Mittelitalien: Edle Marken für den Bauch

Fettuccini mit schwarzer Trueffel
Fettuccini mit schwarzer Trueffel(c) Www.BilderBox.com (Www.BilderBox.com)
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Die Marken sind eine relativ unbekannte Schönheit Mittelitaliens. Kenner lieben diese Region. Ihrer Hügel wegen, ihrer Pasta, ihrer Käse, Weine und Trüffel.

TIPPS

Vittorio Beltrami steht in seiner kleinen Ölmühle. Wir haben einen Halbkreis um ihn gebildet und hören ihm aufmerksam zu. Er spricht bedächtig, sein Blick ist in die Weite gerichtet, so als würde er ein Gedicht zitieren. Als wir den Käse- und Olivenölproduzenten aus Cartoceto mit einer Zwischenfrage unterbrechen, wird er ungehalten. Es scheint, als müsse er jetzt wieder den Einstieg in sein Gedicht finden.

Wir versuchen uns zu bessern. Mit seiner prominenten Frisur erinnert er an Einstein. Und wegen seines patriarchalischen, dominanten Gehabes verleihen wir ihm den Titel Professor. Der kauzige ältere Herr erzählt von seinen Bemühungen, allerbestes Olivenöl zu gewinnen. Auch die Herstellung und Reifung seiner diversen Käsesorten beschreibt er ausführlich. Wir folgen ihm in seinen Reiferaum, ein kleines Kellergewölbe, wo kleine Häppchen auf ihren großen Auftritt warten. Etwas später, bei reichlich gedecktem Tisch und einem Glas Wein, sind wir wieder versöhnt. Was Vittorio Beltrami macht, schmeckt einfach zu gut.

Auf den Spuren des Weins

Die Marken bieten viel Entdeckenswertes. Neulinge in diesen Gefilden sind von ihrer Schönheit überrascht. Weniger neu hingegen sind die Wortspiele mit den Marken-Produkten, die es hier vergleichsweise günstig zu genießen gibt. Das Gebiet selbst lässt sich in seiner Topografie eins zu eins mit der im Nordwesten angrenzenden Toskana oder mit Umbrien im Westen vergleichen: ein sanftes Hügelmeer mit Feldern und Wiesen, in deren buntes Durcheinander an Formen und Größen sich einzelne Bäume oder Baumgruppen mischen. Exzessive Landwirtschaft ist in solchen Strukturen nicht möglich, vielmehr mutet das ganze Szenario angenehm unberührt an und macht die Marken zu einem echten Rückzugsgebiet für Zivilisationsmüde. Österreicher, Deutsche und andere Europäer haben begonnen, Häuser zu kaufen und zu renovieren, erzählt der junge Winzer Luca Avenati.

Sein Weingut Terracruda in Fratterosa ist auf einem der vielen Hügel gebaut und bietet einen weiten Ausblick ins Land. Durch Zufall kommt man an diesen abgelegenen Ort gewiss nicht. Als Avenati bemerkt, dass wir echtes Interesse an seinen Weinen haben, legt sich die anfängliche Zurückhaltung, wir dürfen schließlich sogar Raritäten verkosten, von denen es teilweise nur ein einziges kleines Fass gibt. Allein das Verkosten autochthoner Rebsorten, wie des weißen Bianchello oder des roten Aleatico, ist eine Gelegenheit, landestypische Besonderheiten kennenzulernen. Zu unserer großen Freude holt der Winzer auch die lokale Spezialität Vino di Visciole aus dem Regal, einen wie der Amarone nach Passito-Methode hergestellten Wein aus Weichseln. Snobs rümpfen darüber vermutlich die Nase, doch die sind ja gerade nicht da.

Große Geschichte, edle Kreszenzen

Karl dem Großen ist es zu verdanken, dass sich der Name dieses Gebiets so vertraut anhört. Deutsche Herrscher waren seit jeher in die Wirren der Machtkämpfe um das römische Reich verstrickt. Zahlreiche Schlachten fanden hier statt. Als der berühmte fränkische Machthaber diesen Teil Italiens als kaiserliches Grenzland „markierte“, das sein Vater Pippin dem Papst geschenkt hatte, stand sein Name fest. Auch das historische Städtchen Jesi, das man von Ancona in rund 45 Minuten mit dem Auto erreicht, ist von großer geschichtlicher Bedeutung. Der in Italien beliebte Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen wurde am 26. Dezember 1194 in einem Zelt am nordöstlichen Ende der Stadt geboren − heute erinnert dort die Piazza Federico II an ihn.

Weinliebhaber drängt es aber mehr in die Enoteca Regionale in der Via Federico Conti. Hier kann etwa die wichtigste heimische Weißweinsorte, der Verdicchio, verkostet und gekauft werden. Stolz erzählt der Leiter der Vinothek, dass vor Jahren eine Gruppe österreichischer Weinfachleute hierher kam, um Rotweine zu verkosten. Nur zögerlich probierten sie die Weißweine. Ein Jahr später sind sie zurückgekehrt und ließen die Rotweine gleich ganz beiseite.

Unweit von Jesi befindet sich das Weingut Marcconi, in dem gleichermaßen ausgezeichneter Weißwein und Rotwein gekeltert wird. Nach einer beschwingten Fahrt auf einer schmalen Straße, die Hügel rauf und runter, erreichen wir das unauffällige Gebäude.

42 Hektar Weingärten bewirtschaftet Maurizio Marconi. Sie alle befinden sich am Fluss Esino und sind wegen ihrer fruchtbaren, von Ton geprägten Böden prädestiniert für animierende, spannungsvolle Weine. Neben dem erwähnten Verdicchio sind es die Rotweine, die jede mühevolle Anreise vergessen lassen. Zum Beispiel der Lagrima di Morro d’Alba, eine autochthone Rebsorte, die nur in wenigen Gemeinden um den namensgebenden Ort Morro d’Alba kultiviert werden darf. Aber auch einen Rosso Piceno hat der Winzer im Programm − jenen Rotwein, der in seiner klassischen Form in weiten Teilen der Marken klassifiziert ist und aus den beiden Sorten Montepulciano und Sangiovese gekeltert wird. Gerade der Montepulciano ist es, der aufgrund seiner Namensgleichheit zum berühmten Städtchen in der Toskana immer wieder für Verwirrung sorgt. Um genau das zu erreichen, bietet sich noch eine zweite Spezialität an. Will man versierte Weinliebhaber aufs Glatteis führen, braucht man sie nur zu fragen, ob Pecorino ein Käse oder ein Wein sei. Die Antwort: Der  Pecorino, um den es in den Marken geht, ist eine alte, fast vergessene Weißweinsorte. Erst Ende der 1980er-Jahre wurde sie in unzugänglichen Hügellagen wiederentdeckt. Mit ihrer spritzigen Frische und Vielschichtigkeit dürfte sie dem österreichischen Gaumen sehr entgegenkommen.

Pasta mit Humor

Die Familie Columbro hat es zu etwas gebracht. 1972 nahmen Acrisio Columbro und Ines Ghiandoni in Fano, direkt an der adriatischen Küste, ihre Pastaproduktion auf. Eierteigwaren, Hartweizengrießnudeln und gefüllte Pasta wie Tortellini und Ravioli umfasste das Sortiment. Was als kleines Unternehmen begann, das vor allem die regionale Gastronomie und kleine Geschäfte belieferte, erfreut sich heute reger Nachfrage aus allen Teilen der Welt. Acrisio Columbro führt uns durch sein Reich und erzählt belustigt eine Geschichte über Handelspartner aus der Schweiz.

Bevor das Geschäft zustande kam, war eine ganze Delegation angetanzt, um sich alles genau anzusehen. „Volle drei Tage sind sie geblieben und waren überall, von der Anlieferung der Produkte bis zur Verpackung, dabei. Italiener würden so etwas nie machen“, fügt er hinzu, „die interessieren sich nur für den Preis“. Auf 4000 Quadratmetern Betriebsfläche arbeiten inzwischen 14 Mitarbeiter. Pasta in verschiedensten Formen und Farben wird nach wie vor in viel Handarbeit hergestellt. Seine Zutaten bezieht Columbro größtenteils von Lieferanten aus den Marken – nur so kann er die Philosophie, beste Produkte aus verantwortungsvoller Landwirtschaft zu verwenden, umsetzen.

Die Columbros definieren sich als Familienunternehmen, bei dem der Qualitätsanspruch klar vor der Gewinnmaximierung steht. Das in Schwarz-Weiß gehaltene Bild auf der Verpackung, eine alte Aufnahme der Familie Columbro, sollte diese Gedanken auch den Kunden vermitteln. Wir fragen Acrisio Columbro, wie groß der Anteil der mit Tomaten, Spinat und Tinte gefärbten Teigwaren ist. Acrisio beweist wieder Humor: „Ach die, die machen wir nur für den internationalen Markt, für Leute wie euch.“

Geheimtipp Trüffelheimat

Wer an Trüffeln denkt, wird kaum die Marken als wichtiges Herkunftsgebiet vermuten. Tatsächlich kommt ein großer Teil aller italienischen Trüffeln von hier, erklärt Maurizio Bernardini. Wir sind in Acqualagna, im Landesinneren, geschätzte 30 Kilometer von Fano entfernt. Spezialitäten von vier verschiedenen Trüffelarten bietet Bernardini in seinem Unternehmen an. Schwarze oder weiße Trüffeln sowie Sommer- und Bianchettotrüffeln veredelt sein Team zu verschiedenen Spezialitäten.
Wir kommen gerade zurecht, als die Sommertrüffeln verarbeitet werden: von Hand in Dosen eingelegt, mit Marinade begossen und nach dem Verschließen durch langsames Erhitzen konserviert. Vorsicht ist bei der Bianchettotrüffel geboten, erfahren wir weiter. Sie sieht der weißen, deutlich teureren Trüffel zum Verwechseln ähnlich. Findige Geschäftemacher können damit aber nur ahnungslose Abnehmer täuschen. Denn die auch als weiße Frühlingstrüffel bekannte Frucht wird nur von Mitte Jänner bis Ende April gesammelt und kann somit die exklusiven herbstlichen Trüffelmärkte nicht unsicher machen.

Wer sich für Trüffeln interessiert, besucht am bes-ten die große Trüffelmesse Fiera Nazionale del tartufo Bianco. Acqualagna darf sich von 25. bis 31. Oktober sowie am ersten, siebten und achten November wieder die Hauptstadt der Trüffeln nennen. Einige Reiseveranstalter bieten diesbezüglich ihre Dienste an, manche haben die Teilnahme an der Trüffelsuche sogar mit im Programm.

Auch abseits der so einzigartig duftenden Knollen geben die Marken gastronomisch viel her. Wer sich in der Nähe von Acqualagna befindet, sollte unbedingt das Ristorante Il Furlo besuchen. Das eher unscheinbar anmutende Haus wartet dank des begnadeten Küchenchefs Alberto Melagrana mit einem stimmigen Mix aus kräftigender Hausmannskost und nobel-italienischen Kreationen auf. An der Küste befinden sich gleich zwei Ziele, die allein schon der traumhaften Lage wegen jede Reise wert sind. Etwa das Ristorante Fortino Napoleonico in Porto Nuovo,  das nur über eine serpentinenartige Straße zu erreichen ist. Man sitzt auf der Panoramaterrasse, genießt die Köstlichkeiten der sehr fischbezogenen Küche von Paolo Antinori und lässt die Seele baumeln.

Der zweite heiße Tipp für ein romantisches Dinner am Meer ist das Ristorante Giacchetti. Viele Urlauber kommen nach ihrem Tag am Wasser hierher, um sich bei Sonnenuntergang von einer wahren Pracht an Fischen, Meerestieren und einem Glas Wein verwöhnen zu lassen. Selbst mit diesem ganz klischeehaften Urlaubsfeeling aus Sonne, Strand, Meer und gutem Essen verstehen die Marken zu überraschen.



Spezialitäten

Pasta Iris
Via Toniolo 3
I-61032 Fano
+39/0721/854476
www.columbro.com


Beltrami
Via Umberto I 21/23
I-61030 Cartoceto
+39/0721/893006
www.gastronomiabeltrami.com


T & C Tartufi & Specialità
Via Pole 26/A
I-61041 Acqualagna
+39/0721/799065
www.truffle.it

Weingüter

Cantina Terracruda
Via Serre 28
I-61040 Fratte Rosa
+39/0721-777207


Marconi
Via Melano 25
I-60030 San Marcello
+39/0731/267223
www.marconivini.it


Saladini Pilastri
Via Saladini 5
I-63036 Spinetoli
+39/0736/899534
www.saladinipilastri.it

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