Maria Drewes: Gralshüterin des Knödels

Maria Drewes Gralshueterin Knoedels
Maria Drewes Gralshueterin Knoedels(c) Norbert Rief
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360Grad Österreich: Maria Drewes hat Speckknödel und Gröstl gekocht, als alle chinesisch essen wollten. Dank ihr gibt es überhaupt eine Tiroler Küche.

Gerhard Drewes hat eine normale Figur. Er wiegt keine 150Kilogramm, hat keinen großen Bauch, er ist nicht kugelrund, nicht einmal dicklich. Man muss das erwähnen, weil Gerhard Drewes seit 50Jahren mit Maria verheiratet ist, und mit einer solchen Ehefrau ist es schwer, nicht auszusehen wie Gérard Depardieu.

Maria Drewes ist nämlich die Bewahrerin der traditionellen Tiroler Küche, mehr oder weniger die Gralshüterin von Speckknödel und Tiroler Gröstl. Drewes hat den Bestseller „Tiroler Küche“ geschrieben, eine Sammlung von mehr als 400Rezepten, und natürlich hat sie alle gekocht. Und irgendwer musste das essen. Also: Bewunderung, Herr Drewes!

„Wir rösten die Zwiebeln in Butterschmalz“, erklärt Maria Drewes, die in ihrer kleinen Küche in Ampass, westlich von Innsbruck, steht und eine Handvoll geschnittener Zwiebel in die Pfanne wirft. Und hier kommen auch schon die ersten hundert Kalorien. Butterschmalz. Nicht leichtes Olivenöl, nein, dickes, fettes Schmalz. Ohne das schaltet man in Tirol den Herd nicht einmal ein. Alles schmeckt besser, wenn es in Butterschmalz herausgebraten ist: Schnitzel, Röstkartoffel, Krautkrapfen. Wahrscheinlich sogar Erdbeeren, aber das hat noch niemand ausprobiert.

„Das Butterschmalz ist eines der Geheimnisse der Tiroler Küche“, erklärt Drewes und greift zu den Erdäpfeln. Ihre Küche ist unspektakulär, nicht so, wie man sie von anderen Spitzenköchen kennt, ausgelegt in Nirosta und Marmor. Es ist eine simple, lange Holzarbeitsplatte mit einem Elektroherd. „Das ist ideal für mich.“


Einfach gutes Essen. So einfach wie die Küche ist auch das Essen, das wir hier kochen. Also mehr Maria Drewes, schließlich soll es ja essbar sein. Tiroler Gröstl werde es, Speckknödel, hatte sie erklärt, seien viel zu aufwendig. Will man die ordentlich machen, steht man den halben Tag in der Küche. Man braucht etwa altes Brot, weil das gekaufte Knödelbrot viel zu viel Wasser bei der Zubereitung benötige.

Wie oft sie in ihrem Leben schon Gröstl gemacht hat, kann Drewes gar nicht mehr zählen. Heute serviert man es auch in Haubenrestaurants, früher war Gröstl eine Notwendigkeit, weil die Bauern die Reste essen mussten. Aus dieser Zeit stammen auch die meisten Rezepte in ihrem Kochbuch. „Das ist kein Haubenkochbuch. Das ist etwas, das man nachkochen kann.“

Nicht nur eine Sammlung, vielleicht sogar eine Rettung alter Tiroler Gerichte. Drewes hat das Buch in den 1970er-Jahren geschrieben, als man auch in Tirol chinesisches Essen entdeckte, Tiefkühlkost und Mikrowellen. Das war die Zeit, als man die Bauernkästen aus dem Haus warf, das „alte Klumpert“, weil man modern sein wollte.

Im Wohnzimmer der Drewes' steht ein Holzkasten aus dem Jahr 1775. Man sieht schon: Hier warf man nicht nur die Möbel nicht raus, sondern man kochte auch nicht modern. „Es geht schließlich um Nachhaltigkeit“, meint Maria Drewes, „dass man mit dem kocht, was uns das Land rund um uns gibt.“

Mittlerweile sind die Zwiebeln fertig, wir geben das in kleine Stücke geschnittene Fleisch (Schulter oder Schopf) dazu und rösten es kurz an.

Das Kochbuch, das Drewes zusammenstellte, machte es überhaupt erst möglich, von einer „Tiroler Küche“ zu reden. Bis dahin meinten viele (manche noch immer), dass die Tiroler Küche aus Knödel und Gröstl besteht. Drewes sammelte Rezepte aus dem Oberland, dem reicheren Unterland und dem armen Osttirol („Die haben in den 1960er-Jahren fast nur von Kraut und Gerste gelebt“). Von einer Osttirolerin stammt auch die Erkenntnis, dass man kein Ei braucht, um einen Nudelteig zu machen. Damit spart man nicht nur, „es schmeckt auch sehr gut“.


70.000 verkaufte Exemplare. Das „simple Nachschlagewerk“ erschien – und hob ab. Schon im ersten Jahr nach dem Erscheinen zeichnete es der deutsche Buchhandel aus, es folgte Auflage um Auflage. Mittlerweile hält man bei Nummer 13, in Zahlen sind es 70.000 verkaufte Exemplare. Nicht schlecht, wenn man sich den Markt anschaut, vor allem für ein Regionalkochbuch. Nimmt man all ihre Kochbücher zusammen – das Knödelkochbuch, die Wildgerichte, die Germspeisen und die Weihnachstbäckerei –, hält Drewes laut Verlag bei 300.000 Stück.

Das Fleisch ist jetzt gut angebraten, es kommen ein paar kleine Schöpfer Rindsuppe dazu. Der Deckel drauf, wir lassen es ein wenig ziehen, damit das Fleisch weich wird. In der Zwischenzeit werden die Erdäpfel, die zuvor gekocht, geschält und blättrig geschnitten wurden, in einer Pfanne angeröstet (natürlich mit Butterschmalz).

Gesammelt hat Drewes, was sie selbst in den 1950er-Jahren als Landwirtschaftslehrerin in Imst unterrichtete und was sie als Leiterin der Hauswirtschaftsabteilung der Landwirtschaftskammer kennenlernte. Damals reiste sie durch alle Teile Tirols, um den Bäuerinnen und der Landjugend Haushaltsführung und Kochen beizubringen, aber auch, um sie von der Zukunft auf dem Land zu überzeugen. „Besitzfestigung“ nannte man das, um die Flucht vom Hof zu verhindern.

Und dann war da natürlich die „Stacheler Mutter“, die Oma. „Sie hat immer g'sagt: ,Madl, kumm her‘, und dann hat sie mit mir gekocht.“ Der Bua kommt auch her und gibt die Erdäpfel aus der Pfanne in den Topf mit den Zwiebeln und dem Fleisch. Noch einmal kommt ein wenig Fleischsuppe dazu. Dann schmecken wir das ganze mit etwas Kümmel, Majoran, Salz und Pfeffer ab. Oben drüber ein bisschen Petersilie.

Das Tiroler Gröstl ist fertig, normalerweise wird es mit Kraut serviert, wir nehmen einen Salat mit Speckwürfeln (in Butterschmalz gemacht). Etwas Leichtes halt. Und? Viel besser kann ein Tiroler Gröstl, kann ein Abendessen nicht sein. Da lässt man auch ein Menü im Gourmetrestaurant aus.

Und was gibt es als Nachspeise? Einen Selberbrannten von Gerhard Drewes. Er widmet sich nämlich der Schnapsbrennerei. Eigentlich völlig logisch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2010)

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