vor allem an der windigen Algarve nahm man beim Jausnen am Strand immer auch ein wenig Sand mit. Man aß den dritten Pfirsich, den zweiten Apfel, um den Hunger zu stillen. Man hätte auch nach Hause gehen können, aber man wollte doch jeden Sonnenstrahl und die Abendstimmung am fast leeren Strand ausnützen. Bevor es wieder heim nach Wien und in den Herbst ging. (Awa)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.