Hugo: Vorsicht, ein Trend geht um

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Sie kommen schnell und bleiben mehr oder weniger lang. Sommergetränke dürfen nicht zu außergewöhnlich schmecken, müssen optisch etwas hermachen und sollten eine Geschichte erzählen.

Es ist blass geworden in den Gläsern diverser städtischer In-Lokale. Während vor ein paar Jahren auf den Tischen dank des omnipräsenten Aperol-Spritz' noch leuchtendes Orange dominierte, muss man heuer schon etwas genauer hinschauen. Fast schüchtern kommt es daher, das aktuelle Sommergetränk: der Hugo, der seine Farbakzente lediglich ein paar Minzblättern verdankt. Dabei hat er Bescheidenheit eigentlich gar nicht nötig. Denn auf ihn wurde fast schon gewartet. Während das orangefarbene Sommergetränk von vorgestern fast schon bei jedem Imbissstand verkauft wird und bei Menschen, die in Sachen Zeitgeist etwas auf sich halten, längst verpönt ist, hat die Gastronomie den Hugo als neues Getränk schon herbeigesehnt.

Gesucht wurde nach einem Drink, auf dessen Geschmack sich möglichst viele Menschen einigen können, ohne dass er dabei langweilig wirkt. Nach einem Drink, dessen Zubereitung nicht allzu kompliziert und zeitaufwendig ist. Und natürlich sollte er auch optisch etwas hergeben und dank dezenter Dekoration vermitteln: Endlich ist er da, der Sommer. Und das darf jetzt gefeiert oder zumindest genossen werden.


Trend aus Südtirol. Wobei, so neu ist die Mischung aus Schaumwein, Holunderblütensirup, Minzblättern und einem Schuss Soda eigentlich gar nicht. Bereits vor 16 Jahren entdeckten findige Südtiroler Wirte die Mischung für sich – so wie auch die Tatsache, dass das Ganze bei den Gästen nicht schlecht ankam. Langsam, aber sicher hat sich das Getränk in der Region ausgebreitet – wobei das Rezept hin und wieder auch abgewandelt wurde, etwa indem Weißwein statt Prosecco verwendet wurde. „Seit drei Jahren gibt es den Hugo verstärkt in Innsbruck, und es wird noch mehr werden“, sagt Thomas Divina vom Getränkehersteller Zadi Drinks, der hierzulande als einer der Ersten fertige Hugo-Mischungen angeboten hat.

Die Geburtsstätte Südtirol ist wohl auch der Grund, warum das sommerliche Getränk zuerst im Westen Österreichs und mit ein, zwei Jahren Verspätung erst im Osten angekommen ist. Heuer hat auch in Wien die Stunde des Hugo geschlagen. An jeder Bar, die etwas auf sich hält – oder zumindest so tut als ob – wird das Getränk mittlerweile ausgeschenkt. Und das ist auch der Grund, warum fertige Mischungen boomen. Denn auch in der Gastronomie gilt: Zeit ist Geld, und je schneller so ein Hugo auf dem Tisch steht, umso besser für den Wirt. Zadi Drinks etwa verkauft hierzulande bereits eine Million Flaschen pro Jahr.

Das heißt aber noch lange nicht, dass deshalb der Aperol-Spritz verschwindet. Aber er darf sich eben nicht mehr Trendgetränk oder Sommergetränk des Jahres nennen. So weit, dass er ohne Vorbehalte bereits zu den Klassikern zählt, ist er aber auch noch nicht. Selbst wenn seine Basis, der italienische Likör aus Rhabarber, Bitterorange, Chinin und Kräutern, schon länger auf dem Markt ist.

Aber wie kommt es, dass manche Getränke wie aus dem Nichts auftauchen und sich auf jeder Speisekarte finden, während andere ewig in die Kategorie Nischenprodukt fallen? „Gastronomen suchen wie Steuerberater nach Lücken, die einen auf dem Markt und die anderen beim Staat“, sagt dazu Peter Wippermann vom Trendbüro Hamburg. Für ihn braucht es aber nicht nur die Menschen, die sich um das Angebot kümmern, sondern auch jene Gruppe, die eben nach einem Hugo, um bei dem Beispiel zu bleiben, fragt. „Es braucht eine Peer-Group, die das Ganze praktiziert und weitererzählt“, so Wippermann. Und es braucht Geschichten, einen Mythos, der mit dem Produkt verbunden wird.


Braver Hugo, verwegener Aperol.
So gesehen sagen Sommergetränke auch viel über den Zeitgeist aus. Während der Aperol-Spritz – zumindest im Vergleich zum Hugo – einen Hauch von Verwegenheit hat, ist der Hugo ein bisschen brav. Die Prosecco-Minze-Holunder-Mischung passt eher zu einer gesitteten Gartenparty, hat einen Hauch von Unschuld, wirkt – dank Minze, Holunderblütensirup und Zitrone – zumindest natürlich, um nicht zu sagen gesund, und erinnert ein bisschen an die 1960er-Jahre, wenn auch eher an die Limonaden, die damals getrunken wurden.

Wippermann ist davon überzeugt, dass sich der Hugo gerade einmal ein Jahr halten wird. „Nichts ist so alt, wie das Sommergetränk vom Vorjahr. Den Winter überlebt er nicht“, so der Trendforscher. In Hinblick auf den Aperol-Spritz wundert diese Einschätzung aber doch ein bisschen: Immerhin hat sich der orange Vorgänger schon ein paar Jahre gehalten.

Mehr Zeit gibt Wippermann da schon dem vor allem bei Jugendlichen beliebten Bubble Tea. Für ihn lässt sich der Tee, der vor einigen Monaten seinen Eroberungszug durch Europa angetreten hat, mit alkoholhaltigen Sommergetränken aber nur bedingt vergleichen, da einerseits der Bubble Tea eine Art Insider-Kult-Status bei Jugendlichen genießt und andererseits ein höchst ausgeklügeltes Vertriebssystem dahintersteckt. Die süße Tee-Milch-Fruchtsirup-Mischung, die mit bunten Kügelchen versetzt wird, ist indes genauso wenig neu wie die Inhaltsstoffe von Hugo oder Aperol-Spritz. „Das Getränk kommt aus Taiwan. In die USA und nach Europa kam es dank der künstlichen Kaviarerzeugung. Dadurch können nämlich die Pops einfach hergestellt werden“, sagt Rosmarie Listmaier, Geschäftsführerin von Bubble Tea Time.


Italienische Aperitif-Kultur. Ein ausgeklügeltes Betriebssystem, das kann Hugo nicht vorweisen. Und doch stehen die Chancen für ihn nicht so schlecht – denn er ist Teil von etwas, was hierzulande besonders hohes Ansehen genießt, nämlich die italienische Aperitif-Kultur, der auch der Aperol entstammt. Diese Kultur kennen die Österreicher aus dem Urlaub, was gleich für noch einen Pluspunkt sorgt. Schließlich werden die meisten kulinarischen Trends von ein paar Vorreitern oder Trendsettern aus dem Urlaub mitgenommen.

Das war auch schon bei den Cocktails Caipirinha und Mojito so – die kamen hierzulande genau zu der Zeit auf, als eine Reise nach Brasilien oder in die Karibik auch für den Durchschnittsurlauber leistbar wurde. Was die Frage aufwirft, welches Sommergetränk 2013 die Gläser städtischer In-Lokale füllen wird. Vielleicht Ouzo – Griechenland soll ja heuer sehr günstig sein...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2012)

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