Fattoria La Vialla: "Olivenöl ist kein Fett!"

Chianti und Cantucci, Sugo und Pasta: Die Fattoria La Vialla produziert biodynamisch. Da lachen auch die Slow-Food-Hühner.

TIPP

Manche Leute denken ja, uns gibt es in Wirklichkeit gar nicht“, sagt Celine Krüger von der Fattoria La Vialla, in Italien hängen gebliebene Deutsche. Verständlich – das Bilderbuchimage des familiengeführten Feinkostversenders ist tatsächlich verdächtig. So viel heile Welt, jaja, ganz sicher. Seit sich zahlreiche Industrielebensmittel Trachtenmäntelchen mit Namen wie „Landleben“ oder „Landlust“ umhängen, glaubt man das Image von glücklichen Kühen und noch glücklicheren Bauern eben nicht mehr so leicht. Und der in Handschrift gedruckte „La Vialla“-Katalog zeigt schließlich auch lachende Menschen in steinernen Häuschen, Käselaibe auf knorrigen Tischen, Sugogläser auf rot-weiß karierten Tischdecken, so wie auch diverse Raststätten ihre Speisekarten gestalten. Schön arrangiert von der Werbeagentur, nein, alles echt! – eh klar. Nach einem Inspektionsbesuch kann das „Schaufenster“ aber nun quasi amtlich bestätigen: Auf der Fattoria La Vialla in der Toskana ist alles echt. Die alte Ölmühle, die alte Mehlmühle, die Schafe auf der Weide, die händisch geschnittenen Biscotti, der Holzofen und vor allem das viele Gelächter.

Panda statt Porsche. Auf weit über 1000 Hektar erstreckt sich der Besitz der Familie Lo Franco zwischen Florenz und Arezzo. Etwa die Hälfte davon ist Wald, der Rest sind Weinberge, Olivenhaine, Wiesen und Felder. Auf das ganze Gebiet verteilt liegen jene steinernen toskanischen Bauernhäuser, die sukzessive erworben und revitalisiert wurden und nun als Apartments vermietet werden. „Gästen, die mit dem Porsche kommen, stellen wir unsere Fiat Pandas zur Verfügung, die sind unten höher“, sagt Celine Krüger und lacht. Die Wege zwischen den Häusern, die mitunter mitten im Wald liegen, und dem Stammhaus, der Fattoria, sind nämlich mehr als uneben. Bewusst. „Die Wege im großen Stil zu asphaltieren würde nicht zu uns passen.“ Denn schließlich arbeitet die Fattoria La Vialla in vielen Bereichen wie dem Ölpressen noch altmodisch, zeigt sich biodynamisch und beweist Slow-Food Engagement. Slow-Drive passt da ins Konzept.

An einem typischen Arbeitstag ist Dimitri meist der Erste auf der Fattoria: Er befeuert den alten Holzofen um sechs Uhr früh. Zuerst, also bei den höchsten Temperaturen, wird la Schiacciata, „die Zusammengedrückte“, wie man die Foccacia hier nennt, gebacken. Als Nächstes – es wird nun den ganzen Tag kein Holz mehr nachgeschoben – folgen Brot, dann Kuchen wie diverse Crostate oder die gugelhupfähnliche Ciambella. Abends wird manchmal noch ein Lammbraten hineingeschoben, wenn die Hitze schon kommod ist. Früher ließ man, quasi als Fade-out, Ricotta im Ofen über Nacht zur Ricotta al forno werden. Dessen angeblich intensive Note kam aber bei den Gästen nicht recht an, und man ließ es bleiben. Sich nach dem Geschmack der mehrheitlich deutschen Gäste zu richten überlegt man auf der Fattoria in Zukunft hoffentlich nicht allzu ernsthaft, manche Apartmentbewohner stellen nämlich stolz ihre aus Deutschland mitgebrachten Nutellagläser ins Fenster – Mann, was soll man in der Toskana bitte sehr sonst frühstücken!? Jungen Pecorino vielleicht?? Zum Beispiel. Oder frische Ricotta mit Fragolina, der hauseigenen Erdbeersauce. Oder Salami. Oder Eier vom Slow-Food-Huhn.



Kikeriki auf Italienisch. Alceo Orsini (wobei, Nachnamen scheinen unter den Viallini, den Mitarbeitern von La Vialla, nicht üblich) kümmert sich nicht nur um die schneeweißen Hühner der Fattoria, sondern als Präsident des hiesigen Slow-Food-Conviviums, das die alte Rasse Pollo del Valdarno seit einigen Jahren wiederaufpäppelt, um sämtliche Fortpflanzungsbelange. In vier Familien geteilt, je nach Ausgeprägtheit der Rassenmerkmale, gackern die Hühner in einer Wiese auf dem Grundbesitz der Lo Francos um die Wette, kostbarere Fortpflanzungshennen und „Nur-Eier“-Hennen nebeneinander. In der Nacht werden sie eingeschlossen, die Füchse haben sich schon zu viele von ihnen geholt. Auch im Zentrum, dem „Dorfplatz“ der Fattoria, direkt neben dem alten Barriquekeller, leben zwei Hühner, eine Henne und ein Hahn mit prachtvollem Kamm und ausgeprägtem Kikerikiverhalten. Klingt auf Italienisch ziemlich ähnlich. Die Ausbeute ist nicht berühmt, was die Rasse auch in Vergessenheit gerieten ließ. Die weißen Hennen geben als Hobby wohl nicht unbedingt Eierlegen an, dafür sind die Eier reich an guten Inhaltsstoffen und arm an Cholesterin. Das Fleisch, demonstriert später Antonio Lo Franco, der mittlere der drei Brüder, ist dunkel, mitunter gallertig-klebrig, fest und aromatisch.

Die Fattoria-Köchinnen probierten viel herum, bis sie die beste Zubereitungsart für dieses Hühnerfleisch fanden, erzählt der Weinexperte der Familie, der als Andreas-Döllerer-Double jeden Preis gewinnen würde. Das Rezept für den Braten wird wohl auch etwas Olivenöl enthalten, denn Antonio Lo Franco ist der Überzeugung: „Olivenöl ist kein Fett! Olivenöl ist ein Gewürz!“ Und macht sich zum Beweis daran, seine Bruschetta hemmungslos zu überwürzen.

Das Olivenöl der Fattoria La Vialla, einer der Bestseller bei den Bestellern, wird zum Teil noch mit der alten Steinmühle gemacht. Man weiß zwar, dass diese Praxis nicht mehr State of the Art ist, weil die Oliven so zu viel Luft ausgesetzt sind und unnötig viel Oxidation einsetzt, hat’s halt aber auf der Fattoria gern altmodisch. Die Olivenölernte und die Pressung sind jedenfalls mit der Weinernte die Highlights des Jahres, für Gäste wie für die Viallini gleichermaßen, die vor allem auf ihre prämierten Weine und den neuen Weinkeller mit den Betontanks mehr als stolz sind.

Wolle an Benetton. Im Jahresrhythmus beginnt nach der Olivenernte Anfang November wieder die Pecorinozeit. Die Schafe geben von Dezember bis August Milch, zwei Schafe pro Tag ist gleich ein Laib Pecorino, lautet die Rechnung. Die Wolle – keine besonders hochwertige, sagt der stolze sardische Schäfer Giovanni, schließlich seien es ja Milchschafe – geht zum Teil an Benetton, die Milch geht an Valentina und Cinzia, die sich in der Käserei um die vielen Laibe kümmern, die entweder als frischer Pecorino mit mindestens 30 Tagen Reifung oder in der Version „Stagionato“ mit drei Monaten auf dem Buckel verkauft werden. Light-Stagionato, muss man hinzufügen, es gibt schon wuchtigere Kaliber.

Einen Buckel macht an dieser Stelle jedenfalls die Autorin, denn eigentlich sollte hier noch ausführlich von den biodynamischen Prozessen auf der Fattoria La Vialla erzählt werden. Nicht nur die Erdbeeren seien prächtiger und aromatischer als je zuvor, seit man sie mit dem Demeterdünger verwöhnt, versichert man. Trotz eifrigen Mitschreibens und -zeichnens und ehrlich interessierten Kuhhörner-von-innen-Begutachtens waren aber die Erklärungen von Donato, dem konzentrierten Experten für Dünger, Kompost und Bodendynamisierungspräparate, in den Sprachen Italienisch, Hand und Fuß eine Nummer zu kompliziert.

Die Fattoria La Vialla ist ein biodynamisches Landgut zwischen Florenz und Arezzo. Die Produkte wie Antipasti, Sughi, Olivenöl, Kekse oder Wein kann man nach Österreich bestellen, ohne Versandkosten, dafür soll man sich möglichst mit anderen Bestellern zusammentun. Wohnen kann man dort auch, in revitalisierten Bauernhäusern. www.lavialla.it

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