Von sauren Gurken, Senf und Essig

Robert Lutz stellt in Gumprechtsfelden, nahe Wieselburg, Essig- und Senfgurken her.
Robert Lutz stellt in Gumprechtsfelden, nahe Wieselburg, Essig- und Senfgurken her.Die Presse/Clemens Fabry
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Weil der Wiener Sauerkrautler in Pension gegangen ist, stellt Robert Lutz nun selbst Essig- und Senfgurken her. Der niederösterreichische Betrieb arbeitet seit 1978 biologisch.

Es rennt der Schmäh. Ein halbes Dutzend Frauen schlichten im Akkord Gurken in große Einmachgläser und plaudern. „Guten Morgen. Ihr werdet jetzt fotografiert“, sagt deren junger Chef, Robert Lutz, der unter dem Namen Bio-Lutz vorwiegend Frischgemüse, aber auch Einlegegemüse wie Essig- oder Senfgurken verkauft. „Schon wieder“ kontern die Mitarbeiterinnen, machen ein paar Witze über ihre Frisuren, die unter Netzhauben versteckt sind und haben währenddessen wieder ein paar der 3,4 Liter fassenden Gläser mit Dille, Zwiebel, Senfkörnern, kleinen Gurken und eben der passenden Essig-Marinade befüllt.

Im Juli und August ist hier, im niederösterreichischen Gumprechtsfelden nahe Wieselburg, Gurkensaison. Wobei nicht alles händisch verarbeitet wird. „Die kleinen Gläser füllen wir maschinell ab, nur die großen werden händisch abgefüllt. Die gehen an die Gastronomie, Großküchen und Krankenhäuser, oder wir verarbeiten sie selbst weiter zu Pusztasalat“, sagt Robert Lutz, der besonders stolz darauf ist, dass hier alles bio ist und selbst gemacht wird. „Viele kaufen einfach Gewürzessenzen zu, aber das wäre ja schade, das passt einfach nicht. Da geben wir uns zuerst solche Mühe und dann etwas Zugekauftes dazugeben, wo man eh nicht weiß, was drinnen ist, das taugt mir nicht“, sagt Lutz.

Also stellt eine Mitarbeiterin den Gewürzauszug für die Marinade aus „klassischen Einlegewürzen“ wie Lorbeerblättern, Estragon oder Piment selbst her. Die Gewürze werden in einer Küchenmaschine zerkleinert und danach in einem Netzsackerl – „wie ein Teebeutel“ – in Essigwasser aufgekocht. „Das wird dann extrem intensiv, man braucht nicht viel von dem Gewürzansatz.“ Die Gewürze werden dann mit Weingeistessig, Wasser, Zucker und Salz zur Marinade verarbeitet – „alles bio, bis auf das Salz“. Bei den Gurken für die Essiggurken ist es wichtig, dass sie klein sind und Warzen haben. „Dann saugen sie die Marinade besser auf.“ Erst nach einem Monat, wenn die Gurken die Marinade komplett aufgenommen haben, ist für Lutz so ein Glas Jausengurkerl, wie sie hier genannt werden, gerade richtig.

Ist die Essiggurkensaison zu Ende. kommen die Senfgurken dran. „Das sind meine Lieblinge. Aber die sind noch mehr Arbeit. Bei denen haben wir jedes Jahr zu wenig, wir könnten viel mehr verkaufen.“ Für die Senfgurken werden wesentlich größere Gurken der Sorte Tanja verwendet, die bekannt dafür ist, bitterfrei zu sein. Die Senfgurken werden händisch geschält, die Kerne mit einem Löffel ausgeschabt, in lange Stücke geschnitten und – ebenfalls mit Gewürzen – ins Glas geschlichtet, das dann mit einer Essigmarinade aufgefüllt wird. Und auch die Pfefferoni werden händisch eingeschlichtet. „Das bekommt man mit einer Maschine gar nicht so schön hin. Es soll immer auch eine rote drinnen sein.“

Langsam vor sich hinkochen

Danach werden die Gläser auf einen sogenannten Kochwagen geschlichtet, der wiederum in den Kocher, eine Art Dampfgarer, geschoben wird. Bei Niedertemperatur kochen die Essiggurken etwa drei Stunden vor sich hin. „Wenn die Gurken im Kern 82 Grad erreicht haben, schaltet sich der Kocher aus.“ Damit werden die Gurken pasteurisiert. „Beim Sterilisieren hat es über 100 Grad, da ist alles tot“, sagt Lutz. Das sei hier auch gar nicht notwendig, immerhin sorgt auch der Essig für die Haltbarkeit. „Wir geben ihnen drei Jahre, aber wahrscheinlich halten sie noch länger. Sie werden dann nur dunkler.“

An die 15 Tonnen Gurken verarbeitet der Betrieb pro Saison. Wobei die Essiggurken vielmehr ein Nischenprodukt sind – und auch gar nicht hier wachsen. Die Gurken werden aus dem Seewinkel und dem Marchfeld zugekauft. Bio-Gurken seien sehr empfindlich und bräuchten ein spezielles Klima, sagt Lutz. Er nennt es ein toskanisches Klima, das es eben auch im Burgenland gäbe. „Ich würd' sie eh auch gern bei uns anbauen, aber das funktioniert nicht.“ Im Gegensatz zum Wurzelgemüse – sein Hauptgeschäft – „das passt bei uns“. Auf rund 65 Hektar werden insgesamt 200 Tonnen Karotten, Erdäpfel, rote Rüben, Pastinaken und andere Gemüsesorten angebaut. Das Hauptgeschäft von Bio-Lutz sei nämlich küchenfertiges Gemüse, zum Beispiel geschälte und in Vakuum gegarte Erdäpfel, die an die Gastronomie oder Großküchen verkauft werden. Lutz' Schwester betreibt einen Hofladen, in dem die eigenen Produkte, aber auch Bio-Produkte von anderen Herstellern verkauft werden. „Mein Opa und auch mein Uropa hatten hier schon eine Landwirtschaft“, sagt Robert Lutz.

Sein Vater hat bereits 1978 den Betrieb auf Bio umgestellt. „Da war ich noch gar nicht auf der Welt.“ Im Jahr 1996 wurde die Firma Bio-Lutz gegründet, die heute 30 Mitarbeiter hat. In der Landwirtschaft sind es hingegen drei Leute, die je nach Saison auf acht aufgestockt werden. „Die müssen vor allem heindln, also Unkraut jäten.“

Pensionierter Sauerkrautler

Erst seit zwei Jahren stellt der Bio-Betrieb das Einlegegemüse selbst her. „Früher gab es in Wien ja sehr viele Sauerkrautler, also Leute, die Gemüse eingelegt haben. Wir hatten auch einen älteren Herren, der das für uns gemacht hat.“ Vor zwei Jahren setzte sich dieser aber endgültig zur Ruhe, und Robert Lutz begann das selbst zu machen. „Am Anfang haben sie alle gesagt, das ist ja nix. Man muss was Neues erfinden, nicht einfach nur Essiggurkerl machen. Aber ich wollte ein normales Produkt, das hochqualitativ ist. Man kann auch aus einem einfachen Produkt eine Wissenschaft machen, man muss nicht immer was Neues erfinden.“

Bis jetzt verkaufen sich die sechs Sorten Einlegegemüse sehr gut, die da wären: Jausengurkerl, Senfgurken und Pfefferoni sowie drei verschiedene Salate (Rote Rüben, Karotten-Sellerie, bunter Krautsalat). Vor allem in Bioläden, Feinkostgeschäften und Greißlereien seien sie gefragt. „Greißlereien werden jetzt wieder mehr. Ich hab' fast jede Woche eine neue Anfrage. Die wollen Produkte, bei denen alles selbst angesetzt und von Hand reingeschlichtet wurde“, sagt Lutz. Und: „Ich wollte mich von den Großen abgrenzen, seitdem geht es sehr gut.“ Also werden seine Mitarbeiterinnen wohl noch einige Gurkengläser befüllen.

Auf einen Blick

Seit 1978 bewirtschaftet Familie Lutz ihren Bauernhof biologisch. Auf 65 Hektar wird Wurzelgemüse angebaut, das (neben zugekauften Produkten) vorwiegend an die Gastronomie und Großküchen verkauft wird. Seit zwei Jahren wird am Hof Einlegegemüse hergestellt. Bio-Lutz: Gumprechtsfelden 4, 3250 Wieselburg, ✆ 07416/588 88 23, www.bio-lutz.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2016)

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