Wo ist eigentlich der Obergärtner?

Gartenzwerg
GartenzwergUte Woltron
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Gartenpflege. Wenn einer nur ein Schönwetter-Blumenpflücker ist, dann sollte er das veranwortungsvolle Amt eher meiden und lieber Zaungast oder auch Gartenzwerg werden.

Mit einem Garten ist es so: Er muss mit größtmöglicher Sorgfalt bestellt werden, sonst regiert innerhalb kürzester Zeit das Gestrüpp. Der Einzige, der den Zustand des Gartens verantwortet, ist der Gärtner selbst. Während jedoch ein heftiger und sich seit zumindest fünf Jahren ankündigender Sturm über die Republik fegt, hat sich der Obergärtner verkrochen. Er ist in Deckung gegangen. Fürchtet die herabstürzenden Äste. Dafür, dass die morsch sind, das lässt er seinen Gärtnervasallen gnädig ausrichten, könne er ja nichts, das hätten gewisse Vorgängergärtner zu verantworten.

Wenn einer eher zum Typ des Schönwetter-Blumenpflückers neigt, sollte man ihn eben nicht zum Obergärtner machen. Diejenigen, denen die morschen Trümmer jetzt und auch noch in ferner Zukunft um die Ohren fliegen werden, können rätseln, ob er samt seinem Team zu dumm oder zu faul war, ob er ganz einfach keine Ahnung vom Gärtnergeschäft hat, oder ob er gar eine Kombination von all dem darstellt. Das Resultat wird immer dasselbe sein: Der Garten ist schwer beschädigt. Keiner will daran schuld sein. Niemand wird die Verantwortung übernehmen. Der oberste Gärtner schweigt. Keiner da, der Säge und Krampen schultert und das tut, was man eigentlich erwarten könnte: arbeiten!

Handelte es sich um den Obergärtner eines sturmgebeutelten Parks, so würde man ihn samt seinen Vasallen augenblicklich davonjagen. Wozu, würde man ihn fragen, bekleidest du diese verantwortungsvolle Position des Chefs, wenn du keiner bist? Was haben wir von dir, würden Besitzer und Bewohner des Parks fordern, wenn du weder Baumschnitt noch Gemüsezucht und schon gar nicht die Jungpflanzenpflege beherrschst? Zieh hin und werde Zaungast oder Gartenzwerg, aber bitte bleib fern von jedweder Verantwortung, wenn du sie nicht zu tragen vermagst.

Wir, die wir unsere eigenen Gärtchen bestellen, bereiten uns längst auf die kommende Saison vor. Mit Vorfreude haben wir bereits die ersten Amsleriche gehört, die mit ihren Wohlgesängen die Reviere abstecken – die alljährliche Trillerfanfare für den beginnenden Frühling. Wir polieren unsere Gartengeräte, wetzen die Sensen, ölen die Scheren, reinigen die Anzuchttöpfe. Wir entwerfen Pflanzpläne für den Gemüsegarten und weisen jedem Gewächs den optimalen Platz zu: Paprika gedeiht nicht neben Paradeiser, Radieschen nicht neben Gurke. Die einen brauchen Sonne, die anderen kühlen Schatten, die dritten sandigen Boden.

Wir prüfen, wo der Rasen ausgebessert gehört und besorgen uns Grassamen, damit wir sie im März zur Hand haben, wenn die Aussaat Sinn hat. Wir gehen bei Wind und Wetter hinaus in den Obstgarten, besehen die Bäume, schneiden Überschüssiges weg, binden Schwaches auf, verarzten Wunden mit Baumbalsam, den wir sorgfältig und nur hauchdünn auftragen. Denn als verantwortungsvolle Pfleger des uns anvertrauten Miniaturreiches wissen wir, dass zu viel des Guten schädigt: Hinter dicken Schichten würde sich das Wasser sammeln, zu Fäulnis führen und den Baum unter Umständen sogar über Jahre hinweg umbringen.

Wir bringen jetzt den übers Jahr aufgeschichteten und gut verrotteten Kompost auf und düngen damit Gemüse- und Blumenbeete. Das erspart uns und der Natur den Kunstdünger, der erst in der Produktion und dann in der Anwendung mehr Schaden als Nutzen stiftet.

Schließlich wählen wir mit Bedacht die Sämereien, die wir in Anzuchterde versenken, und aus denen bis zum Sommer kräftige Pflanzen werden. Wir wollen ja Ernte einfahren: in Form von Früchten und Gemüse, Kräutern und Blumen, in Form eines duftenden, wohlbestellten Gärtchens, an dem all zwei-, vier- und achtbeinigen Bewohner Freude haben.

Gärtner wie wir sind keine Parkbewirtschafter, das ist schon klar. Aber wir kennen uns aus, wir pflegen, produzieren, ernten, und wir schenken Überschuss lieber her, als dass wir ihn uns stehlen lassen. Apropos: Wenn sich einer Äpfel aneignet, die ihm nicht gehören, wird er zur Verantwortung gezogen. Wenn eine ganze Gärtnerpartie dabei zuschaut, wie der große Park der Republik ausgeräubert wird, passiert nichts. Die Frage, ob man sich das gefallen lassen muss, wird noch beantwortet werden.

GARTENLAUBE

Wenn Sie als Obstbaum-Einsteiger nach einem guten Buch suchen, das Schritt für Schritt im Detail erklärt, was zu tun ist, sei Ihnen „Obstgehölze schneiden“ von Martin Stangl empfohlen ( schon 2009 erschienen bei Blv, 9,90 €). Denn Apfelbäume sind ganz anders zu behandeln als etwa Kirschbäume, und den Unterschied zwischen Kern- und Steinobst sollten Gartenchefs auch kennen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2014)

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