Gartenkralle

Sternmagnolien: Rätselhafte Hoheiten

Heuer blüht die Sternmagnolie in kitschigem Rosa.
Heuer blüht die Sternmagnolie in kitschigem Rosa.(c) Ute Woltron
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Derzeit stehen sie allerorts in Prachtblüte. Doch die Magnolien sind eigenwillige Geschöpfe der Urzeit, und manche von ihnen folgen ihren Gärtnern einfach nicht.

Vielleicht kennen Sie das: Für den Morgenkaffee fehlt die Milch, also auf zum nächsten Geschäft. Während man inmitten von plappernden Schülerhorden samt deren Wurstsemmeln, Schokoriegeln und anderem ungesunden Zeug an der Kassa wartet, und in Gedanken Gesundheits- und Unterrichtsministerium, Eltern und andere pädagogische Niederlagen geißelt, fällt der Blick auf die dort geschlichteten, meist sehr durstigen Pflanzen. Wenn dann hinter Plastikhüllen unidentifizierbare und oft recht mickrige Gestrüppe Schilder mit der magischen Inschrift „Magnolia stellata“ tragen, ist es vorbei mit der gärtnerischen Selbstdisziplin. Von wegen kein Platz mehr im Garten, und alles ist schon zugepflanzt. Über Bord mit dem heiligen Eid, heuer ganz sicher nichts Neues zu setzen, sondern das, was ohnehin wuchert, ordentlich zu pflegen. Fort mit diesen Selbstgeißelungen, denn hier warten Sternmagnolien auf ein gutes Plätzchen!

Schönste unter den Schönen. Die Stars der uralten Gattung Magnolia, die ihre unglaublichen Blüten bereits öffneten, als noch Dinosaurier das Erdenrund umtrampelten. Denn Magnolien zählten zu den ersten Pflanzen, die Blüten entwickelten. Auf zumindest 100 Millionen Jahre wird ihr Alter geschätzt, möglicherweise sind diese lebenden Fossile sogar älter als die Bienen. Die prachtvollen Blüten werden denn auch von Käfern bestäubt, und man nimmt an, dass die Blütenblätter so auffällig robust und kräftig ausgebildet sind, dass die gepanzerten Krabbeltiere sie nicht verletzen können. In den warmen Epochen der Kreidezeit wuchsen Magnolien fast am gesamten Globus. Heute sind sie nur noch im Süden der USA und in Asien endemisch. Die Sternmagnolie beispielsweise wächst wild lediglich in ein paar Provinzen Japans in feuchten, lichten Wäldern. Sie blüht weiß, erreicht höchstens fünf Meter und bleibt locker und zierlich. Gut geeignet also selbst für Gärten, die schon ziemlich dicht bewachsen sind wie meiner.

Mit der Morgenkaffeemilch erreichten denn auch unweigerlich zwei dieser mit Sternmagnolie ausgeschilderten Pflanzen den Garten. Der Gedanke, der eigne sich nicht sonderlich für Magnolien – zu trocken, zu sonnig, zu kalkig für die flach wurzelnden Waldpflanzen, die es lieber feucht, leicht alkalisch mögen – wurde beiseitegeschoben. Denn eine Sternmagnolien-Vorgängerin, eine rosa blühende Tulpenmagnolie, hatte die vergangenen fünfzehn Jahre recht gut hier überlebt. Im Jahr nach dem Pflanzen trug eine ab März milchweiße Sterne. Atemberaubend vor dem idealen dunklen Hintergrund der Buchshecke! Die andere hingegen, aus Platznot mitten in ein Blumenbeet gesetzt, trieb zur selben Zeit verdächtig dicke und lange Blütenknospen und blühte wenig später in üppigem Dunkellila auf. Sie trug zwar noch das Sternmagnolienschild um den Magnolienhals, auf dem eine zierlichere weiße Blüte abgebildet war, doch handelte es sich um eine Purpurmagnolie Magnolia liliiflora.

Egal. Auch Baumschulen begehen pädagogische Fehler mit falschen Noten. Zum Glück ist die Purpurmagnolie auch kleinwüchsig und erreicht kaum Höhen über fünf Meter. Notfalls kann sie ein wenig gestutzt werden, selbst wenn sie das nicht besonders mag. Drei Frühlinge hintereinander brachten weiße Sterne bei der einen, lila Riesenblüten bei der anderen. Doch ab dann begann sich eine seltsame Veränderung abzuzeichnen. Die vormals milchweißen Sternmagnolienblüten trugen plötzlich ein zartes, kaum wahrnehmbares Rosa. Auch in Ordnung, wobei das Weiß schöner war. Heuer ist die Sternmagnolie jedoch völlig durchgedreht. Sie blüht in kitschigem Rosa. Bisher konnte niemand erklären, warum. Möglicherweise hat die Umfärbung etwas mit der Bodenbeschaffenheit zu tun, doch ich bin offen für alle Erklärungsversuche Ihrerseits. Es handelt sich jedoch sicher nicht um eine Mutation, eine Rückentwicklung, wie sie gelegentlich an anderen Gewächsen an einzelnen Ästen zu beobachten ist, denn die Veränderung betrifft die gesamte Pflanze und somit auch die alten Astpartien.

Erziehungsmaßnahme. Die Kombination mit den darunter gesetzten knallgelben Märzenbechern, derzeit ebenfalls in voller Blüte, war so jedenfalls nicht geplant. Die müssen weg. Und der Boden wird mit Kaffeesud, gehäckseltem Nadelholz und Eichenlaub in Richtung sauer umerzogen. Möglicherweise lässt dann das unfolgsame Pflänzchen seine Blüten wieder verblassen. Nächstes Jahr um diese Zeit werden wir wissen, ob die Erziehungsmaßnahme gewirkt hat.

Magnolien. Die Gattung umfasst ca. 300 Arten und wurde vom Botaniklehrmeister Carl von Linné nach einem seiner Vorgänger, dem Botaniker Pierre Magnol, benannt.

Waldpflanzen. Feucht, humusreich, etwas sauer sollte der Boden für die Waldpflanzen sein. Sie vertragen Halbschatten, je nach Sorte aber auch ziemlich viel Sonne. Manche Magnolienarten werden bis zu 25 Meter hoch, andere bleiben wenige Meter klein.

Blütezeit. Die meisten Magnolien blühen sehr früh im Jahr, was den berauschenden Blütenflor gelegentlich zum Opfer von Spätfrösten macht. Es gibt jedoch auch Sorten, die später oder gar erst im Hochsommer blühen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2017)

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