Wie das Wiener Prostitutionsgesetz (nicht) funktioniert

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Symbolbild(c) FABRY Clemens
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Jetzt, im Frühling zeigen sich die Folgen des neuen Prostitutionsgesetzes. Frauen klagen über mangelnde Infrastruktur in den Erlaubniszonen und Preisverfall durch mehr Konkurrenz. Freier könnten mehr Druck ausüben.

Am Rande des Wiener Praters stehen etwa 60 Frauen in knapper Kleidung und mit hohen Stiefeln. Auch tagsüber, während Passanten mit Kindern von der U-Bahn kommend Richtung Wurstelprater vorbeigehen. Immer wieder nähern sich Autos, werden langsamer, bleiben stehen. Dann kommen die Frauen ans Fenster, um über den Preis zu verhandeln – oder steigen gleich ein.

Das dürfen sie, denn sie sind in einer von fünf geplanten „Erlaubniszonen“ für Straßenprostitution außerhalb der Wohngebiete. Die Zonen sind Teil des Prostitutionsgesetzes, das seit 1.November 2011 gilt. Anrainer früherer einschlägiger Hotspots sind erleichtert. Gleichzeitig kämpfen Wiens Prostituierte mit einer Reihe neuer Probleme: Die erlaubten Zonen sind überfüllt, der Preis für sexuelle Dienstleistungen ist gefallen.

Erst vor wenigen Tagen hat der Leopoldstädter Bezirksvorsteher Gerhard Kubik (SP) angekündigt, vor dem Sommer die Straßenprostitution im Prater zwischen sechs und 22Uhr zu verbieten. Dann bleibt den Prostituierten in ganz Wien tagsüber ein Parkplatz beim Auhof. Denn drei weitere Erlaubniszonen müssen erst verhandelt werden. Daran arbeitet eine Steuerungsgruppe aus Vertretern der Politik, der Bezirke, der Polizei sowie mehrerer NGOs. Diskutiert wird eine Zone am Gürtel; Ergebnisse sollen in den kommenden Monaten vorliegen.

Keine Sicherheit in den Zonen

Neu ist auch, dass Freier bestraft werden können, wenn sie außerhalb der Zonen Kontakt zu Frauen aufnehmen. „Aber auch innerhalb der Zonen werden die Frauen über Gebühr kontrolliert“, sagt Christian Knappik, Sprecher von sexworker.at, einer Plattform, auf der sich Sexarbeiterinnen registrieren und über Freier und Betreiber austauschen können. „Dadurch werden die Freier zusätzlich verunsichert, denn sie wissen ohnehin nicht mehr, was legal ist und was nicht, welches Lokal sie überhaupt noch betreten dürfen.“ Die zwei- bis dreihundert Frauen, die zuvor etwa auf der Felberstraße oder Linzer Straße gestanden sind, müssen jetzt in Stundenhotels und Clubs bleiben und auf Kunden warten – oder eben in die Erlaubniszonen gehen. Doch die Konkurrenz im Prater ist groß, und die Preise sind gefallen. Das führe zu massiven Auseinandersetzungen zwischen den Frauen, sagt Knappik. Und: „Mittlerweile haben sie wieder Aufpasser nötig, die sie schützen. Das ist das Ende der Selbstbestimmtheit.“

Außerdem haben die Frauen in den Erlaubniszonen keine Möglichkeit, sich zu waschen oder auf die Toilette zu gehen. Und der Weg ins nächste Stundenhotel ist weit. Von dort müssen die Frauen in ihrer knappen Kleidung durch die Verbotszonen zurück an ihren Platz gehen, das ist riskant. „In dem Augenblick, in dem ein Kunde sie anspricht, kann die Polizei auch die Frau strafen“, sagt Knappik. „Die Erlaubniszonen bieten keine Sicherheit“, sagt auch Renate Blum von Lefö, der Beratungsstelle für Migrantinnen. Während die Eigenständigkeit der Frauen auf der Straße höher sei, hätte Zuhälterei „indoor“ größeren Spielraum. Durch Konkurrenz und Preisverfall könnten die Freier heute außerdem mehr Druck ausüben. Das neue Gesetz, so Blum, scheine sich an den Anliegen der Anrainer zu orientieren, anstatt die Rechte von SexarbeiterInnen zu schützen.

Neue Auflagen für Lokale

Aber nicht nur die Prostituierten, auch Lokale (Stundenhotels, Clubs, Laufhäuser) stehen im Fokus der Polizei. Um einen polizeilichen Bescheid zu erhalten, müssen alle Betriebe bis November den gesetzlichen Nachweis eines Zivilingenieurs bringen, um zu beweisen, dass alle Auflagen erfüllt sind. Dieser Bescheid kostet 5000 bis 10.000 Euro, viel Geld für kleine Betriebe, wie etwa Herrn Emmerichs Stundenhotel im Stuwerviertel. Zehn Euro kostet eine halbe Stunde in einem seiner Zimmer. Weil der Notausgang zu schmal ist, fürchtet Emmerich nun, seine Genehmigung zu verlieren. Hier haben die Frauen den Vorteil, nur dann für das Zimmer zu zahlen, wenn sie einen Kunden haben. In Laufhäusern müssen die Zimmer tage- oder wochenweise gemietet werden – unabhängig davon, ob die Frau dabei verdient oder nicht.

Eines von Wiens fünf Laufhäusern ist das „Red Room“ in Meidling. 80 Euro pro Tag kosten die Zimmer mit Internet, Fernseher, Dusche und Toilette. An der Rezeption steht Peter Laskaris, das neue Gesetz begrüßt er. Durch die strengen Auflagen müssten viele Betriebe zusperren, dann gebe es für ihn weniger Konkurrenz. Derzeit plant er, ein weiteres Laufhaus in Wien zu eröffnen. Es soll das größte Europas werden. „Der Bedarf ist da“, sagt Laskaris „es gibt keinen politischen Gegenwind.“

Frauen wie Sonja werden es sich nicht leisten können, ins Laufhaus zu übersiedeln. Die 22-Jährige hat viele Stammkunden verloren, seit sie nicht mehr auf der Felberstraße stehen darf. Jeden Abend, oft die ganze Nacht, wartet sie in einem Stundenhotel auf Freier. „Die Männer wollen heute mehr für weniger Geld“, sagt sie, „oft ohne Kondom.“ Aber das mache sie nicht. In den vergangenen zwei Wochen hat Sonja 200 Euro verdient. Sie weiß nicht, wie sie die Wohnungsmiete aufbringen soll.

Prostitutionsgesetz neu

Seit November 2011 ist Straßenprostitution nur noch außerhalb der Wohngebiete erlaubt. Zwei von fünf „Erlaubniszonen“ gibt es bereits: einen Parkplatz am Auhof bei der Westautobahn und eine abgelegene Straße beim Prater. Auch Freier, die sich nicht an die Zonen halten, können künftig bestraft werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2012)

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