Trauerrosenkäfer: Wie ein Pompfüneberer im Schneetreiben

Trauerrosenkäfer
Trauerrosenkäfer (c) Olaf Leillinger/ Wikipedia
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Der schwarze Trauerrosenkäfer ist eine hierzulande seltene Erscheinung, auch wenn er sich derzeit in manch Rosengärtlein in erstaunlichen Massen an Rosenblüten gütlich tut.

Irgendwann landet fast jeder Gartenmensch unweigerlich bei der Rose. Irgendwann gräbt man den ersten Rosenstock ein und schaut ihm mit zunehmendem Staunen beim Gedeihen zu. Was im Frühjahr gerade einmal ein paar magere zurechtgeschnittene Ästchen gewesen sind, hat sich spätestens jetzt im Juni bereits zu einem feschen Strauch ausgewachsen– und sobald er in dieser für Rosen üblichen Üppigkeit Blüten und Duft spendet, will man immer mehr, dann ist es um einen geschehen.

So auch um Manfred W. Er ist noch dazu bildender Künstler und von feinem ästhetischen Gespür, was man etwa in seinen magischen Fotografien ozeanischer Kreaturen nachempfinden kann. Bislang war er sozusagen eher in den Unterwassergärten daheim. Dort taucht er winzig kleine Kreaturen nach, an denen jeder andere vorbeischnorcheln würde. Er bringt tief unter dem Meeresspiegel in der Strömung schwankende Fotoapparaturen in Stellung und bildet unter diesen widrigen Bedingungen die bizarrsten Wesen ab. Eine fremde Welt, gekonnt in Szene gesetzt. Kein Wunder also, dass jemand, der viel Zeit millimeterkleinen, in Seeanemonen versteckten Garnelen widmet, auch für die Schönheit der Rose äußerst empfänglich ist.

Denn gelegentlich taucht er ja doch aus den Fluten wieder auf, und so geschah es vor zwei Jahren, dass ihn in einer kurzen Überwasserphase die Rosenleidenschaft ergriff, und zwar in seinem Garten, der vorher auch schon schön, jedoch rosenlos gewesen war. In der ersten Rosensaison des Manfred W. gab es makellose dunkelrote, fast schwarz anmutende Rosen zu bewundern. Das Spektakel sollte sich heuer wiederholen, doch sobald die Rosen aufgeblühten, bekamen sie Besuch.

Auf jeder Blüte, so berichtete er verdrossen, säßen bis zu einem halben Dutzend Käfer, die sich durch Blatt und Pollen fräßen und die Blüten vernichteten. Es sei eine regelrechte Invasion ihm unbekannter Tiere, gegen die er dringend etwas unternehmen müsse, denn alles, was recht sei, er brauche Rat. Wie denn die Käfer ausschauen, wollte ich wissen. Groß, schwarz und mit weißen Tupfen gesprenkelt, war die Antwort. Internetvergleiche hätten eine gewisse Ähnlichkeit mit bestimmten Rüsselkäfern offenbart, doch eben nur eine gewisse und keine absolute.

Weiß getüpfelt. Ein Foto sauste durch die Weiten des Internets und eröffnete auf dem Bildschirm, dass es sich in der Tat nicht um Rüsselkäfer, sondern um eine ganz besondere, hierzulande doch recht seltene Spielform des Rosenkäfers handelte: Oxythyrea funesta, der Trauerrosenkäfer, ist innerhalb der ohnehin attraktiven Familie der Rosenkäfer eine besondere Augenweide. Er hat die charakteristische behäbig-kastenartige Form seiner Gattung, wie wir sie von den weitverbreiteten grün schillernden Verwandten, den Gewöhnlichen Rosenkäfern, kennen. Der Trauerrosenkäfer hingegen ist kohlrabenschwarz und fein weiß getüpfelt wie ein Pompfüneberer im Schneetreiben. Im Jugendstadium ist der Käfer noch dazu flaumig weiß behaart. So einen wollte ich immer schon sehen, doch bis in meinen voralpinen Garten hat er es – noch – nicht geschafft.

In Deutschland steht der Trauerrosenkäfer auf der Roten Liste der bedrohten Arten, und es gibt einige Bestrebungen, die schmächtigen Populationen dort zu unterstützen. In Österreich hingegen, insbesondere in warmen Gegenden wie dem Burgenland und der Südsteiermark, verbreitet sich der aus dem mediterranen Raum stammende Käfer dank der heißen Sommer und milden Winter der jüngeren Vergangenheit gerade wieder ziemlich mächtig. Regional tritt er sogar in unliebsamen Massen auf, so wie eben im Rosengarten des Manfred W.

Nachdem offenbar ward, welcher Käfer da an den Blüten nagt, rang er die Hände. „Die stehen unter Schutz“, meinte er betreten, „die sind in Deutschland vom Aussterben bedroht!“ Er bekannte, zuvor bereits zwei, drei von ihnen mit der Gartenschere erledigt zu haben. In ihrem Inneren seien nichts als in Verdauung befindliche Rosenreste gewesen. Die Koleopterologie, also die Wissenschaft von den Käfern, rät in solchen Fällen, die leicht einzufangenden Tiere von der Blüte in ein Gefäß zu beuteln, wegzuführen und andernorts wieder freizulassen. Nicht unbedingt im Rosarium der Nachbargemeinde, aber in einer Gegend, in der sie sich satt fressen und vermehren können. Insbesondere in den noch kühlen Morgenstunden sind die Käfer noch träge und leicht abzubeuteln.

Die beste Variante, ihn in Schach zu halten, scheint mir das Setzen vieler Rosen zu sein. Wenn zahllose Blüten zur Verfügung stehen, nagt mal hier, mal dort einer, und es sei ihnen vergönnt. Hier, wo nur Gewöhnliche Rosenkäfer und gelegentlich Kupferrosenkäfer brummen, wäre der Trauerrosenkäfer willkommen. Möglicherweise krieg ich jetzt, wo ich es geschrieben habe, ein Gläschen voll geliefert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2015)

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