Biolandwirtschaft: Die fetten Jahre sind jetzt

Was die biologische Landwirtschaft angeht, ist Österreich Weltmeister.
Was die biologische Landwirtschaft angeht, ist Österreich Weltmeister.Ute Woltron
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Die Selbstverständlichkeit, mit der wir Österreicherinnen und Österreicher in Supermärkte spazieren und dort aus einer breiten Palette von Bioprodukten wählen können, ist keine solche.

Der britische Publizist und Historiker Cyril Northcote Parkinson (1909 – 1993) ist als Erfinder, oder vielleicht besser: Entdecker der Parkinsonschen Gesetze in die Wirtschaftsgeschichte eingegangen, und keiner bürokratischen Organisation, sei es ein Unternehmen oder ein Staat, schadete es, gelegentlich sicherheitshalber seine Merksätze zu studieren. Mit dem Skalpell der Ironie zerlegt Parkinson in der 1955 erschienenen Lehre über die Multiplikation von Arbeit alle Blüten, die Bürokratie und menschgemachte Organisationen zu treiben nicht nur imstande, sondern umständehalber gewissermaßen gezwungen sind.

Parkinson selbst war ein fleißiger Mann. Er schrieb über 60 Bücher. Während der Recherchen zu einem, das sich mit Geschichte und Zustand der britischen Marine befasste, fiel ihm auf, dass die Zahl der Admiräle in einem Zeitraum von nur 14 Jahren um erstaunliche 78 Prozent gestiegen war. Die Menge der zu befehligenden Schiffe war im selben Zeitraum jedoch um 67 Prozent gesunken, und auch die Anzahl der Offiziere hatte sich mit minus 31 Prozent deutlich verringert.

Es gab also verhältnismäßig viel mehr Häuptlinge als Arbeiter, ein Zustand, der sich nach einer Weile unweigerlich überall dort einstellt, wo sich Systeme und Gesellschaften in Zeiten des Wohlstandes befinden und sich derlei bürokratische Eskapaden leisten können. „Arbeit“, so schloss er daraus, „dehnt sich in genau dem Maß aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht.“ Wer wollte da im föderalistisch reglementierten Österreich allen Ernstes widersprechen?


Ausgaben und Einkommen. Das wahrscheinlich aber wichtigere, weil uns alle noch viel vordergründiger betreffende Parkinsonsche Gesetz ist das der Verschwendung. Es lautet: „Die Ausgaben steigen stets bis an die Grenzen des Einkommens.“ Im Falle des Staates übersteigen sie diese sogar alljährlich immer wieder, was jedoch kein Wunder ist, denn auch hierzulande ist die Zahl der Admiräle anteilig höher als die der Offiziere, und trotzdem scheint kaum einer für irgendetwas verantwortlich zu sein.

Doch ziehen wir uns an dieser Stelle sicherheitshalber ins Private und in den Garten zurück, so wie das auch die viel zitierten Herren Epikur und Montaigne angesichts nicht zu ändernder Umstände getan haben, um nur die Prominentesten unter den Politflüchtigen zu nennen. Auch im grünen Österreich lässt sich, ebenso wie in allen anderen Lebenslagen, feststellen, dass wir, unweigerlich dem Parkinsonschen Gesetz der Verschwendung folgend, verwöhnt sind. Wir sind so dermaßen satt und verwöhnt, dass den meisten von uns gar nicht bewusst ist, in welch Agrarland der absoluten Spitzenklasse wir Österreicherinnen und Österreicher leben dürfen, wofür wir uns täglich alle zehn Finger abschlecken sollten vor Dankbarkeit und warmer Freude.

Denn was die biologische Landwirtschaft anbelangt, ist Österreich Weltmeister. Nirgendwo sonst ist der Anteil an Biobetrieben bei landwirtschaftlichen Produktionen und Unternehmen höher als hierzulande (17,1 Prozent laut BMLFUW). Ein Fünftel der landwirtschaftlich genutzten Fläche wird mittlerweile biologisch bewirtschaftet (Invekos 2014). Ohne Gift, ohne Unkrautvertilgung auf chemischer Basis. Nirgendwo sonst spaziert man mit der verwöhnten Selbstverständlichkeit des Luxusgeschöpfes in jedweden Supermarkt und bekommt dort Biogemüse, Biobrot und Biomilch serviert. Noch vor zehn Jahren wäre das undenkbar gewesen.


Geförderte Landwirtschaft. Natürlich sind auch Biobetriebe mit EU-Mitteln wohl gefördert, werden die ewigen Lästerer an dieser Stelle einwenden, und sie haben damit auch recht. Doch das ist zum einen anderswo ebenso – mit ungleich magereren Resultaten. Zum anderen hat man Geld schon sinnloser zum Fenster hinausgeworfen, selbstredend auch in der Landwirtschaft.

Und zu guter Letzt: Wer einen österreichischen Biobetrieb nennen kann, sei es ein Apfelbauer, ein Körndl-, Gemüse-, Wein- oder Hörndlbauer, der es sich tatsächlich leisten kann, den Parkinsonschen Gesetzen der Verschwendung und Überbürokratisierung zu folgen, möge sich bitte sofort melden.

Lexikon

Bio-Lebensmittel.
Das sind Produkte, die aus ökologisch kontrolliertem Anbau stammen, die gentechnisch nicht verändert sind und ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel oder Kunstdünger angebaut werden.

Tierische Produkte. Bei tierischen Produkten ist eine artgerechte Haltung vorgeschrieben, Antibiotika und Wachstumshormone sind nicht zulässig.

Siegel.
Es gibt mehrere Güte- und Prüfsiegel für Bioprodukte. In Österreich etwa das AMA-Biosiegel, auf europäischer Ebene das Bio-Siegel der Europäischen Union.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2015)

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