Die Speisekammer liegt in der Erde

(c) Woltron
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Warum Kompost und Dung immer noch die besten Düngemittel sind, und welchen Gartenmythen der Mensch aufsitzen kann, erklärt ein neues Buch.

Den Schlüssel zur Vermeidung der meisten Gartenprobleme hielten jene in Händen, sagt Charles Dowding, die dank präziser Information das rechte Verständnis für die vielfältigen Zusammenhänge aufbrächten, die zwischen Boden, Nährstoffen, Witterung, Licht, Pflanzen und noch so vielem mehr herrschten. Er selbst, so der einflussreiche und international beachtete britische Experte für organischen Gartenbau, sei immer neugierig gewesen und daran interessiert geblieben, hinter die Kulissen zu blicken.

Dieser Neugier gab er in seinem Gemüsegarten durch zahllose Experimente und Vergleichsreihen Raum. Er pflanzte und säte sein Gemüse in Komposterden unterschiedlicher Provenienz (Kuh, Pferd etc.) und verglich das Gedeihen der Pflänzchen. Er braute Komposttees, um ihren Nutzen für Erde und Pflanze auszutesten. Er legte Beete nach verschiedenen Himmelsrichtungen an und wog die Erträge der Pflanzen ab. Er goss großblättriges Gemüse unter der prallen Mittagssonne, um herauszufinden, ob es nun Gärtnerweisheit oder doch Gärtnerlatein sei, wenn behauptet werde, die Linsenform der Wassertropfen würde die Sonnenstrahlen bündeln und die Blätter verbrennen.

Kurz: Er nahm sich mehr als 30 großteils in Gemüsegärten und Glashäusern verbrachte Jahre Zeit, um Gartenmythen auf den Grund zu gehen. Schließlich fasste er alles in einem knappen, amüsant zu lesenden und äußerst informativen Büchlein zusammen. Es heißt „Gardening Myths and Misconceptions“ und befasst sich mit eben diesen: Mythen und Missverständnissen, die oft erstaunlich tief im Gärtnerbewusstsein wurzeln und so schwer auszurotten sind wie die Quecke im Steingarten.

Welcher Besserwisser etwa die Mär aufbrachte, man soll Pflanzen zur Mittagszeit wegen des Wasserlinsen-Brenneffekts nicht gießen, konnte Charles Dowding zwar nicht enthüllen. Fest steht jedoch, dass die Wasserlinsen viel zu flach sind und auch zu rasch verdunsten, um Schaden stiften zu können. Das wurde wissenschaftlich mehrfach bewiesen, was den Briten zur Bemerkung veranlasst: „Ich fand das durchaus beruhigend, denn seit 30 Jahren pflege ich offensichtlich durstige Pflanzen auch bei grellstem Sonnenschein sofort zu gießen.“

Apropos: Besonders großblättrige Kürbisse und Gurken lassen in der Hitze gern alles hängen. Dowding empfiehlt, sie zu jedweder Tageszeit mit breitem Wasserstrahl zu übersprühen, denn die Pflanzen nehmen die Feuchtigkeit auch über die Blätter auf, was wiederum Gießwasser spart.

Das möglicherweise interessanteste Kapitel befasst sich mit dem Düngen, und da Dowding nicht aus Gründen des Umweltschutzes, sondern aus reiner Empirie zum biologisch Gärtnernden wurde, arbeitet er die Unterschiede zwischen chemisch-mineralischer Düngung und Kompostdüngung aufs Eleganteste heraus. Kompost und die Beschaffenheit des Substrats sind auch für ihn das A und O jedes Gartens. Und warum guter Kompost Pflanzen um so vieles besser nährt als etwa flüssige Dünger oder farbenfrohe Düngerkügelchen, wird hier endlich ausgezeichnet und detailliert erklärt.

Kurzfassung eines komplizierten und extrem interessanten Gartendetails, von dem kaum jemand etwas weiß, das jedoch der Kern allen Wachstums ist: Gartenkompost und verrotteter Dung sind die Speisekammer der Pflanzen. Hierin befinden sich alle Zutaten. Doch erst durch Mikroorganismen, richtige Temperatur und Feuchtigkeit werden die Zutaten zur Speise, die die Pflanzen zur jeweiligen Zeit benötigen und aufnehmen können. Das Ganze ist ein ausgeklügeltes, fein abgestimmtes Spiel zwischen Kleinstlebewesen und Elementen, zwischen Würmern, an deren Gängen sich Pflanzenwurzeln orientieren, und dem Lauf der Sonne, die die Erde erwärmt. Faszinierend!

Das Beste daran: Diese Nährstoffe sind im Gegensatz zu den künstlich hergestellten nicht wasserlöslich. Sie versauen kein Grundwasser, sondern bleiben so lange da, bis sie von den Pflanzen aufgenommen und aufgesogen werden können. Charles Dowding hat noch viel mehr darüber zu berichten. Bitte – lesen Sie selbst!

GARTENLAUBE

Reading.„Gardening Myths and Misconceptions“ von Charles Dowding ist soeben bei Green Books erschienen (€ 12,90). Übersetzung gibt es derzeit noch keine. Wer nicht gern englisch liest, sich aber in Dowdings Welt biologischen Gärtnerns und unterirdischer Prozesse einfühlen will, dem steht das auch ausgezeichnete und übersetzte Buch „Gärtnern wie die Profis. Boden schonen/Ertrag steigern“ zur Verfügung (19,99 Euro, Verlag blv).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2014)

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