Das Gewissen des Gärtners: Soll man die Taro morden?

Gewissen Gaertners Soll Taro
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Saison der unterirdischen Schätze. Erdäpfelausgraben ist eine lustvolle Betätigung im Vergleich zur Taro-Ernte. Denn Letztere bedeutet, eine prachtvolle Pflanze knapp vor der Blüte ihres Lebens hinzuschlachten.

Eine der größten Vergnüglichkeiten des Gärtnerlebens ist das herbstliche Schätzegraben: Mit Kübeln, Spaten, Grabgabeln und gelegentlich auch Krampen in den schwielig gewordenen Pratzen – je nach Beschaffenheit des Bodens – schreiten wir am Ende der Gartensaison hinaus auf unsere Kleinäcker und holen uns die Belohnung für die Mühen des vergangenen Jahres ab.

Wir haben Misthaufen durchgeworfen und kostbaren Kompost gewonnen. Wir haben Erde aufbereitet und ausgedehnte Areale umgestochen. Wir haben allerlei Knollen und Wurzen gelegt und gesät, wir haben angehäufelt, Unkraut gezupft, stinkende Jauchen zur Düngung bereitet und noch stinkendere zur Schädlingsvertreibung versprüht.

Wir haben der Witterung getrotzt und abwechselnd stundenlang gegossen oder hastig Drainage-Rillen gegraben. Kurzum: Wir haben unsere Gärten mit äußerster Hingabe begleitet, denn beherrscht werden selbstverständlich wir von ihnen – und nicht umgekehrt.

Nun erfolgt die Belohnung. Wir werden immer fündig. So oder so. Zum Beispiel konnten jene, die heuer in Zonen außergewöhnlichen Niederschlagsreichtums Kartoffeln gelegt hatten, fast genauso viele mit Hammer und Meißel aus dem wie zu Beton verdichteten Boden stemmen, wie sie hoffnungsfroh im Frühjahr im Erdboden versenkt hatten. Immerhin.

Normalerweise kommt beim Kartoffelausgraben dank reicherer Knollenernte zwar eine etwas euphorischere Goldgräberstimmung auf, doch die heurige Saison ist wenigstens der Beweis dafür, dass der Erdapfel selbst unter widrigsten Bedingungen zumindest fast immer überlebt.

Ein tropischer Aronstab

Außerdem gibt es ja auch Pflanzen, denen die überdurchschnittliche Feuchtigkeit sehr entgegenkam, wie zum Beispiel einem Gewächs, das hierzulande noch fast unbekannt ist: die Taro, ein tropischer Aronstab, der prachtvolle, riesige, sattgrüne und herzförmige Blätter bildet und dessen Knolle eine ausnehmend interessante kulinarische Bereicherung für Experimentierfreudige darstellt.

In Asien und Südamerika ist die Colocasia esculenta, auch Kalo, Cocoyam, Dasheen, Eddro, Taioba genannt, weit verbreitet und ein weit bedeutenderer Stärkelieferant als die Kartoffel. Es gibt an die tausend Sorten von ihr.

Die von mir kultivierte stammt von einer Insel vor Ostafrika, wo ich sie vor vielen Jahren ausgrub und mitsamt Kleinfauna im Koffer und wahrscheinlich völlig illegal nach Hause transportierte. Damals hatte ich es mehr auf die Schönheit der Pflanze als auf ihre unterirdischen Gaben abgesehen, denn von den kulinarischen Talenten der Taro wusste ich noch nichts. Ich kannte ja nicht einmal ihren Namen.

Mein Herbst-Dilemma

Doch da ich mittlerweile alle Informationen über sie gesammelt habe, stehe ich allherbstlich vor dem Dilemma: schlachten oder nicht. Denn über den Sommer wird die Pflanze im Freien riesengroß und üppig.

Bis dato konnte ich es noch nicht über mich bringen, denn folgender günstiger Umstand spielt dem Überleben meiner afrikanischen Taro-Veteranin zu, und davon – aufgepasst! – können auch Sie profitieren: In guten Asia-Shops bekommen Sie diese rauen, wie fasrige Rüben ausschauenden Knollen. Die können Sie entweder verzehren oder – wie ich – einsetzen. Das alleroberste Zipfelchen bleibt über der Erde.Innerhalb kürzester Zeit werden Sie eine der prächtigsten Pflanzen eignen, die Sie je gießen durften. Im Winter bleibt sie natürlich drinnen. Im Sommer steht sie draußen und wird riesengroß. Und dann erzählen Sie mir bitte Ende der kommenden Freiluftsaison, ob Sie es über sich gebracht haben, die Knollen zu ernten, oder nicht.

Taro-Verwandter: Elefantenohr

Tipps: Es gibt eine Pflanze, die der Taro zum Verwechseln ähnlich sieht und häufig Elefantenohr genannt wird. Diese Xanthosoma ist mit der Colocasia esculenta zwar verwandt und auch genießbar, schmeckt aber dem Vernehmen nach lang nicht so gut.

Die Taro kann gegrillt, gebraten, getrocknet, gerieben oder wie Kartoffeln gekocht werden. Da sie unter anderem das wenig bekömmliche, jedoch ins Wasser übergehende Calciumoxalat enthält, wird das Kochwasser zwischendurch einmal gewechselt.

Nicht einfach zu überwintern

Die Taro ist nicht ganz einfach zu überwintern, wenn sie zu kalt, zu sonnig, zu feucht steht, wird sie sofort von Spinnmilben heimgesucht. Austrocknen lassen zwischendurch in dieser Zeit ist wichtig, vergilbende Blätter entfernen, notfalls die gute alte Spiritus-Schmierseife-Kur zur Anwendung bringen.

Erfahrungsberichte sind wie stets sehr willkommen unter ute.woltron@diepresse.com.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2010)

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