Graben. Pflanzen. Froh bleiben.

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Wer gärtnert, das behaupten Wissenschaft und Statistik, wird gesünder alt als andere. Vielleicht noch wichtiger aber sind Ruhe und Gelassenheit, die er spendiert.

Nicht der Jüngling sei glücklich zu preisen, behauptete der griechische Philosoph Epikur, sondern der Greis, der gut gelebt habe. In Zeiten der zumindest auf dem Papier eingeforderten schreiberisch-theoretischen Gendergerechtigkeit muss man an dieser Stelle ebenso auf die Greisin verweisen, für die allemal dasselbe zu gelten hat. Außerdem sah der weitsichtige Heraklit bereits 200 Jahre vor Epikur die Welt im steten Fluss.

Panta rhei. Alles fließt. Alles bewegt sich fort. Alles ist in Veränderung. Nichts bleibt. Das gilt auch für die Begriffe Greis und Greisin, die 2300 Jahre nach Epikur keiner mehr gern hört, jedenfalls nicht auf sich selbst angewandt, weshalb wir uns beispielsweise auf folgende Transformation des klugen Spruchs ins Zeitgenössische einigen könnten:

Ältere Herrschaften, die zufrieden, ja fröhlich auf all den Irrsinn zurückblicken, den sie in ihrem langen Leben durchlaufen und überstanden haben, die zugleich nichts bedauern und nichts versäumt glauben, wenn sie dereinst in die Grube sinken, sind die besten Vorbilder für jene, deren einzige bisherige Leistung darin bestanden hat, noch nicht alt geworden zu sein.

Epikur, dieser frische Geist, war ein Gärtner, deshalb wird er hier zitiert. Und Menschen, die gärtnern, das ist von zahllosen wissenschaftlichen Studien belegt, leben im Schnitt nicht nur gesünder, sondern auch länger als solche, die sich nicht ständig im Freien herumtreiben und ihre geliebten Blumen, Pfirsichbäume und Gurken hypnotisieren.

Gärtner leben länger. So kam eben auf Ö1, dem höchstwahrscheinlich besten Radiokultursender der gesamten zivilisierten Welt – der im Übrigen in der Argentinierstraße und eigenständig zu bleiben hat, und dessen Absiedelung auf den Küniglberg eine gefährliche Drohung ist und dringend von seinen Stammhörerinnen und -hörern, also von Ihnen, verhindert werden muss –, ein Fachmann zu Wort, der dem Gärtnern beste Noten ausstellte, wolle man gesund und zufrieden steinalt werden und nicht beispielsweise der Geißel der Demenz anheimfallen.

Wir, die wir mehrfach wöchentlich und sommers täglich wie die Gämsen über Steinböschungen klettern, Äxte, Schaufeln und Krampen schwingen, beim Unkrautjäten nebenbei ungezählte Kniebeugen tätigen, Mikrofingerfertigkeit beim Säen, Zupfen, Rosenschneiden üben, müssen davon nicht überzeugt werden. Ab einer gewissen Größe und Bewirtschaftungsintensität ist ein Garten ein ausgezeichnetes Fitnessstudio. Was aber noch viel besser ist: Der Garten ist nicht nur für den Körper gut, sondern er wirkt darüber hinaus auch segensreich auf den Geist. Er darf als eine Art gigantischer, in sich ruhender und den besten Einfluss auf das Gemüt ausübender Psychotherapeut betrachtet werden. Nichts Besseres wurde etwa gegen die Empfindung des Weltschmerzes erfunden als schweißtreibende Gartenarbeit, wobei nicht zaghafte Zupfereien gemeint sind, sondern wirklich ordentliche Hacke. Komposthaufen umsetzen. Setzlöcher graben.

Fest arbeiten. Eine neue Rabatte anlegen. Randsteine eingraben und verlegen. Alles, was viel Muskel und überlegte Herangehensweise erfordert. Nach spätestens einer so verbrachten Stunde ist der Weltschmerz zugunsten behaglichen Durchgearbeitetfühlens geschmolzen wie die letzten Schneereste in der Märzsonne.

Zufälligerweise traf ich einst eine schon weit jenseits der 70 angelangte, an sich ziemlich fitte Gartenhexe der Umgebung, die zu diesem Zeitpunkt vorübergehend von Schulterwehwehchen geplagt und zur Untätigkeit verdammt war. Sie gab zu, dessentwegen in ungewohnte Missmutigkeit verfallen zu sein. Es reiche ihr jetzt aber, sie werde trotzdem in den Garten gehen und irgendetwas arbeiten. Diese Mieselsucht sei unerträglich, sie erkenne sich selbst nicht wieder und wolle dem nun aktiv entgegenwirken.

Ein paar Wochen später traf ich sie wieder: braun gebrannt, sehnig und von fröhlichem Gemüt. Was denn mit der Schulter passiert sei, fragte ich. Sie meinte, das Wehwehchen sei dahin. Sie habe damals beschlossen, den Komposthaufen durchzuwerfen, was wider medizinischen Rat geschehen, doch so heilsam gewesen sei, dass sie sich völlig wiederhergestellt fühle.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2014)

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