TV-Kochshows: Wir haben uns sattgesehen

TVKochshows haben sattgesehen
TVKochshows haben sattgesehen(c) EPA (PATRICK HAMILTON)
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Reality-Terror statt Genuss: TV-Kochshows sind als omnipräsentes Sendeformat vor allem eines geworden: Ranzig. Schuld sind: Köche. Aber auch Zuseher: Eine Streitschrift gegen das Pseudokochen.

Egal wie blutig beim Einkauf, egal wie „dry aged“: Wäre das Konzept Kochshow ein Steak – es wäre längst bis zur Unkenntlichkeit überbraten. Das zeigt allein die Brutalität, mit der im Dunstkreis dieses Sendeformats alte Konzepte aufgewärmt werden. Im ORF hört das Recycling gleich auf zwei Namen: Andi und Alex. Mit der Leichtigkeit einer Sauce Hollandaise gelingt es dem Duo, Musikantenstadl-Mentalität zurück in ein Format zu bringen, dem Rustikales zuvor über Jahre ausgetrieben worden ist. Und das, während britische und deutsche Fernsehköche ordentlich das Tempo hinaufschrauben: Gordon Ramsay würgte ein Schlangenherz hinunter, das ZDF überfordert „Topfgeldjäger“ mit Wissensfragen. Mit Andi und Alex fahren Freunde öffentlich-rechtlicher Kochlöffel dagegen auf Zeitreise: Da ist ein Mann, der sich zuerst Pomade, wie man Gel im Musikantenstadl wieder nennt, ins Haar und später Béchamelsauce auf die Hühnerbrust schmiert. Sein Partner nennt das „Gaudi“ und paniert Leberkäse. Sogar die Rezeptansagerin fragt zweifelnd: „Wieso nicht?“

Ja, wieso nicht eine Flasche Schnaps zur Show öffnen? Nicht nur wegen des Fettes und lange nicht nur im ORF, der mit dem wortlosen „Silent Cooking“ auch innovative Ideen hatte. Sondern auch, weil schon zu lange zu viele TV-Brutzler wüten. Menschen, die manchmal lieber Öl heiß werden lassen sollten als die Lippen beim Reden. Aber sie sind natürlich verlockend, die Angebote der Fernsehmacher, die aus den Meistern essbaren Handwerks plötzlich Künstler machen. Die erstrahlen im Glanz von Stahlküchen, die Zutaten in gläsernen Schüsselchen präpariert. Im echten Leben füllt einem die niemand.

Dabei stimmt es schon: Wer Qualität auf Teller bringt, gehört bewundert. Aber hauen wir einmal ordentlich auf den Topfdeckel: Haben auch Maurer, die wir für ihre Mauern schätzen, ihre Show? Jetzt werden die Köche zwei Gegenargumente auf den Tisch knallen: Der Mensch muss essen, um zu leben, das sollte Fernsehen reflektieren. Und: Kochshows haben einen Lehrauftrag – wer Kochkunst vorgeführt bekommt, isst besser. Beides lässt sich jedoch rasch abservieren: Für mehr Genuss und Achtsamkeit beim Essen gibt es in der breiten Bevölkerung, die das Massenmedium Fernsehen anspricht, kaum Anzeichen. Wenn es ums Sparen geht, nennen Österreicher in Umfragen Nahrung nach wie vor als Bereich mit großem Sparpotenzial.

Was sagt uns das? Dass Anthony Bourdain mit seinem Porno recht behält – also, mit seinem Vergleich. Der New Yorker Starkoch sah in Kochshows schon 2007 „die neue Pornografie“ – und vergaß zufällig, dass er selbst in Kochsendungen die Hüllen fallen lässt. Doch die Aussage behält ihre Substanz: Man sieht zu, tut es aber nicht. Zumindest so nicht. Da wird die Zubereitung guten Essens, wofür wir oft weder Zeit noch Geld aufbringen, einfach an andere delegiert. So wie Peinlichkeiten uns im Leben der anderen besser gefallen: Stichwort Realityshow, Stichwort Tränen von Möchtegernmodels. Konsequent wäre, die „Reality“ ganz auszuköcheln – und in „Austria's next Topkoch“ junge Talente so richtig bloßzustellen. Der junge Wilde Bernhard Rieder, der seine Wildheit durch Vermarktung gezähmt hat, wäre kein Kandidat. Aber ein Moderator?


Die Butter sehen wir auch so.
Doch nicht nur Publikum und Köche sollen ihr Fett abkriegen. Koch und Kamera, die Paarung ist an sich ein Problem, weil ständig kommentiert wird, was die Kamera ohnehin aufnimmt. „Wir nehmen uns jetzt ein schönes Stück Butter her“, wie Schuhbeck und Lafer gerne sagen. Das ist zudem sprachlich unangenehm und unnötig – wir sehen die Butter, es ist kein Hörspiel. Auch Thomas Gottschalk zog seine Garderobe an und sagte nicht: Ist mein Anzug nicht wieder schrecklich (bunt)? Ja? Herrlich! Spannend wird, wie Nachfolger Markus Lanz das handhaben will. Seine Show „Lanz kocht“ gibt der Südtiroler übrigens ab.

Apropos herrlich und lecker: Damit ist das nächste Problem auf dem Tisch. Zu viel gezwungene Begeisterung für Dinge, die alltäglich sind (Tomaten erfahren etwa eine seltsam religiöse Verehrung in Kochshows) oder wirklich genossen werden sollten. Also: Mund zu! Ebenso unnatürlich sind die vielen nicht ganz mageren TV-Koch-Finger, die über Fleisch, das ihre Besitzer „schön“ nennen, streichen wie ein Pianist über seinen neuen Bösendorfer. Die Euphorie war nur bei Jamie Oliver authentisch: Wie übertrieben der Mann sich am Koriander erfreute, ist unvergesslich. Die Botschaft kam an: Verwendet nicht so viel wie ich, sonst dreht ihr durch!

Jamie, spießig. Doch auch Jamie ist älter geworden. Auf seiner Webseite schreibt er über Frau und Kinder: Sie macht Mode, die Kinder Schneemänner, empfohlen wird Apfel-Gorgonzola-Risotto. Das ist nicht spannend, sondern spießig. Doch Olivers Erfolg liegt auch im Gefühl von Geborgenheit begründet, das er vermittelt. Wohlige Sättigung unter Freunden statt essayistischer Ausführungen über Karotten.

Denn ein gutes Gericht, das verstehen manche TV-Köche falsch, ist keine Psychotherapie – man muss nicht lange und offen über die Vorgeschichte sprechen, damit alles gut wird. Sarah Wiener geht Geschichten hinter Produkten gerne ein wenig zu sehr nach. Wollten wirklich alle genau wissen, woher die Sau, der Essig kamen? Wahrscheinlich aus Stall und Keller. Zumindest konzentriert sich Wiener derzeit wieder auf ihr erfolgreiches Kerngeschäft (Catering) und sättigte Filmschaffende bei der Berlinale. Andi und Alex bleiben: Die aktuelle Staffel läuft bis Ende Juni, neue Folgen kommen im Herbst.

maestro

Jamie Oliver (36)
wurde zwar als Fernsehkoch berühmt, konzentriert sich aber mittlerweile auf Bücher und Kampagnen.

Ministry of Food heißt sein Projekt, bei dem Oliver mittels Lehrküchen gegen Fettleibigkeit, vor allem im Jugendalter, kämpft – nach Standorten in England wird das Projekt nun auch in Australien realisiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2012)

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