Samengärtnerei

Viel besser als Plastik

Soil-Blocker oder die Erdballenpresse erleichtert die Arbeit der Samengärtner.
Soil-Blocker oder die Erdballenpresse erleichtert die Arbeit der Samengärtner.(c) Ute Woltron
  • Drucken

Bevor Sie unendlich viele Plastiktöpfchen horten, reinigen, mit Anzuchterde befüllen, besorgen Sie sich lieber eine Erdballenpresse, sie spart Zeit, Nerven und Erdbrösel.

Ich verstehe vollkommen, wenn man sich die Arbeit der Samengärtnerei im Frühling nicht antun will. In ein paar Wochen werden ohnehin die herrlichsten Jungpflanzen in den Gärtnereien und Grünmärkten zum Verkauf stehen. Dann schlendert man dort in einem Rudel beglückter Gleichgesinnter durch die Reihen, erbeutet die strammsten Pflanzen, trägt sie nach Hause und gräbt sie ein. Bis dahin hat man seine Ruhe und keine Jungpflanzenarbeit. Man geht ins Kino und ins Kaffeehaus, trifft andere Menschen, ist ein sozial interagierendes, normales Wesen. Nicht so wir anderen. Wir Samengärtner verfallen in diesen Wochen in eine Art Irrsinn, in einen Rausch, der uns in unseren freien Stunden zu asozialen, unansprechbaren Wesen mit noch dazu chronisch dreckigen Fingernägeln macht.

Unser Gegenüber ist ein Chaos aus Töpfen, Erden, Samenpäckchen, Pikierhölzern, Beschriftungsstäbchen und ewig im Gewühl unauffindbaren Bleistiften, die einen Weichegrad von mindestens 2B aufweisen müssen. Wenn Sie Letzteres verwundert, dann haben Sie noch nie versucht, mit einem harten Bleistift „Chili Black Beauty“ oder „Ipomoea von Tante Gerti“ mit Blei auf Kunststoffstäbe zu schreiben. Doch der Irrsinn macht bei aller Mühsal unendlich viel Spaß! Bei guter Musik oder in meditativer Stille übergibt man sich stundenlang vollkommen dem Geschehen, und alljährlich ist es immer noch wie ein Wunder, dass aus winzigen Körnern Pflanzen sprießen, heranwachsen, die Arbeit mit Paradeisern, Bohnen oder Blumen belohnen.

Soil-Blocker

Sollten auch Sie dieser Gemeinschaft von Freaks angehören und sehr viele Samen vorziehen, so können Sie sich das Leben mit einem gar nicht kostspieligen Werkzeug erleichtern: Es heißt Erdballenpresse oder Soil-Blocker. Damit werden in Windeseile kleine Erdkuben samt oben befindlicher Mulde gepresst, die den Topf ersetzen. In diese beim Pressvorgang entstehende Mulde kommt der Samen hinein und wird nur noch mit Erde bedeckt. Die Soil-Blocker haben mehrere bestechende Vorzüge, und wenn man sie einmal verwendet hat, will man nie wieder zu Töpfchen zurückkehren: Sie ersparen dem Samengärtner nicht nur das mühselige Befüllen, sondern auch das Sammeln, Aufstapeln und Reinigen zahlloser Plastikblumentöpfe.

Des Weiteren erleichtern die praktischen Erdkuben schließlich auch das Pikieren der jungen Pflanzen ungemein, weil diese einfach mitsamt dem durchwurzelten Substrat ausgepflanzt werden. Kein vorsichtiges Aus-dem-Topf-Klopfen und kein Erdbröseln mehr. So weit der praktische Aspekt. Doch die Soil-Blocker können noch mehr. Es hat sich gezeigt, dass die in ihnen gezogenen Pflanzen kräftiger als die in Töpfen kultivierten sind. Der Grund dafür ist wissenschaftlich erforscht, und die stark vereinfachte Erklärung lautet folgendermaßen: An den Außenkanten der kleinen Erdblöcke findet etwas statt, was Profis Airpruning, also Luftschnitt, nennen.

"Zerfallen die Dinger nicht"

Sobald die Wurzeln des Sämlings die Erde durchdrungen und die Luft erreicht haben, beginnen sie, sich zu verzweigen, was einen dichten Wurzelballen zur Folge hat. Und genau so einen will man haben, denn er ist der Garant für kräftige Pflanzen, gutes Wachstum und reichen Ertrag. In Töpfen hingegen findet dieser Prozess nicht statt. Die Wurzeln wachsen einfach die Topfwände entlang und werden nicht gezwungen, mehr zu tun als nötig.

„Zerfallen die Dinger nicht beim ersten Gießen?“, werden Sie jetzt fragen. „Nein“, lautet die Antwort, „wenn das zu Kuben geformte Substrat die richtige Mischung und eine entsprechende Konsistenz hat.“ Sie benötigen neben guter Anzuchterde oder magerer, nicht gedüngter Blumenerde mit feiner Struktur einen Sack Bentonitkatzenstreu. Davon mischen Sie eine kleine Menge unter die Erde, gießen recht viel Wasser darüber und vermischen die Sache mit den Händen zu einer Art Gatsch. Die Erdmasse sollte, wenn sie in der Faust zusammengedrückt wird, leicht tropfen und in Form bleiben.

Dann füllen Sie damit eine flache Wanne ungefähr zehn Zentimeter hoch und drücken die Erdballenpresse so hinein, dass die Hohlräume gut gefüllt sind. Schließlich schaben Sie die Unterseite glatt, heben den Soil-Blocker in die Anzuchtschale und drücken die fertigen Blöcke dank eingebauter Federkonstruktion einfach heraus. Das geht, wenn man es ein paar Mal geübt hat, wie am Fließband und spart unendlich viel Arbeit. Tauchen Sie die Presse zwischendurch immer ins Wasser, dann rutscht die Erde besser heraus. Die Geräte gibt es in verschiedenen Größen und auch mit unterschiedlichen Zapfendimensionen für die Samenmulden via Internet.

Lexikon

Soil-Blocker. Die Briten und Amerikaner verwenden dieses System seit Jahrzehnten, während es hierzulande bisher praktisch ausschließlich im Profipflanzenbau zum Einsatz kommt.

Bentonit. Das ist nichts anderes als ein Gemisch aus verschiedenen Tonmineralien, die eine besonders gute Wasseraufnahmefähigkeit haben. Nicht zu viel davon verwenden!

Erdballenpresse. Sie bekommen sie über den Gartenspezialversand, am besten im Internet unter Erdballenpresse oder Soil-Blocker nachschlagen. Sicherheitshalber: Ein Gerät, das fünf Blocks gleichzeitig presst, darf nicht mehr als 20 Euro kosten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.