Trübe Aussichten im Glas Der Sturm von A bis Z

Truebe Aussichten Glas Sturm
Truebe Aussichten Glas Sturm(c) Gergely Dr. Stefan/APA-Fotoservi (Ludwig Schedl)
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Was unterscheidet Sturm von anderen Getränken? Und warum muss man "Mahlzeit" statt "Prost" sagen? Ein kleines Lexikon des gärenden Traubenmosts.


Sturm, das ist so etwas zwischen Most und Wein – und seit einigen Wochen in so gut wie jedem Lokal angeschrieben. Das wird auch noch eine Zeit lang so bleiben, denn der in Gärung befindliche Traubenmost hat Saison. So viel weiß man im Normalfall über das trübe Getränk im Viertelliterglas. Aber es gibt noch einige andere Dinge, die man über den Sturm wissen sollte. Ein kleines Lexikon von A bis Z.

Alkohol. In §8 des Österreichischen Weingesetzes ist vorgeschrieben, dass Sturm einen Alkoholgehalt von mindestens 1,0Volumsprozent haben muss. Verkauft wird er allerdings erst ab vier Prozent.

Bouvier. Eine extrem frühreife Traubensorte, die vor allem im burgenländischen Seewinkel angebaut wird – und die sich perfekt für Sturm eignet. Für Wein dagegen nicht ganz so ideal.

Cashcow. Für die meisten Weinbaubetriebe ist Sturm nur ein saisonales Nebenprodukt. Zwischen 10 und 15Millionen Litern werden davon pro Jahr in Österreich produziert. Zum Vergleich: Die Weinproduktion liegt heuer bei etwa 250 Millionen Litern. Lediglich für Weinbauern mit frühreifen Trauben (z.B. Bouvier) macht der Sturm den Hauptanteil aus.

Dezember. Vom 1.August bis zum 31.Dezember darf Sturm in Verkehr gebracht werden. Tatsächlich endet die Sturmsaison allerdings schon um den 11.November.

EU-weit geschützt. Sturm darf sich ein Traubenmost nur nennen, wenn er aus Trauben besteht, die in Österreich geerntet und verarbeitet wurden. Importe, etwa aus Italien, müssen auf andere Bezeichnungen ausweichen, etwa „Herbstwind“.

Federweiße. So wird das Äquivalent zum Sturm in Deutschland genannt. In manchen Regionen kennt man das Getränk auch als „Sauser“, „Bremser“ oder „Krätzer“. In Tschechien spricht man vom „Burčák“.

Gärung. Sturm ist ein in Gärung befindlicher Traubensaft – das macht auch den prickelnden Geschmack aus. Zur Abfüllung kann der Gärungsprozess mittels Kälteschock gestoppt und vor dem Konsum wieder in Gang gebracht werden.

Herbst. Als klassisches saisonales Produkt steht der Sturm quasi stellvertretend für den Herbst, vergleichbar mit dem Punsch im Winter.

Italien.Zu Beginn der Sturmsaison warnte der Österreichische Weinbauverband vor Traubenmost aus Italien. Gerade ein nicht haltbares Produkt, so die Argumentation, sollte nicht über weite Strecken transportiert werden. Das sei der Bekömmlichkeit nicht zuträglich.

Jungwein. Zu Martini (11.November) wird der Jungwein getauft – zu diesem Zeitpunkt ist die alkoholische Gärung noch nicht beendet und der Wein noch nicht von seiner Hefe getrennt. Mit der Taufe wird der Wein zum „Heurigen“, der noch bis zum 31.Dezember des nächsten Jahres so genannt werden darf.

Kohlendioxid. Sturmflaschen dürfen wegen des Gärungsprozesses nicht fest verschlossen werden, weil das entstehende Kohlendioxid die Flasche sprengen könnte. Spezielle Verschlüsse oder ein Stück Alufolie können hier Abhilfe schaffen.

Legen. Weil die Flaschen nicht dicht verschlossen sind, dürfen sie nicht gelegt, sondern müssen stehend gelagert werden. Sonst droht klebriger Ausfluss.

Mahlzeit. Es ist eines der lästigen Mysterien der Sturmsaison – man sagt beim Anstoßen nicht „Prost“, sondern „Mahlzeit“, gelegentlich auch „Krixikraxi“. Puristen lehnen das Anstoßen mit dem „ungetauften“ Wein sogar generell ab, andere wiederum bestehen darauf, dass nicht mit der linken Hand „mahlzeitet“ werden darf.

Name. Zur Entstehung des Namens gibt es mehrere Theorien. Eine spricht auf die berauschende Wirkung an, die einen Sturm im Kopf auslöst. Eine andere bezieht sich auf die Hefeteilchen im Traubenmost, die wie Wolken im Sturm umhergetrieben werden. Kurz vor Ende des Gärungsprozesses spricht man übrigens vom „Staubigen“.

Organe. Die Tätigkeit des Darms wird durch den Genuss von Sturm stark angeregt – zu viel davon kann mit Durchfall enden.

Punsch. Eigentlich eine Gemeinheit, ihn mit Sturm zu vergleichen. Schließlich ist Sturm ein Naturprodukt, Punsch dagegen meist ein ziemliches Gepansche. Gemein haben die beiden aber, dass sie absolute Saisongetränke sind.

Qualität. Eine Unterscheidung in Qualitätsstufen wie beim Wein gibt es beim Sturm nicht. Schon allein, weil er meist direkt beim produzierenden Betrieb getrunken wird – und nicht lange haltbar ist. Die Qualität des Sturms, der in Supermärkten verkauft wird, halten Experten für gut.

Roter Sturm. Eher selten, weil Rotwein in der Maische gegoren wird – die etwa die Konsistenz von Marmelade hat. Roter Sturm muss daher extra ausgesiebt werden.

Schilchersturm. Der resche Wein aus der Steiermark hat bei der Lese wesentlich mehr Säure als Weißweintrauben. Als Sturm verträgt er mehr Restzucker, durch die Süße spürt man die Säure nicht so stark. Mit ein Grund, warum Schilchersturm geschmacklich besonders intensiv ist.

Trauben. Mit frühreifen Sorten beginnt die Saison im August, mit Vorrücken des Herbstes eignen sich auch andere Rebsorten.

Uhudlersturm. So wie der Schilcher ist auch der Uhudler eine regionale Weinrarität – ihn findet man nur im äußersten Süden des Burgenlands. Was den Uhudlersturm so besonders macht, ist sein Geschmack, der an Erdbeeren erinnert.

Vitamine. Sturm enthält viel Vitamin B1, das das Nervensystem unterstützt, und Vitamin B2, das den Stoffwechsel aufrechterhält. Sturm wirkt sich positiv auf Haare und Haut aus.

Wirkung. Durch das gleichzeitige Vorhandensein von Alkohol und Zucker geht Sturm schnell in die Blutbahn über – und die Süße des Zuckers kaschiert den Alkohol, darum bemerkt man die berauschende Wirkung oft erst zu spät.

Zucker. Bei der Gärung von Traubenmost wird Zucker in Alkohol umgewandelt. Beim Sturm ist dieser Prozess noch im Gange – genau das macht ihn auch so interessant.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2011)

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