Gartenkralle

Der Hecht im Laub

Die heimische Wildrose, eine Seltenheit.
Die heimische Wildrose, eine Seltenheit.(c) Ute Woltron
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Rosa glauca. Die Wildrose mit dem auffällig hechtblauen Laub ist viel zu selten an Waldrändern und in Gärten zu sehen. Das ist bedauerlich, denn sie ist eine eigenwillige Schönheit.

Den Entschluss, eine Rosa pimpinellifolia auf der Krone einer aus Steinen geschichteten Stützmauer zu pflanzen, fasst der Gartenmensch gewöhnlich nur ein Mal in seinem Leben, und wenn ich Ihnen einen Tipp geben darf: Folgen Sie diesem Beispiel nie. Denn die Bibernell- oder Dünenrose, wie das nur auf den ersten Blick fragile Wildrosengeschöpf genannt wird, mag zwar auf unwegigen Hängen entzücken, an heiklen Stellen entwickelt es sich jedoch zu einer echten Plage. Wildrosen sind zwar erfreulich robust und kaum anfällig für die typischen Rosenkränkeleien wie Mehl- und Sternrußtau. Manche Arten sind jedoch auch von einer Unternehmungslust, die den Gartenmenschen in die Verzweiflung treiben kann. Mittels Wurzelausläufern verbreitet sich beispielsweise die sonst recht zierliche Bibernellrose in Windeseile. Sie durchdringt alle Steinritzen, unterwandert die Gurken- und Salatbeete, muss praktisch wöchentlich diszipliniert und in die Schranken verwiesen werden, und irgendwann verliert man, um es vorsichtig auszudrücken, die Zuneigung und auch den Nerv für sie und reißt meterlange Triebe unter Mühe und mit viel Grabarbeit aus.

Danach hat man als noch unerfahrener Rosengärtner eine Zeit lang genug von Wildrosen, wartet ein paar Jahre, entdeckt jedoch schließlich, dass nicht alle von ihnen so dermaßen wuchern, und versucht es noch einmal mit anderen Arten. Mit den schönen Sand- und Weinrosen etwa, mit der weißen und der roten Apfelrose – alle ein Gewinn für Stellen, an denen anspruchsvollere Rosenzüchtungen nicht so recht gedeihen wollen.

Eine Pracht! Schließlich stößt man auf eine der faszinierendsten von ihnen, die Rosa glauca, auch Hechtrose genannt. Eine Pracht! Man sieht diese hierzulande heimische Rose dennoch recht selten in den Gärten und mittlerweile noch seltener an den Waldrändern, was sich dank einer Initiative der Österreichischen Bundesforste möglicherweise ändern wird. Denn in einer groß angelegten Aktion werden 35 bedrohte heimische Baum- und Straucharten wie die Schneebirne, der Wildapfel, die Flaumeiche und der Blasenstrauch fünf Jahre lang im Zuge eines Naturschutzprojekts ausgepflanzt. Insgesamt etwa 100.000 Pflanzen werden die vorbildlichen Bundesförster bis 2020 in ihren 121 Revieren eingraben. Darunter befindet sich auch ebendiese Rosa glauca, deren veralteter Namenszusatz rubrifolia lautet und auf ihre Besonderheit verweist: Ihre Blätter sind grau-blau-silbrig und verwandeln sich im Herbst schließlich zu einem dunklen Bordeaux. Egal, wo diese Rose steht, sie wird zu einem Blickpunkt. Der auch gebräuchliche Name Hechtrose bezieht sich ebenfalls auf die Blattfarbe, die so graublau sein soll wie der Hecht. Da man diesen, wenn überhaupt, nur auf dem Teller zu begegnen pflegt, wird man sich hier auf das Farburteil der Ichthyologie verlassen müssen.

Zitat aus der Bundesforste-Info: „Obwohl Österreich als waldreiches Land gilt, sind zahlreiche Baumarten in den letzten Jahrzehnten rar geworden.“ Artenreichtum und Mischwald seien der beste Garant gegen Schäden durch Klimawandel, Wetterextreme und Waldschädlinge wie den Borkenkäfer. Das Wildobst nährt Wildbienen, Rehe, Hirsche, Igel. Blütensträucher am Waldrand, wie Dirndl, Weißdorn, Schlehen erweitern das Futterangebot der Vögel, bieten Schutz und Nistraum. Die Rosa glauca eignet sich als solches Waldrandgeschöpf gerade für eben jene schwierig zu bepflanzenden Stellen, an denen kaum andere als Wildrosen gedeihen. Sie bevorzugt Halbschatten, kommt auch mit trockenen Böden zurecht und bildet ein ganz dichtes, wunderschönes Blattwerk, das durch die rosa-weiße, ungefüllte und an Zartheit kaum zu überbietende Blüte jetzt Ende Mai bis weit in den Juni hinein nochmals hervorgehoben wird.

Schneiden Sie die Hagebutten im Herbst nicht ab. Die Rose sät sich selbst aus, die Vögel fressen sich gern an den Hätscherln satt, fliegen mit vollen Kröpfen weiter, scheiden die Kerne irgendwo aus, und an günstiger Stelle werden weitere hechtblaue Wildrosen wachsen. Wer selbst die Vermehrung mittels Samen vornehmen will, übe sich in Geduld. Es kann bis zu einem Jahr dauern, bis die aus den Hagebutten gelösten Kernchen keimen. Am besten stellen Sie die Anzuchttöpfe- oder -schalen mit den Samen im Herbst an eine feuchte Schattenstelle, achten darauf, dass das Substrat nicht austrocknet, warten den durch Frost die Keimung befördernden Winter ab und freuen sich über jedes Rosenpflänzchen, das da im Laufe vieler Monate auftauchen wird.

Rosa glauca. Allerhöchstens drei Meter hoch, dafür eher breit wächst die europäische Hechtrose. Ihr natürlicher Verbreitungsraum sind vor allem gebirgige Zonen von den Karpaten über die Alpen bis zu den Pyrenäen.

Blüte. Sie ist möglicherweise auf den ersten Blick nicht so sensationell wie die hochgezüchteter Rosen, auf den zweiten Blick jedoch durchaus liebreizend mit innen weißen, außen rosa bis lila gefärbten Blütenblättern.

Verbreitung. Diese erfolgt über Vögel, die sich an den Hagebutten laben und die Samen andernorts wieder ausscheiden. Diesen Verdauungstransport nennt man übrigens Endochorie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2017)

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