Strategien gegen Winterfadesse

Das sehnlich erwartete Tauwetter kommt bald.
Das sehnlich erwartete Tauwetter kommt bald.Ute Woltron
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Vorbereitungen. Kaum ein Gartenmensch, der nicht langsam nach Aktivität im Freien lechzt. Es dauert aber noch. Krempeln Sie dennoch die Ärmel auf – Arbeit ist das beste Antidepressivum.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mir wird langsam fad. Mit säuberlich rosigen Händchen im Schoss und zunehmend untrainierten Muskeln in den Schultern monatelang in der Stube zu hocken und untätig auf den in Eis gepackten Garten zu starren, kann kein Dauerzustand für Gartenmenschen sein. Der heurige Winter will und will nicht vergehen. Und kommen Sie mir jetzt bitte nicht mit Spaziergängen durch Wälder, Auen und Parks als Naturerlebnisalternative – das alles ist sehr nett, aber ein ganz anderes Genre und sicher kein Ersatz für schweißtreibende, befriedigende Erdwühlereien und das Studium wuchernden Pflanzenzeugs.

Tatsächlich möchte ich den Garten als einen der besten Psychotherapeuten für leichte bis mittelschwere Verstimmungen bezeichnen. Nach zwei drei Stunden des Grabens, Aufbindens, Säens, Schnipselns und In-Bäumen-Kraxelns ist garantiert jeder Unmut verflogen. Dieses schweigsame vor sich Hinarbeiten funktioniert wie eine tröstliche Schwitzkur für die Psyche. Und ist die Arbeit getan, fühlt sich die durchgeknetete und vom Alltagsgestank gereinigte Seele an wie in Samt gepackt.

Die derzeitige Fadesse des späten Winters lässt mich, wie gesagt, nach Gartenarbeit lechzen, aber es gibt ein paar Gegenstrategien. Sie helfen, wenn auch nur ein bisschen. Schon allein die Aussicht auf das Durchwerfen des Komposts heitert ein wenig auf. Hier ein paar weitere Anleitungen zum weniger Unglücklichsein, um es übertrieben zu formulieren, denn angesichts der Weltenlage sollte man sich doch eher in Demut üben.

Dennoch – hier kommt Strategie Nummer eins: Erwerben Sie Hoffnung in Form vieler unterschiedlicher Samenpäckchen, die sie, relativ sinnloser-, doch befriedigenderweise zu verschiedenen Themenhäufchen türmen. Kräuter hier, Gartenblumen dort, Gemüsepflanzen da. Ich pflege sie in alten bemalten Zigarrenkistchen zu horten, gelegentlich hervorzukramen und umzusortieren. Sie stammen entweder von Grünmärkten oder von Freunden, die gern Samen vermehren, sowie von Internetbestellungen. Verheißungsvoll sind sie alle. Vorzuziehen sind auch manche davon, was uns gleich zu Strategie Nummer zwei bringt.

Langsam wachsende Pflanzen wie Chilis können jetzt schon auf dem Fensterbrett im Minigewächshaus angebaut und beim Keimen beobachtet werden. Wem das zu wenig ist – denn für Gemüsepflanzen wie Tomaten & Co. ist es noch zu früh – ,der kann diverse Zimmerpflanzen, aber auch wärmeliebende Kräuter wie Basilikum säen. Besonders empfohlen für diesen frühen Zweck: Tulsi, das heilige Basilikum Indiens. Wie alle Basilikumsorten ist es ein Lichtkeimer, also bedecken Sie die Samen nicht mit Erde!

Apropos Licht: Wer ein ausgedientes Aquarium oder Terrarium hortet, kann es zu einem äußerst interessanten Spätwinterantidepressivum umfunktionieren. Erst die Scheiben putzen, dann den Boden mit Blähtongranulat oder Ähnlichem bedecken: Das Raumvolumen ist vergleichsweise groß, das befeuchtete Granulat sorgt für die entsprechende, der Keimung dienliche Luftfeuchtigkeit.

Das Beste an alten Aquarien ist aber, dass sie in der Abdeckung über Leuchtstoffröhren verfügen, die das von Pflanzen benötigte Lichtspektrum abgeben. Die Röhren benötigen wenig Energie, versorgen die Pflanzen jedoch auch an nebelig finsteren Tagen mit genug Helligkeit. Besorgen Sie sich eine Zeitschaltuhr, dann kann beleuchtungstechnisch überhaupt nichts mehr schiefgehen. Außerdem kann das Anzuchtaquarium überall hingestellt werden, auch in die finstersten Ecken. Sollten Sie als Heimwerkertalent ein ähnliches Projekt ohne Altaquarium in Angriff nehmen und basteln wollen: Profis berichten, dass ohnehin ausgerechnet die billigsten Leuchtstoffröhren, und zwar die mit der Lichtfarbe Kaltweiß, das für Pflanzen ideale Lichtspektrum liefern. Dies ohne Gewähr, denn ich selbst habe es noch nicht ausprobiert. Es gibt jedoch im Fachhandel, zum Beispiel in Zoogeschäften, auch Röhren, die etwas teurer sind und mehr Leuchtkraft haben.

Wenn es Ihnen ähnlich ergangen ist wie mir, gelüstet es Sie jetzt hoffentlich nach Aktivität, und Ihre Stimmung hebt sich. Ein weiterer guter Plan für die kommende Saison kann ebenfalls jetzt bereits geschmiedet werden: Die Ödnis jedes Wintergartens wird von jenen Pflanzen aufgelockert, die auch in Eis und Frost schön ausschauen, beispielsweise, weil sie hübsche Samenstände tragen. Man darf sich jetzt also dennoch kurz hinausbegeben, die unansehnlichsten Gartenecken gedanklich notieren und sich überlegen, was dort – bald! – als Winterprophylaxe hingesetzt werden kann.

Tulsi.Ocimum sanctum ist nicht nur ein ayurvedisches Heilkraut, es schmeckt auch ausgezeichnet als Würz- und Teepflanze. Im Sommer kommt die aromatische Staude raus an die Sonne. Sie braucht viel Dünger und Wasser.

Lichtkeimer. Wer es nicht weiß, bei dem keimt nichts. Die Samen vieler Pflanzen dürfen nicht mit Erde bedeckt werden. Lichtkeimer sind neben dem Tulsi etwa auch Dill, Blattsalate, Karotten und Zitronengras.

Lichtfarben. Sehr vereinfacht ausgedrückt brauchen Pflanzen vor allem rotes und blaues Licht, jedoch im richtigen Verhältnis, sonst verkümmern oder vergeilen sie. Es gibt teure Speziallampen, Leuchtstoffröhren sind preiswerte Energiesparer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2015)

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