Geschmacksfrage: St. Ellas

St. Ellas, ein heiliges Lokal für ergraute Bobos? Auf jeden Fall ziemlich gut und günstig.

(c) Jürgen Hammerschmid

INFO

Erfolg und Nichterfolg liegen in Wien nahe beieinander. Das wissen die Gastronomen des Gaumenspiels in der Wiener Zieglergasse, die mit ihrem ambitionierten und fröhlichen Restaurant immer genau spürten, wenn die Freiberufler der näheren und weiteren Umgebung gerade wirtschaftlich schwierige Zeiten erlebten. Da musste genau kalkuliert werden, zu Mittag zugesperrt, dann wieder aufgesperrt. (Oder war es umgekehrt?) Nun verwirklichten sich die beiden den Traum vom echten Neighbourhood-Lokal, sie schufen nebenan ein kleines Lokal, das sie St. Ellas nannten. Eine weise Entscheidung, das Lokal wird von fern und nah (und natürlich vom Wien-Neubau entsprechenden Publikum) gestürmt, als wäre es ein kulinarischer Wallfahrtsort. Manchmal hebt keiner das Telefon ab, so unter Druck ist die Mannschaft, und Platz ist eh keiner frei.

Warum das so ist, erahnt man zumindest. Zielgruppengerechter kann ein Lokal kaum sein, die Gerichte sind vergleichsweise günstig, die Atmosphäre ist nett. Das merkt man etwa, wenn man aus beruflichen Gründen auch einmal – vorsichtig ausgedrückt – ungewöhnliche Menschen treffen muss, etwa einen sehr bekannten Oppositionspolitiker, der nicht für die Grünen im U-Ausschuss sitzt, sondern weiter rechts. So viel Aufmerksamkeit bekommt man sonst nie. (Und so erkennt mich garantiert keiner, eine solch absurde Tarnung würde kein Gastronom für möglich halten.) Mein Gegenüber bestellt Wodka-Red-Bull, dem Kellner ist es fast unangenehm, den Wunsch erfüllen zu können. Die Küche ist überraschend klischeefrei – also nicht nur Saibling auf Fenchel von der hübschen Biobäuerin ums Eck, sondern etwa ein dünnes Fladenbrot mit Wasabi und echtem rohen Thunfisch. Dieses Nahost-Sushi schmeckt ganz gut und ist als Pièce de Résistance ideal, sollte einmal eine Grüne mit mir essen gehen. Wirklich genial aber dürfte das Wirken des Grillmeisters sein, selten ein so feines, saftiges und gutes Rib-Eye gegessen. Schön langsam wird Wien zu einer guten Steakstadt. Wir könnten uns einmal wieder über die Italiener Sorgen machen. Oder über die Inder. Das St. Ellas muss man zwar nicht heiligsprechen, aber wenn die drängelnden Alt-Bobos wieder abgezogen sind, komme ich wieder. Privat. Und das passiert aus verständlichen Gründen nur sehr selten.

St. Ellas, Zieglergasse 52, 1070. Tel.: 01/522 20 84. Di–Fr 12–1 Uhr, Sa 17–2 Uhr

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