Winterdepression: Dunkle Traurigkeit

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Wenn die Tage kürzer werden und die Dunkelheit länger dauert, packt viele die Winterdepression. Abhilfe schafft vor allem eines: Licht. Betroffenen stehen gleich mehrere Therapien zur Verfügung.

Selbst eine Psychiaterin ist nicht davor gefeit: Auch auf die Seele einer Fachfrau, die sich mit den Seelen anderer auskennt, kann sich die dunkle Winterzeit schlagen. „Ich habe zwar keine starke Winterdepression gehabt, aber unter so etwas wie Winterblues habe ich schon gelitten“, erzählt die Wiener Psychiaterin und Psychotherapeutin Martha C.

Der Unterschied zwischen Winterdepression und -blues ist das Ausmaß der Symptome: Depression ist stärker, Blues ist sozusagen die Light-Variante. Beiden gemein sind die saisonale Begrenztheit sowie die Ursache: Lichtmangel. Wegen der kürzer werdenden Tage und der länger währenden Dunkelheit erhöht sich der Spiegel des Schlafhormons Melatonin, wird die Produktion der Glückshormone Serotonin und Dopamin gedrosselt und auch die Ausschüttung von Noradrenalin wird zurückgefahren. „Verletzlichere Personen reagieren mit einer Herbst-Winter-Depression“, sagt Siegfried Kasper, Vorstand der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Med-Uni Wien. „Die erlebt jeder anders, manche sind extrem belastet, andere haben nur leichtere Stimmungsschwankungen.“


Vermehrtes Schlafbedürfnis. Bei etwa 3,5 Prozent der Österreicher führt eine genetisch bedingte Vulnerabilität aufgrund des Lichtmangels in den Herbst- und Wintermonaten zu einer Depression, am häufigsten sind 20- bis 40-Jährige betroffen. Die sogenannte saisonal bedingte Depression, kurz SAD, ähnelt aber nur am Rande der echten Depression. Menschen mit SAD sind zwar niedergeschlagen, vielleicht melancholisch verstimmt, aber „sie leiden nicht unter dieser unendlichen Traurigkeit, sie haben auch nicht diese schweren Ängste und selten Selbstmordgedanken“, sagt Kasper. Was sie hingegen haben, ist ein vermehrtes Schlafbedürfnis – dazu kommen Schlappheit, Energiemangel, Tatenlosigkeit und oft auch sexuelle Unlust.

Unbändig ist allerdings bei vielen Betroffenen die Lust auf Süßes und Kohlenhydrate. Die beruht aber nicht auf purer Lust allein: Winterdepressive holen sich damit auch einen Energiekick. Der Mix aus Tatenlosigkeit und Schokoladenschwelgerei bleibt freilich nicht ohne Folgen: Winterdepression macht oft dick.


Licht hilft. Rund 14 Prozent der Österreicher verdüstert der Winterblues die Tage. Krank fühlen sich Blues-Betroffene nicht, sie sind einfach nicht gut drauf. Ein Mittel dagegen ist die Farblichttherapie. „Die hilft nicht nur sehr gut gegen Winterdepression, sie stärkt auch das Immunsystem und das Wahrnehmungsvermögen und verleiht Energie sowie Gefühle von Glück und Ausgeglichenheit“, sagt die in Wien tätige Farblichttherapeutin Gabrielle Buresch-Teichmann. Sie arbeitet mit der Lichttherapie des US-Augenarztes Jacob Liberman sowie mit dem „Monocrom Color Dome“-Farblicht von Karl Ryberg. „Licht und Farben haben eine Wirkung auf 80 Prozent der Gehirntätigkeit und auf eine Reihe von biologischen Funktionen“, weiß Buresch-Teichmann.

„Teilweise sensationelle Erfolge“ bei Winter- aber auch echten Depressionen hat auch Christian Plaue, Allgemeinmediziner mit komplementärer Ausrichtung, gemacht. Er bietet in seiner Wiener Praxis Eigenlichttherapie mit Relux an. „Eigenlicht deswegen, weil die Anteile an Rot, Grün, Blau und Gelb, mit denen der Patient pro Sitzung etwa eine Stunde mit einem speziellen Gerät bestrahlt wird, individuell verschieden sind. Der persönliche Lichtmix wird nach Körper- und Persönlichkeitsmerkmalen über ein eigenes Diagnoseprogramm errechnet.“ Allen drei erwähnten Farblichttherapievarianten gemeinsam ist, dass sie die Energieproduktion der Körperzellen anregen und Befindlichkeit sowie körpereigene Regulationsmechanismen verbessern.

Wissenschaftler Kasper hält mehr von der universitär erforschten Lichttherapie, über die er – gemeinsam mit dem Wissenschaftler Norman E. Rosenthal – ein Buch geschrieben hat. Diese Form der Therapie ist wissenschaftlich evaluiert und voll etabliert: Lampen mit 2500 bis 10.000 Lux bringen Licht in die Dunkelheit der Wintertage. „Es ist vor allem unser Gehirn, das die Helligkeit braucht“, sagt Kasper. „Patienten sitzen täglich eine halbe bis zwei Stunden vor den therapeutischen Lampen, bei etwa 90 Prozent vertreibt das die Winterdepression.“


Raus ins Freie. Bis zu einem gewissen Grad hilft freilich auch das natürliche Licht. Ein Spaziergang bringt an trüben Wintertagen noch immer 1000 bis 2000 Lux, während es im Büro oder in der Wohnung nur an die 300 bis 500 Lux gibt. Therapielampen kann man sich übrigens in der Spezialambulanz für Herbst-Winter-Depressionen am AKH Wien für eine Woche kostenlos ausborgen. In schweren Fällen werden vielleicht auch noch Psychotherapie und Antidepressiva vonnöten sein, bei mittelstarken Beschwerden könnte Johanniskraut Fröhlichkeit in dunkle Tage bringen. Und bei der Light-Variante der winterlichen Verstimmung reicht es vielleicht schon, sich einfach mit belebenden Farben wie Orange oder Rot zu umgeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2013)

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